Wiener Zeitung, 23.10.2007
Ernst Scherzer
Humperdinck: "Königskinder", Zürich, Premiere, 21. Oktober 2007
Ein verharmlostes Opernmärchen
Die Zürcher Oper überhob sich mit Engelbert Humperdincks wunderbarer Märchenoper "Königskinder".
Glücklicherweise haben manche Opernbühnen sogar bei der populärsten Schöpfung von Engelbert Humperdinck, "Hänsel und Gretel", inzwischen erkannt, dass darin mehr steckt als ein vorweihnachtliches Märchen für Kinder. Wer jedoch jemals des Komponisten "Königskinder" auch nur einmal gehört hat, wird diese Oper als die ungleich bedeutendere, trotz mancher volksliedhafter Züge dem großen Vorbild Richard Wagner kaum nachstehender Arbeit ansehen.

Der Titel, noch dazu mit der Bezeichnung Märchenoper, mag freilich in die Irre führen: Mit Königen sind hier keineswegs die zumindest in Mitteleuropa weitgehend ausgestorbenen Geschlechter gemeint, vielmehr die charaktervolle Persönlichkeit, zu welcher die Titelfiguren erst finden müssen. Humperdinck hat ihnen dafür den ergreifenden Zwiegesang des dritten Aktes gewidmet, musikalisch eher noch an Debussys "Pelleas und Melisande" als an Wagners "Siegmund und Sieglinde" gemahnend.

Wenn von Kindern die Rede ist, sind sie meist Träger der Hoffnung auf eine bessere Welt, das gilt auch für diese Oper und die in ihr gezeigte Welt voll Missgunst, Gewalt und Gewinnsucht. So harmlos und bieder, wie Jens-Daniel Herzog (Inszenierung) und Mathis Neidhardt (Ausstattung) das Stück in Zürich auf die Bühne stellen, wird von dessen wahren Qualitäten allerdings nur wenig sichtbar.

Stimmlich ungenügend

Und leider ebenso wenig hörbar, weil das Ensemble des Hauses eben doch nur Stadttheater-Qualität besitzt. Am meisten enttäuscht der Spielmann von Oliver Widmer, an sich wäre das eine Paradepartie großer Baritone: stimmlich nur sehr ungenügend, ist er darstellerisch so gut wie gar nicht vorhanden.

Die Gänsemagd von Isabel Rey gibt sich kindlich, was der Partie nur am Anfang entspricht – eine Soubrettenstimme, wo ein jugendlich-dramatischer Sopran vonnöten wäre. Umso größer ist der Abstand zum Königssohn, weil Jonas Kaufmann als dessen ideale Verkörperung angesehen werden darf. Ein strahlender Heldentenor, dabei rollenbedingt etwas naiv im Spiel sich gebend, gesanglich fein abstufend, dabei jederzeit wortverständlich. Was man sonst von keinem der zahlreichen Mitwirkenden behaupten kann. Dafür lief der deutsche Text als Übertitel mit - was durchaus zu rechtfertigen ist, da manche Reime aufgrund der Entstehungszeit, Ende des vorvergangenen Jahrhunderts – heute nur mehr schwer verständlich sind.

Ingo Metzmacher ist auch als neuer Chefdirigent des Deutschen Sinfonieorchesters Berlin in seinen Programmen stets auf der Suche nach der deutschen Seele. Er hat dieser auch bei Engelbert Humperdinck mit spürbarer Liebe nachgefühlt. Das Orchester der Oper Zürich ist ihm dabei nach Möglichkeit gefolgt.
Foto: Copyright: Suzanne Schwiertz, Zürich






 
 
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