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Der neue Merker |
Udo Klebes |
Konzert, München, 24. Februar 2008
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München: „JONAS KAUFMANN“ Romantic Arias (Herkulessaal 24.2.2008)
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Das Zitat vom Prophet, der im eigenen Lande
nichts zählt, läßt sich auch auf die Karriere des Münchner Tenors Jonas
Kaufmann anwenden. Erst nachdem er an den internationalen Bühnen von Zürich,
Paris, New York, London und Mailand mit erfolgreichen Debuts von sich reden
gemacht hatte, kehrte er jetzt im Zuge seiner kometenhaft von allen Gazetten
angetrommelten Vermarktung sozusagen als siegreicher Held für einen
Arienabend in seine Heimatstadt zurück. Man kann dem so natürlich und
dankbar wirkenden Künstler wirklich nur wünschen, dass er diesem
übersteigerten Werbefeldzug und forcierten Erwartungsdruck standhält und
sich unbeirrt ganz auf seine sängerdarstellerischen Künste konzentriert. Und
darin befindet sich Jonas Kaufmann nach harten Anfängerjahren und einer
Stimmkrisenüberwindung durch den Wechsel des Gesangslehrers auf dem besten
Weg zu einem der ganz großen Vertreter seines Stimmfaches. Vor allem gehört
er zu den wenigen deutschen Tenören, die sich im italienischen Fach
internationale Anerkennung erworben haben und dieses mit sprachlicher
Einfühlsamkeit und Ausbalancierung lyrischer und dramatischer Ausprägungen
dank eines gesunden Stimmsitzes genauso gut beherrscht und ausfüllt wie das
französische und das deutsche Repertoire. Es ist beglückend zu wissen, dass
Kaufmann gegen das überhand genommene Schubladendenken bei Stimmfächern
angeht und beweist, dass ein technisch und substanzmäßig entsprechend
ausgestatteter Sänger ein breites Spektrum singen kann und dies auch nutzen
sollte. Geschieht dies noch mit einem so unverkennbaren, virilen,
dunkelfarbenen Timbre, einer alle Register ziehenden dynamischen Spannweite,
einer runden und strahlkräftigen Höhe und darob noch mit spürbar innerer
Beteiligung, hat auch das anspruchsvollste Publikum allen Grund zur Freude.
Zu einer gesunden kritischen Beurteilung gehört jedoch auch die Beachtung
diffiziler Feinheiten. In dieser Hinsicht war an diesem Abend zu bemerken,
welche Partien Jonas Kaufmann bereits auf der Bühne gesungen und als
gesamtheitliche Rollenportraits erarbeitet hat und welche noch bevorstehen
bzw. welche noch denkbar sind. Zu ersteren gehört der Rodolfo in „La
Bohème“, dessen „Che gelida manina“ von der kleinsten Geste bis zum
glanzvollen Höhepunkt der „speranza“ mit so viel Zärtlichkeit und und
subtilen Nuancen über die Rampe kommt, dass von Vollkommenheit gesprochen
werden kann. Oder der Tamino, dessen Bildnisarie ihm auch als heldisch
angehauchten Mozart-Sänger zur Flexibilitätswahrung seiner Stimme weiterhin
gut tun wird; oder Don José, dessen „La fleur“ uns in zahlreichen
Piano-Schattierungen die bei den meisten Sängern verloren geglaubten
Eigenschaften kultivierten Singens wieder ins Bewusstsein ruft oder der Duca
in „Rigoletto“, wo seine Stimme einen leicht feurig aufgerauhten Klang
annimmt. Gerade diese individuell auf die einzelnen Partien zugeschnittenen
stimmlichen Anverwandlungen sind es, die eine solche oft im Einheitston
ablaufende Anneinanderreihung von Arien zum vielseitigen Wechselbad werden
lassen. Lyonels ebenso innig wie kernig interpretierte zentrale Arie aus der
„Martha“ läßt eine nochmalige Rückkehr der Loriot’schen Inszenierung
wünschen, um diese Idealbesetzung erleben zu können. Ein nuanciertes und
doch leidenschaftlich aufflammendes „Pourquoi me reveiller“ läßt auf
gefühlsintensive „Werther“-Aufführungen in der Zukunft hoffen, ebenso das
Preislied des Stolzing auf strahlend gekrönte „Meistersinger“.
Nur Cavaradossis „E lucevan le stelle“ blieb mit dauerhaft zu gedecktem
Stimmeinsatz hinter den anderen Beiträgen zurück, läßt aber nicht daran
zweifeln, dass dieses Herzstück im Rahmen kompletter Tosca-Aufführungen
genauso zünden wird.
Die vier Zugaben bestätigten noch einmal die Universalität des Sängers, der
die herzzerreißende Klage des Federico aus Cileas „L’Arlesiana“ genauso
differenziert auffächert wie er „Dein ist mein ganzes Herz“ zur betörenden
Liebeserklärung und „Non ti scordar di me“ zum schmelzvollen, aber nicht
schmalzigen Evergreen erhebt. Das endgültig den Abend beschließende „La
donna e mobile“ ist noch ein letzter Beweis, wie er mit der Stimme auch in
den Gipfellagen spielen und in diesem Ohrwurm unwiderstehlich den
leichtfertigen Charakter des Herzogs einfangen kann. Auf krönende
Spitzentöne, ja nicht einmal auf seine das Gesamtkunstwerk abrundende
adonis-gleiche Erscheinung ist Jonas Kaufmann angewiesen, um mit seinen
Kunstfertigkeiten zu überzeugen. Er hätte sich ein sensibler auf seine
dynamischen Abstufungen eingehendes Orchester verdient als die
Nordwestdeutsche Philharmonie unter der mäßig inspirierenden Leitung von
Matteo Beltrami (auch in diversen Ouvertüren-Zwischenbeiträgen von
„Barbiere“ bis zur „Barcarole“). Oft zu laut und pauschal erreichte dieser
durchschnittliche Klangkörper in keinem Moment das Niveau des Solisten.
Nicht nur München, wo er 2009 bei den Opernfestspielen seinen ersten
Lohengrin singen wird, besonders die noch nicht bekannte Elsa dieser
Neuinszenierung sind ob diesem ersehnten Schwanenritter zu beneiden…… |
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