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Klaus Kalchschmid
Liederabend, München, Prinzregententheater, 22. Juli 2008
Liebe, Lust und Freundschaft
Jonas Kaufmanns anspruchsvoller, umjubelter Münchner Liederabend mit Schubert, Britten und Richard Strauss
(München, 22. Juli 2008) Wie ist wohl dieses ebenso klug wie effektsicher zusammengestellte Pogramm zum Thema "Liebe und Leben eines Mannes" entstanden? Beginnend mit der Freundschaft in Schuberts ebenso umfangreicher wie großartiger Vertonung von Schillers "Bürgschaft", einen entscheidenden Schritt weitergehend in Benjamin Brittens Michelangelo-Sonetten über die grenzenlose, schmerzhafte, selbstzerstörerische Hingabe eines Mannes an einen anderen, bis zu - die Zugaben mitgerechnet - 17 Strauss-Liedern, allesamt Liebeserklärungen eines Mannes an (s)eine Frau, kulmierend in der zärtlichen späten Rückschau auf das Glück des Lebens in "Ich trage meine Minne".

Jonas Kaufmann also begann mit Schuberts Vertonung von Schillers berühmter Ballade, die die Macht der Freundschaft zweier Männer über einen Despoten vorführt - mit dem sprichwörtlichen: "Ich sei, gewähret mir die Bitte, in eurem Bund der Dritte." Schon hier mit dem souverän, plastisch, ja aufregend mitgestaltenden Helmut Deutsch am Flügel zu hören, wie wichtig dem jungen Tenor Text und Ausdruck sind, wie sicher er Rezitativisches zugleich singen und beredt "sprechen" kann, wie ihm aber auch immer wieder feine Melodiebögen gelingen. Die große Verheißung dieses Liedes wurde im nächsten Programmpunkt eingelöst, mit dem bereits ein weiterer, wenn nicht sogar DER Höhepunkt des Abends erreicht war:

Der Zyklus von "Sieben Sonetten nach Michelangelo" op. 22 aus dem Jahr 1940 ist auch in Benjamin Brittens umfangreichem Lied-Schaffen einzigartig, denn die zugrunde liegenden Gedichte sind die poetische Auseinandersetzung eines Mittfünfzigers mit dem Reiz und der erotischen Anziehungskraft eines schönen, weit jüngeren Mannes; als Vertonung aber sind sie die Brautgabe eines 27-jährigen Komponisten an einen fast gleichaltrigen Tenor, der bis zum Tod sein Partner in Liebe, Leben und der Musik bleiben sollte. Dieser Zyklus - von Kaufmann natürlich im altitalienischen Original gesungen - ist technisch wie musikalisch höchst anspruchsvoll, denn er offenbart in jedem Lied soviel charakteristisch Neues, dass eine einzige Stimme für den Facettenreichtum dieser Lieder fast nicht ausreicht. Weil Kaufmann aber nicht nur immer noch betörend lyrisch singen, sondern auch jung-heldischen Glanz verströmen kann und über untadelige Diktion wie Intonation verfügt, war er der perfekte Interpret dieser zugleich verrätselten und hocherotischen Sonette.

Dass der gebürtige Münchner vor zwei Jahren eine wunderbare Platte mit Strauss-Liedern bei Harmonia Mundi veröffentlicht hat, war im langen zweiten Teil seines Liederabends im Prinzregententheater im Rahmen der Münchner Opernfestspiele in fast jeder Phrase zu hören, ob im feinen Humor der "Schlichten Weisen" op. 21 oder den ausgewählten Liedern, die folgten. Aus "Sehnsucht", "Nachtgang", "Freundliche Vision" und "Ich liebe dich" bestand die zweite Gruppe, der die vier berühmten Lieder op. 27 folgten (darunter "Morgen und "Cäcilie") sowie als Zugaben: "Breit? über dein Haupt", "Wozu noch Mädchen?", "Nichts" und "Ich trage meine Minne". In jedem dieser Lieder gestaltete Kaufmann klug und wortverständlich, nie den musikalischen Ausdruck sängerischer Wirkung opfernd, aber dennoch mit dem gebotenen Schmelz und vielen vokalen Farben - zurückgenommenes, fast fahles Piano eingeschlossen. Kaufmanns Tenor klang da immer natürlich, faszinierte mit dunkler, männlichen Färbung und betörte zugleich mit Glanz in Mittellage und Höhe. Wann immer leichte stimmliche Grenzen - etwa beim Leisesingen - zu ahnen waren, wurden sie geschickt kaschiert und im Dienst der Deutung von Text und Musik eingesetzt.

Bleibt zu hoffen, dass Jonas Kaufmann neben seinem Lohengrin zu den Münchner Opernfestspielen 2009 wieder Zeit und Muße findet für einen derart anspruchsvollen und ebenso großartig gemeisterten Liederabend.

 






 
 
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