|
|
|
|
|
DrehPunktKultur, 19.02.2007
|
Oliver Schneider |
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007
|
Bilderreigen auf der Drehbühne
|
Für Harnoncourt gibt es keine Routine, auch
nicht, wenn er heuer zum dritten Mal eine Neuinszenierung von Mozarts
letzter Oper betreut: Einhellige Zustimmung für Harnoncourt am
Premierenabend. Kusejs Inszenierung polarisierte. |
|
Harnoncourt bereitet ein von liebgewordenen
Gewohnheiten entschlacktes, trockenes Hörerlebnis. Ruhig und doch voll
Spannung schreitet die Musik voran. Paminas und Papagenos zögerliches
"Schnelle Füsse, rascher Mut" lässt bereits musikalisch das Scheitern des
Fluchtversuchs aus der gefühllos-kalten Gesellschaft der Eingeweihten
erahnen. Doch es gibt auch anderes zu entdecken, zum Beispiel Paminas g-moll
Arie: ein wütender Ausbruch einer jungen Frau, die sich von ihrem Geliebten
und seinem Freund verraten fühlt. Nichts ist hier von pathetischer Trauer zu
spüren, die nicht zu einer Frau im Alter Paminas passen will. Das sonst
heiter wirkende Priesterduett "Bewahret euch vor Weibertücken" wirkt dank
prägnanter Artikulation - und unterstützend eindeutiger Gesten der beiden
Männer - bedrohlich und abweisend.
Rundherum überzeugen konnte am Premierenabend auch das vornehmlich junge
Zürcher Mozart-Ensemble. Vor allem Julia Kleiter als Pamina hinterlässt mit
beweglich, schlanker Stimmführung und viel Leuchtkraft einen nachhaltigen
Eindruck. Der Schweizer Ruben Drole verleiht dem Papageno ohne buntes
Federkleid, der sein Vogelfängerlied in einer Voliere singen muss, nach
verhaltenem Start Profil und überzeugt vor allem, wenn er sich vom Gläschen
Rotwein angetrunken in seinem Lied "Ein Mädchen oder Weibchen wünscht
Papageno sich" seinen Fantasien hingibt und sich gleich von drei Grazien
umgarnen lässt.
Als Tamino ist für den kurzfristig erkrankten Christoph Strehl am
Premierenabend Jonas Kaufmann eingesprungen. Er stattete den Prinzen mit
seiner balsamisch, baritonal timbrierten Stimme, die jedoch mitunter heute
zu schwer und zu stählern für den Prinzen wirkt, und herrlicher Strahlkraft
aus. Elena Mosuc ist eine erfahrene Königin in der Nacht. Ihre Stimme
mag heute nicht mehr so leicht klingen und ihre Spitzentöne verschwimmen ein
wenig. Dafür wertet sie die Partie auf, indem sie die oft zum
Koloraturvögelchen degradierte Frau zu einer vom Leben gezeichneten Mutter
macht, die für ihre zweite Arie dem Kühlschrank entsteigt. Matti Salminen
verleiht dem Sarastro seinen noblen, zumindest am Premierenabend aber
farblosen Bass.
Wie schon den Salzburger "Don Giovanni" bebildert Regisseur Kusej "Die
Zauberflöte" auf einer Drehbühne mit weißen, fensterlosen Räumen. Pamina und
Papageno sind zwei nach Liebe suchende Menschen in einer trostlosen Welt, in
der Gut und Böse sich nur schwer unterscheiden lassen und in der kühle
Rationalität und Grausamkeit dominieren. Statt einer Schlange bedrohen viele
kleine Schlangen Tamino und den Bewegungschor, aus den Sklaven werden junge
Mädchen, die wie Pamina in Sarastros Reich gefangen sind. Die Priester
gehören einem Männerzirkel an, in dem männlicher Mut durch Mensurenfechten
bewiesen werden muss. Frauen sind hier nur Objekte sexueller Begierden. Dass
es in der Welt der Königin der Nacht nicht besser zugeht, beweisen die drei
blinden Damen.
Kusej und Harnoncourt entlarven die Welt Sarastros als hohlen Schein und
stellen damit gleichzeitig die Errungenschaften der Aufklärung in Frage.
Tamino ist Teil dieser Scheinwelt. Die beiden Geharnischten, deren Duett so
rätselhaft wirkt, sind zu Popstars aus den 80er Jahren geworden. Auch für
die Feuer- und die Wasserprobe hat Kusej passende Bilder gefunden. Statt
durchs Feuer schreiten Tamino und Pamina mit einem Streichholz in der Hand
durch einen Raum mit Benzinfässern, in dem später die Königin und ihre
dunklen Gefährten verbrennen. Die Wasserprobe erlebt man nur in einer
Videoeinspielung, denn das Paar wird in einer noblen Limousine einer
bekannten Automarke sitzend ins Wasser gelassen und muss sich daraus
befreien und an Land schwimmen. Danach steht der Hochzeit nichts mehr im
Wege. Doch schaut sich das Paar in den Hochzeitskleidern ungläubig an. Glück
ist der Ehe wohl nicht verheissen, trotz strahlendem C-Dur.
Kusej hat insgesamt trotz einiger überflüssiger Gags - Papageno erhält im
ersten Aufzug als Lohn Essig, eine tote Ratte und Küsse der drei Damen,
Papagena ist eine Alte im Skianzug - und einiger Längen trotz oder gerade
wegen einer neuen Dialogfassung eine interessante Alternative zu den
üblichen märchenhaften Inszenierungen geliefert. Und doch bleibt ein ungutes
Gefühl. Wird man einem Werk wie der "Zauberflöte" wirklich gerecht, wenn man
es im Aussagegehalt so reduziert, so viele Facetten und Ebenen einfach
ausblendet? Verströmt das Ende nicht doch auch ein Quentchen Positivismus? |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|