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Art TV, 22.10.2007 |
Kaspar Sannemann |
Humperdinck: "Königskinder", Zürich, Premiere, 21. Oktober 2007
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Jonas Kaufmann begeistert in einer intelligenten, zutiefst menschlichen
Inszenierung der KÖNIGSKINDER!
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Die spiessige Dorfgemeinschaft in der Turnhalle
– in diesem Einheitsbühnenbild siedeln der Ausstatter Mathis Neidhart und
der Regisseur Jens-Daniel Herzog Humperdincks Parabel an. In dieser
Turnhalle hält die griesgrämige, altjüngferlich-gestrenge
Biologieprofessorin (grossartig als „Hexe“ Liliana Nikiteanu) ihre
Schülerin, die Gänsemagd, gefangen. Diese muss nachsitzen, kann nicht aus
der zum Biologielabor umfunktionierten Halle fliehen. Sie hängt ihren
kindlichen Träumen in Form von Papiergänsen nach. Erst als ihr der Spielmann
ihr Menschsein bewusst macht, ist der Bann gebrochen. Selbst die Professorin
wird durch die Anzüglichkeiten des Spielmanns aus ihrer Reserve gelockt,
wird zur Frau und löst den Haarknoten, der sie so streng wirken liess.
Solche Details intelligenter Personenführung sind es, die den Abend zum
spannenden Ereignis werden lassen. Höhepunkt ist sicherlich der 2. Akt, wenn
die Turnhalle zum Festsaal für die geldgierigen Bürger wird. Die Zeichnung
der Charaktere, von der notgeilen Wirtstochter (umwerfend Martina
Welschenbach) zur schnippischen Stallmagd (die immer wieder begeisternde
Kismara Pessatti), vom prahlerischen Kleinbürger (sehr gut als Holzhacker:
Reinhard Mayr) zum täppischen Politiker, vom gierigen Wirt, mit seinem mit
Pappkronen ausgestatteten Servierpersonal, zur feinfühligen Tochter des
Besenbinders (ergreifend Marie-Thérèse Albert), verdient höchste
Bewunderung.
Im 3. Akt ist die Turnhalle zerstört, Anarchie herrscht, die (Gefühls-)kälte
bricht mit Schneegestöber durch die zerbrochenen Fensterscheiben. Der
Spielmann, jetzt als Blinder als einziger sehend, und die grosse Kinderschar
suchen das Wahre und Edle, das sie als einzige erkannt haben. Zu spät. Das
ergreifende Schlussbild zeigt 50 Kinder, die aus dem tiefen Dunkel der
Hinterbühne ins Licht kommen und wieder entschwinden. Ihre
„Königskinder“-Rufe hallen unheimlich, elektronisch verstärkt, durch den
Zuschauerraum.
Einmal mehr muss die ungemein stimmungsvolle Lichtgestaltung durch Jürgen
Hoffmann erwähnt werden. Sie schafft in diesem doch eher tristen Raum
eindrückliche Bilder!
Das ganz grosse Ereignis des Abends ist Jonas Kaufmann, der die
anspruchsvolle Partie des Königssohns mit Bravour meistert. Seine
Darstellung der Wandlung vom ungehobelten, verwöhnten Prinzen zum Mann, der
zu Demut und Menschlichkeit fähig ist, verdient höchstes Lob. Er besitzt die
jugendlich strahlende, in allen Lagen perfekt sitzende, dunkel gefärbte
Tenorstimme, welche das Publikum zu Recht begeisterte! Auch Isabel Rey
als Gänsemagd überzeugte mit einer äusserst intensiven Gestaltung ihrer
Rolle, obwohl sie stimmlich an Grenzen stiess. Für die langen, aufblühenden
Kantilenen schien ihr manchmal der Atem zu fehlen, in der Höhe klang sie ab
und an etwas schrill und forciert. Doch ihr zart gesungenes Gebet „Vater!
Mutter! Hier will ich knien!“ war dann von einer zu Tränen rührenden
Innigkeit. Oliver Widmer stattete den Spielmann im ersten Teil mit der
notwendigen Nonchalance aus, im Schlussbild war er ein edler,
philosophischer, blinder Seher.
Ingo Metzmacher stand zum ersten Mal am Pult des Opernhauses Zürich. Ein
voll gelungener Einstand. Er wob einen intensiven Klangteppich, brachte
Humperdincks einfühlsame Musik wunderbar zum Blühen und das Orchester der
Oper Zürich setzte seine Intentionen ganz vorzüglich um. Die Produktion
passt sehr gut in die Reihe „Von deutscher Seele“ mit der Metzmacher (mit
seinem Deutschen Sinfonieorchester Berlin) dem Deutschen in der Musik
nachspüren will. Einhellige Begeisterung am Schluss des Abends.
Fazit:
Ein entzaubertes Märchen – und doch zauberhaft intensiv und anrührend
umgesetzt! |
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