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Eßlinger Zeitung 10. Oktober
2005 |
Angela Reinhardt |
La Traviata, Stuttgart, Oktober 2005
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Ohne exaltierte Gefühle
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Wiederaufnahme von Verdis "La
Traviata" in der Inszenierung von Ruth Berghaus an der Stuttgarter
Staatsoper |
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Stuttgart
- Nachdem sie es dank Anna Netrebko sogar ins deutsche Fernsehen geschafft
hat, leidet Giuseppe Verdis kranke Kurtisane nun auch wieder in der
Stuttgarter Oper, wo die Ruth-Berghaus-Inszenierung von "La Traviata" aus
dem Jahr 1993 wiederaufgenommen wurde. Bei der Premiere noch von den
üblichen Berghaus-Buhs umtost, wurde die Aufführung jetzt einmütig bejubelt
- und wirkt doch nach zwölf Jahren so seltsam brav. Denn Berghaus glaubte an
den Kern der Geschichte, an die Liebe. Ihre Personenregie (so sie
originalgetreu einstudiert wurde) bebildert fast durchweg die Handlung und
weist nur an wenigen Stellen mit ein paar exzentrischen Gesten darüber
hinaus. Auch Erich Wonders düstere Interieurs geben die Kälte der
Gesellschaft direkt wieder, als Schnee oder als Beton, ebenso einfach wie
die Schwarz-Weiß-Symbolik von Marie-Luise Strandts Kostümen.
Natürlich gibt es ein paar Irritationen: die Schneeberge in der Scheune des
zweiten Aktes, wo Violetta und Alfredo in ihrem Glück die eigene Scholle
begärtnern, die Schnapsleichen in der Tiefgarage des letzten Bildes, der an
der Kurtisane seltsam desinteressierte Chor - und eine Violetta, die so gar
keine Anzeichen von Husten oder Krankheit zeigt. Es sei denn die berühmte
Krankheit zum Tode, die Langeweile, aber das könnte auch an der Sängerin
Lukia Spanaki liegen, die immer etwas unbeteiligt wirkt. Von ihrer
griechischen Landsmännin Maria Callas hat sie immerhin das scharfe Profil,
aber scharf ist leider auch ihr Sopran, in den Spitzentönen über den leicht
verwischten Koloraturen sogar trommelfelldurchbohrend. Wohl kann sie auch
leise singen, aber dann bleibt es ein sängerischer Effekt - was ihr fehlt,
sind die innigen Töne, das Zerrissene der liebenden Hure.
Viel schöner und viel echter leidet Jonas Kaufmann als leidenschaftlicher
Alfredo, der seinen dunklen, leicht verhangenen Tenor leicht und mühelos
führt - neben dem wie immer formidablen Staatsopernchor eindeutig der
beste Grund, die Wiederaufnahme zu besuchen. Anders als Vater Germont:
Michael Ebbecke kultiviert mit hohlem Bariton die Pianokultur, mit der sich
ein Sänger durchmogelt, wenn das Forte nicht mehr da ist. Italien-Import
Matteo Beltrami sollte eigentlich für die nötige Italianità beim
Staatsorchester sorgen können, aber er dirigiert lediglich zuverlässig, ohne
das Tempo je richtig anzuziehen, ohne die exaltierten Gefühle, den trunkenen
Taumel der Strettas. Wenn die Inszenierung schon nicht mehr aufregt, müsste
es wenigstens die Musik tun. |
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