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Salzburger Nachrichten |
LASZLO MOLNAR |
Beethoven: 9. Sinfonie, Salzburg, 31. August 2004
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Die Freude an der Melodie
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Abschlusskonzert der
Salzburger Festspiele mit den Berliner Philharmonikern |
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Der zweite Gastspielabend der Berliner
Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten Simon Rattle war zugleich auch der
definitiv letzte Abend der diesjährigen Salzburger Festspiele. Ihre letzten
Takte waren der "Freude" gewidmet, wie sie Friedrich von Schiller in seiner
Ode besungen hat und wie diese von Ludwig van Beethoven in seiner Neunten
Sinfonie vertont wurde. Ein Ausklang, der gerade wegen seiner Popularität
das angemessene Zeichen war.
Nicht nur deshalb waren die meisten Zuhörer zufrieden. Nicht wenige hatten
sich vom ersten Programmpunkt, den "Variationen für Orchester", op. 31, von
Arnold Schönberg, gequält gefühlt. Gerade im Vergleich mit Beethovens kaum
weniger komplizierter Neunter Sinfonie mit ihren zum Teil atemberaubenden
Dissonanzen, kam das Problem der gesamten "neu tönenden" Musik zum
Vorschein. Auf die Beanspruchung durch sich reibende Töne und Klänge, sich
nie auflösende Dissonanzen und wie aus dem Nichts hereinfallende Motive
folgt keine Belohnung in Form einer Seelenmassage durch Melodie. Auf die
Fortissimo-Cluster im letzten Sinfonie-Satz bei Beethoven hingegen, bevor
der Bariton die Freunde beschwichtigt, nicht "solche Töne" anzustimmen,
folgt jenes "Freude, schöner Götterfunken"-Motiv, das geradezu als Hymne der
westlichen Welt gelten kann.
Nichts dergleichen bei Schönberg und Konsorten. Sie schaffen Erwartung ohne
Erlösung, fordern den reinen ästhetischen Sinn, ohne ihm sentimentales
Unterfutter zu geben. Dieses Dilemma wird der neuen Musik solange erhalten
bleiben, bis sie nicht zu einer eigenen Form der Melodie, am besten als
achttaktige Phrase, findet.
In diesem Gegensatz der Positionen war das Konzert aber durchaus angetan,
nicht die herbe Erfahrung mit Schönberg durch ein erhebendes
Beethoven-Erlebnis abzufedern, sondern vielmehr aus der strukturellen
Unerbittlichkeit Schönbergs einen geklärten Blick auf Beethoven zu werfen.
Die Interpretation Rattles und der Berliner Philharmoniker folgte diesem
Pfad. Sie enthüllte die Prozesse in Schönbergs Motiv- und Klangvariationen
und betonte zugleich ihre sinnlichen, Zusammenhang stiftenden Qualitäten.
Bei Beethoven hingegen hielt Rattle auf Klarheit, Kontur und Bündelung der
Energien, so dass gerade diese am meisten mystifizierte Orchesterkomposition
Beethovens als Prozess, als geistig klar geplante "Komposition" im Sinn des
Wortes erlebbar wurde. Mit allen Rauheiten, mit allen Schärfen, mit all der
Verwegenheit, mit denen Beethoven hierfür Töne und Akkorde schichtete.
Die "Berliner" sind Rattle dafür ein viel besseres, weil neugierigeres
"Instrument" als die "Wiener". Sehr klar umrissen und charaktervoll waren
auch die Beiträge der Solisten Christiane Oelze, Birgit Remmert, Jonas
Kaufmann und John Relyea sowie des zu einer glänzenden Mischung von
Transparenz und Klangpracht von Simon Halsey einstudierten Rundfunkchors
Berlin. |
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