Opernnetz.de
Ingrid Franz
Beethoven: Fidelio, Paris, Opéra Garnier, 25. November 2008
Fidelios neue Kleider
Früher waren es gekrönte Häupter, die sich zu Ehrentagen mit einer neuen Oper beschenkten, und auch heute gibt es noch besondere Anlässe, zu denen ein großes Werk neu auf die Bühne gebracht wird. Zum Beispiel den 65. Geburtstag des Intendanten der Pariser Oper. Gerard Mortier wünschte sich zu diesem Anlass eine Neuinszenierung von Beethovens Fidelio durch den niederländischen Regisseur Johan Simons. Wenigstens einmal in seiner Amtszeit wollte er eine Inszenierung dieses Werkes nach seinem Geschmack erleben.

Mit Sylvain Cambreling hat Mortier schon lange Jahre erfolgreich zusammengearbeitet. Der Dirigent hat sich für diese Produktion entschlossen, die Ouvertüre von Beethovens Vorläufer-Oper Leonore an den Anfang zu setzen, und sobald sich der Vorhang der prunkvollen Garnier-Oper hebt, eröffnet Julia Kleiter das Bühenengeschehen mit der brillant gesungenen Arie der Marzelline. Ungewöhnlich, aber schlüssig, wenn anschließend das Duett erklingt, gefolgt von einem Terzett, das in der Endfassung der Oper von Beethoven gestrichen wurde. Cambreling wählt breite Tempi und pastose Klänge. So viel Wagner klingt selten mit bei Beethoven. Manchmal gerät auch der Orchesterklang etwas zu schwer für die Stimmen. Ein Glück, dass die Solisten, angeführt von Angela Denoke als Leonore, stets genug Luft haben.

Abgesehen von der eigenwilligen musikalischen Interpretation dürfen alle Darsteller sich in einer neuen Dialogfassung von Martin Mosebach sprecherisch beweisen. Dafür werden sie sogar per Mikrofon verstärkt. Dass diese technische Hilfestellung die Kluft zwischen den gesungenen und gesprochenen Teilen noch mehr vergrößert, hat man wohl nicht ausreichend bedacht.

Inhaltlich ist die moderne Sprache und politisch aktualisierte Wortwahl ein Gewinn. Die Ausführung durch Johan Simons Regie wird zuweilen etwas pathetisch und zäh durch zu ausgiebiges Bespielen von Sprechpausen. Das französische Publikum ist über die neuen Dialoge nicht wirklich begeistert.

Dabei geht Johan Simons Regie auch unter die Haut. Schonungslos zeigt er im kahlen vergitterten Gefängnisbau den mit modernsten Mitteln gefolterten Florestan, hervorragend verkörpert durch Jonas Kaufmann. Pizarro, der hünenhafte Alan Held, ist Chef einer schlägernden Sondereinheit und spielt gerne mit dem Klappmesser.

Im mächtigen Chorfinale öffnen sich die Gefängnismauern, entledigt sich das graue Volk seiner Mäntel und die Damen tragen leuchtend bunte Blumenkleider, die im aufgehenden Bühnensonnenlicht erstrahlen. Da fühlen sich die Pariser wieder zu Hause – Liberté! – und sie danken es mit rhythmischem Applaudieren!


 






 
 
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