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Die Presse, 29.11.2005 |
VON WILHELM SINKOVICZ |
Schubert: Fierrabras, Konzerthaus Wien, 27. November
2005
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Schubert und Oper, das ist ein Konzert-Erlebnis
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Die Zürcher Oper schickte
Schuberts "Fierrabras" nach Wien. Konzertant. Das war die beste Regie. |
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Mit den Schubert-Opern ist das so eine Sache.
Die Musik ist herrlich, zuweilen verdichtet sie sich auch zu beinah
dramatisch zu nennenden Klangballungen. Im "Fierrabras" gilt das vor allem
für den Mittelakt. Doch auch bei diesem Werk mangelt es in einer Weise an
dramaturgischer Stringenz, dass am Ende nur noch das St. Pöltner Telefonbuch
als Beispiel für Lektüre von vergleichbarer Spannung herangezogen werden
kann.
Überdies verträgt sich der heutige Geschmack schwer mit Lobgesängen auf die
Tugendhaftigkeit. Auch Schillers "Bürgschaft" gilt Mittelschülern des
angehenden 21. Jahrhunderts bestenfalls als Sinnbild geradezu utopischer
Naivität. "Fierrabras" steht, historisch und stilistisch gesehen, irgendwo
zwischen der "Zauberflöte" und dem "fliegenden Holländer" - also in jenem
Nirvana, in dem auch die Opern Webers, Lortzings, Marschners verschwunden
sind.
Dem blinden Fleck im Repertoire begegnen hie und da szenische Versuche. Sie
scheitern allesamt wie jener, den Ruth Berghaus vor Jahren in Wien
veranstaltet hat. Wie das Wagnis "Fierrabras" in Zürich ausging, wird
demnächst die DVD-Aufzeichnung lehren. Einen Vorgeschmack bekam man im
Konzerthaus, denn da trat mit Solisten, Chor und Orchester der Zürcher Oper
auch ein Schauspieler als Schubert auf und brüllte Textfragmente in die
Runde - mag sein, auf der Bühne macht das guten Effekt. Im
Konzert-Zusammenhang wirkt der Regie-Ausritt deplatziert.
Im Übrigen freilich wurden Herz und Hörsinn frei für den Empfang melodischer
Botschaften von feinsinnigem Zuschnitt. Denn Franz Welser-Möst waltet mit
der ihm eigenen subtilen Gestaltungskunst am Pult und streichelte aus
Sängern und Musikanten Schuberts blühende Melodiebögen heraus, dass
Seelenregungen laut - und vor allem leise wurden. Er scheute auch nicht
davor zurück, kraftvolles Donnergrollen und Schlachtenlärm tönen zu lassen,
wo das angezeigt schien. Vor allem aber pulsierten die Rhythmen in jener
Nervosität, die für exzellente Schubert-Interpretationen stets unabdingbar
ist: Denn dieser Komponist rührt an innigsten Empfindungen. Eine Oper ist
ihm wie ein Lied; vielleicht eines, das unterm Fabulieren ein bisschen zu
groß geworden ist.
Solisten wie Juliane Banse, Michael Volle, Jonas Kaufmann, Twyla Robinson
und Christoph Strehl brillierten in den vielen Ensembles, alle zusammen
besangen zuletzt den Frieden, wie Josef Kupelwieser ihn für Schubert
erdichtet hat. Es geht um die Freundschaft, die Liebe, die Treue vor allem,
so hehr, dass man's, wie schon gesagt, kaum glauben kann. Ein musikalisches
Fest war es jedenfalls. Es erntete frenetischen Beifall. |
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