Offenbach-Post
Die verkaufte Braut, Frankfurt, Premiere vom 21. Mai 2006
Doppelbödige Posse um "Verkaufte Braut"
Smetana-Singspiel in Frankfurt mit tollen Solisten und Tiefgang
Am Vorhang aus Delfter Fantasie-Kacheln wird schon eifrig gewischt, bevor die Ouvertüre loslegt. Während sich in lichter Höhe Bühnenarbeiter mit Bier zuprosten. Der Sauberkeitswahn macht in Bedrich Smetanas "Verkaufter Braut" Sinn. Denn im Komischen Singspiel um eine verhinderte Zwangsehe haben alle Dreck am Stecken - bis auf einen. Und diesen armen Tölpel hat Regisseur Stein Winge in seiner Inszenierung an der Oper Frankfurt besonders ins Herz geschlossen.

Doch obwohl der Norweger - mit Ibsen-Dramen offenbar eng vertraut - die dunklen Stellen des heiteren Bühnenstücks genüsslich aufspießt, verliert die Liebesgeschichte nicht an Drive, geschweige denn an Sentiment. Da stehen Kapellmeister Roland Boer, das hohe Tempi vorlegende Frankfurter Museumsorchester und eine Solisten-Riege vor, die szenisch wie musikalisch erstaunliche Fitness bezeugen. Und dafür gab es am Ende der Premiere am Willy-Brandt-Platz viel verdienten Beifall.

Von wegen Operette - schon die Ouvertüre hat es in sich, vom Dirigenten Boer leicht aufgeraut, der sich mächtig ins Zeug legt. Auch bei jenen klanglichen Ingredienzen, die später in den Klarinetten-trunkenen Liebesarien, den derben Bauerntänzen oder den kontrapunktisch-schwierigen Verhandlungen um einen Ehevertrag gebraucht werden. Das Opernorchester scheint hier in allen Sektionen böhmisch geprägt. So lustvoll werden Polka oder Furiant aufgezäumt, so innig die Klanggarnitur bei den Szenen einer beinahe verhinderten Liebe, die, in deutscher Sprache gesungen, unmittelbar rüberkommen.

Winges böhmisches Dorf ist ein rundlicher Turm aus durchsichtigem Fachwerk, der sich in einer Art inneren Bezirk wiederholt (Ausstattung: Benoit Dygardyn), in dem die solchermaßen abgeschottete Gesellschaft ihre Spielchen treibt. Das atmet Kittelschürzenmief, und Blaumänner gibt es im Wortsinn (Kostüme: Jorge Jara): Kaum eine Komische Oper, in der das Bier nicht nur in Strömen fließt, sondern auch noch besungen wird. Die Folgen stellt der Regisseur in einem Tableau aus, das für Breughels deftige Kneipenbilder Ehre einlegt.

Und wenn die so genannten kleinen Leute mit täppischer Eleganz Polka oder den wilden Furiant tanzen, dreht sich die Bühne dauerhaft. Da hat der Chor wieder einmal allerhand zu tun, zeigt sich in Schmetterlaune und noch im dicken Klanggewoge fein abgestimmt, wie er tanzt oder den Liebeshandel neugierig begafft (Einstudierung: Alessandro Zuppardo).

Keine Spur von Zwangsheirat im heutigen Sinn: Eher fühlt sich Marie, die einen anderen heiraten soll als den geliebten Hans, von allen verschaukelt - und sie versteht auch selbst kräftig auszuteilen. So macht sie sich unbekannterweise an den Tollpatsch Wenzel heran, den sie doch gar nicht will, erzählt ihm Märchen und gibt ihm einen langen, allzu langen Kuss. Eine Paraderolle für Maria Fontosh, deren feiner lyrischer Sopran auch so manche dramatische Klippe nimmt, mühelos Druck aufbauend.

Warum ihr Hans, der mit Brechtscher List den Heiratsvermittler foppt und schröpft, indes erst so spät verrät, dass er Wenzels Bruder ist, bleibt Smetanas und seiner Librettisten Geheimnis. Jonas Kaufmann gibt ihm das Profil eines Liebenden der durchaus auch Zuhälter-Qualitäten an den Tag legt. Und er besitzt einen Tenor, der höchste Töne schwerelos erklimmt - dazu mit einem wunderschön warmen Timbre gesegnet. Die tiefen Töne hatte dagegen Gregory Frank gepachtet, ein ungemein geschmeidiger Bass, der zwar zur Premiere gelegentlich an etwas langer Leine mit dem Orchester verbunden scheint, aber ideal den Drahtzieher-Part ausspielt. Am Ende steht er außen vor und muss - offenbar mittellos - den Kachel-Vorhang putzen.

Passen Franz Mayer als an Krücken gehender Bauer samt seiner ihn andauernd spießbürgerlich befummelnden Gattin (Sonja Mühleck) sowie Dietrich Volle als Grundbesitzer und Margit Neubauer als seine neureiche Frau auch stimmlich wie nach Maß, so liefert Carsten Süß als Wenzel zwischen Stottern und tenoraler Kantilene eine prächtige Charakterstudie ab. Dem Komplex geladenen Sympathieträger kann geholfen werden: Von der wunderschönen Esmeralda (Tamara Weimerich), die samt dem souveränen Zirkusdirektor (köstlich: Altmeister Carlos Krause) und dem "Indianer" Gérard Lavalle per VW-Bus bürgerliches Mauerwerk durchbricht und Wenzel zum Bärendienst verpflichtet. Fortan herrscht zwischenzeitlich Kleinkunst auf der Opernbühne.

Bis auf Jonas Kaufmann gehören alle Akteure zum Frankfurter Ensemble, dessen Qualitäten wieder einmal erstaunen. Die zweite Erkenntnis nach dieser musikalischen Komödie mit Tiefgang: An der Oper Frankfurt hat das Sommertheater schon früh begonnen. Und das ist gut so!
Foto: Monika Rittershaus






 
 
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