Frankfurter Rundschau
Liederabend, Frankfurter Oper 28. Oktober 2005
Schalk und Schmerz
Liederabend in der Frankfurter Oper mit Jonas Kaufmann
Auf den ersten Blick sieht Jonas Kaufmann aus wie einer jener bemüht jungenhaften, noch immer wildwuscheligen Männer Mitte dreißig, die sich hämisch in den beginnenden Glatzen ihrer Altersgenossen spiegeln. Aber das täuscht. Denn der in München geborene und ausgebildete Tenor kann es sich ohne Weiteres aussuchen, was für ein Mann er gerade sein möchte. Dafür muss er sich noch nicht einmal umziehen. Seine Stimme, seine Ausstrahlung genügen. Zwar musste Klavierbegleiter Helmut Deutsch beim gemeinsamen Liederabend in der Oper Frankfurt in Sachen Ausdruck zunächst noch ein wenig nachhelfen. Aber als sich Kaufmann aus der Sicherheit der Einheitslautstärke herauswagte, gewann alles Folgende stetig an Souveränität. Und das, obwohl man die Zusammenstellung des Programms geradezu sportlich nennen könnte. Robert Schumanns Dichterliebe, Benjamin Brittens Sieben Sonette des Michelangelo und eine breit gefächerte Auswahl handverlesener Lieder von Richard Strauss brachten Kaufmann und Deutsch mit. Da war es fast unausweichlich, dass Kaufmann nicht allzu tief in alle sich anbietenden emotionalen Abgründe eintauchte, sondern sie gleichsam im Konjunktiv andeutete. Schließlich wollten am Ende des Programms auch noch stolze fünf Strauss-Zugaben bewältigt sein, zwecks Ankündigung der demnächst erscheinenden gemeinsamen Aufnahme von Strauss-Liedern. Viel Anerkennung zollte das Frankfurter Publikum, geizte nicht mit Applaus und Bravo-Rufen angesichts dieser bemerkenswerten Gemeinschaftsleistung. Und Jonas Kaufmann verfügt tatsächlich über eine Stimme, die solches und noch mehr mühelos mitmacht. Gründlich operntrainiert ist sie seit Jahren, vom ersten Engagement Kaufmanns als lyrischer Tenor am Staatstheater Saarbrücken über seine Titelrollen als Ensemblemitglied des Opernhauses Zürich seit 2001 bis zu seinen internationalen Gastauftritten und Einspielungen. Klar ist sie, kraftvoll und warm mit angenehm baritonaler Färbung, stabil selbst im Hochrisiko-Pianissimo und im Fortissimo nie schmetternd oder gar grell. Ein Hohelied des kultivierten Belcanto zelebrierte Kaufmann in Brittens Michelangelo-Sonetten, gestaltete die Strauss-Lieder mit derart unaufdringlicher Größe, dass sie als Keimzellen des Strauss’schen Opernschaffens erfahrbar wurden. Nur seinen Schalk könnte Kaufmann gelegentlich vielleicht etwas besser im Zaum halten. Zu beliebig wirkten Scherz, Spott und Schmerz in Schumanns "Ein Jüngling liebt’ ein Mädchen", zu drollig klang die Schlusszeile "Und’s Wort hab’ ich vergessen" in "Allnächtlich im Traume". Aber sein komisches Talent dürfte Kaufmann in 2005/2006 sogar zupass kommen, wenn er an der Oper Frankfurt in Bedrich Smetanas "Die verkaufte Braut" die Rolle des Hans singt. Auch Helmut Deutsch kommt wieder: Er leitet zum zweiten Mal einen Meisterkurs für Solistinnen und Solisten des Frankfurter Opernensembles.






 
 
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