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Tages-Anzeiger, 19.02.2007 |
Thomas Meyer |
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007
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Trotz Abgründen auch erstaunlich witzig
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Eine «Zauberflöten»-Premiere,
wie sie zu erwarten war: Harnoncourt und die Sänger umjubelt; die Regie mit
Buh und Bravo bedacht. Dabei wars ein vergnüglicher Abend. |
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Mit diesen kleinen geringelten Plastikschlangen
kann man nicht nur Kinder erschrecken, aber ob sie dafür taugen, eine grosse
Opernhandlung wie die der «Zauberflöte» auszulösen? Von einer Schlange
verfolgt, stürzt Tamino, dieser kleine Adam, auf die Bühne, hineingeworfen
nach dem Sündenfall in eine fremde Welt, in der er sich nicht auskennt.
Prompt setzt er zunächst auf die falsche Partei, die der Königin der Nacht,
und lässt sich dann - mutig und verständig ist er ja - zur richtigen
patriarchalen Macht bekehren.
Das fliesst jetzt bei Harnoncourt
«Die Zauberflöte», das Freimaurer-Stück von 1791, spielt mit verschiedensten
Mythen. Ihre Aufführungsgeschichte ist davon geprägt. Aber Martin Kusej, den
Regisseur der neuen Zürcher Inszenierung, scheint das nur wenig zu
bekümmern. Die Schlange zu Beginn ist ohnehin kaum glaubhaft darstellbar,
war sie zuvor nicht in konventionelleren Inszenierungen, ist sie auch nicht
bei der jüngsten Opernhauspremiere am Samstag. Deshalb diese
Plastikschlangen. Kusej liess sich damit fürs «Magazin» vom vergangenen
Samstag fotografieren, und seiner Körperhaltung war dort anzumerken, dass er
sich als Kinderschreck auch nicht völlig ernst nimmt.
Kusej kann dabei auf die Musik vertrauen, auf Mozarts enorme
Gestaltungsfähigkeit in erster Linie und darauf, wie dieses Stück vom
Opernhausensemble unter Nikolaus Harnoncoirt dargeboten wird. Ein sicherer
Wert. Als Harnoncourt seine «Zauberflöte» vor zwanzig Jahren in Zürich mit
Regisseur Jean-Pierre Ponnelle vorstellte, gab es zwar noch heftige
Kontroversen, aber das hat sich längst gelegt.
Gewiss könnte man auch heute noch über das eine oder andere Tempo
diskutieren: Der 6/8 des Duetts «Bei Männern, welche Liebe fühlen» scheint
mir immer noch zu traumverloren bedächtig. Die Arie Paminas «Ach ich fühl's,
es ist verschwunden!» hingegen wird diesmal, vorgetragen von der
hervorragenden, in ihrer Gestaltung souveränen Julia Kleiter, plötzlich
statt zum Lamento zu einem heftigen Gefühlsausbruch. Fraglich dann wieder,
warum die Koloraturen der Königin der Nacht so sehr verzögert werden. Kaum
zu glauben, dass Elena Mosuc, die in der Höhe so sicher ist, das nicht
schneller bewältigt. Warum also? Die Spitzentöne verlieren so etwas von der
Messerschärfe.
Das sind Details. Wichtiger ist der weite Erzählfluss, den Harnoncourt mit
dem Orchester der Oper Zürich überlegen gestaltet; gelöster, so scheint mir,
noch als früher, immer noch markant im Klang, aber etwas weniger forciert;
schliesslich ungezwungener, flexibler im Tempo. Die grosse Stärke dieses in
vielem auch problematischen Stücks ist seine Kurzweiligkeit und
Wandelbarkeit. Nichts wird ausgewalzt. Für zwei Takte kann denn auch in
dieser Interpretation manchmal ein anderer Charakter aufscheinen, kann ein
Gefühl durchbrechen, kann eine Ironie witzig hineinschimmern. Ja, zwei-,
dreimal glaubt man heraushören zu können, dass Harnoncourt seitdem Operette
dirigiert hat. Er nimmt sich Freiheiten heraus, lässt zum Beispiel den
Triumph-Chor, nachdem Pamina und Tamino die Prüfungen absolviert haben, in
einem fast unwirklichen Pianissimo singen - und unterstützt dadurch die
ironische Lesart Kusejs.
Das Ensemble ist gewichtig, etwa mit dem Sarastro von Matti Salminen, dessen
Tiefe immer noch so profund und sonor klingt wie einst. Jonas Kaufmann
musste innert Tagesfrist als Tamino für Christoph Strehl einspringen. Man
merkt nichts davon: Er geht voll in der Rolle auf, singt herrlich und bildet
mit Julia Kleiter ein wahrlich prägendes Protagonistenpaar. Agil auch
der Monostratos von Rudolf Schasching. Eine Entdeckung schliesslich: Ruben
Drole, der erst 26 Jahre junge, aus Winterthur stammende Bariton, als
Papageno (mit der wunderbar lebhaften Papagena von Eva Liebau).
Und diese prächtige Sängerschar schickt Martin Kusej nun in modernen
Kostümen (Heidi Hackl) durch die tiefen Schluchten eines kühlen
unterirdischen Gewölbes (Bühnenbild: Rolf Glittenberg): Traforäume,
Vorratskammern, Öltonnen, Not-OPs. Ist die Menschheit in den Untergrund
verbannt? Nach einer Katastrophe? Wer weiss? Kusej gibt keine Antwort
darauf. Seine Inszenierung spielt zwar mit dem Grusligen, aber
erfreulicherweise oberflächlicher, als man es erwarten würde. Sie versucht
gar nicht erst, das eigene Konzept bis ins Extrem zu treiben. Sie changiert.
Kusej dreht sich selber eine Nase
Dadurch gelingen Kusej zwar nicht so eindringliche Bilder wie Kenneth
Branagh in seiner Verfilmung «The Magic Flute», die demnächst in die Zürcher
Kinos kommt. Auf der anderen Seite muss er nichts erzwingen. Wenn sich eine
Idee, wie jene von den Öltonnen nochmals verwenden lässt (am Schluss mit dem
Untergang der «Bösen»), dann nimmt er sie auf.
Im Übrigen beharrt er nicht. Der Auftritt der Königin der Nacht aus einem
Eisschrank genügt als einmaliger Effekt, und auch die Schlangen wird man
später suchen. Manchmal schliesslich - wie in der Szene zwischen Pamina und
den drei Knaben - fällt ihm fast nichts ein; bei Papageno hingegen wird die
Inszenierung lebensvoll. Und sie nimmt die Liebenden ernst, aber auch das
nicht zu sehr.
Gerade da zeigt sich eine Qualität, die man nicht erwartet hätte. Die
Aufführung ist trotz aller angedrohten Abgründigkeiten auch erstaunlich
witzig und verspielt. Die Schlangen zu Beginn deuten das schon an. Und den
Schluss verkehrt Kusej, als wolle er sich selbst (und seinem Image) eine
Nase drehen, in ein Happyend mit Kuss vor der Leinwand. |
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