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Leipziger Volkszeitung |
Peter Korfmacher |
La damnation de Faust, Dresden, Juni 2002
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Oper Brüssel bei Musikfestspielen bejubelt
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Eine Sternstunde in Galabesetzung bei den
Musikfestspielen |
Einen Tag nach der Leipziger Premiere gab's
Berlioz' "La Damnation de Faust" als Gastspiel des Brüsseler Théâtre de la
Monnaie in der Semperoper |
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Was für eine Stimme: Jonas Kaufmann ist ein
lyrischer Tenor, wie es lange keinen gab. Wie Balsam fließen ihm die Gefühle
aus der Kehle. Zärtlich schmeichelnd formt er die Spitzentöne, eine Spur
Metall verleiht seinem Forte eleganten Glanz. In jeder Lage beherrscht er
jede denkbare dynamische Abstufung. Und von all seiner beeindruckenden
Technik merkt man beinahe nichts. Weil er sie ganz in den Dienst der Musik
stellt. Am Sonntag adelte Kaufmann zu den Dresdner Musikfestspielen in der
Semperoper den Faust. Nicht den von Gounod, auch nicht den von Boito,
sondern den von Berlioz. Eben jenem, der Tags zuvor in Leipzig Premiere
gefeiert hatte. "La Damnation de Faust" an zwei aufeinander folgenden Tagen
in beiden sächsischen Musikmetropolen - da drängt sich der Vergleich
nachgerade auf.
Wenngleich er hinkt. Denn es gibt mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten: Die
Dresdner bekommen ein hochkarätiges Gastspiel präsentiert (zur "Damnation"
ist die Brüsseler Oper mit Chefdirigent Antonio Pappano und Mann und Maus
angerückt) - die Leipziger sehen eine Eigenproduktion. Die Dresdner hatten
nur eine Chance - die Leipziger können ihren Faust in dieser Spielzeit noch
dreimal, in der nächsten öfter sehen. Und vor allem: Die Dresdner bekommen
nichts zu sehen. Jedenfalls kein Theater. Denn der Festspiel-Faust ist
konzertant.
Das macht es allen Beteiligten leichter, sich auf die Musik des großen
Berlioz zu konzentrieren. Und in dieser Beziehung ist in Leipzig kein Kraut
gegen den kostbaren Rausch an der Elbe gewachsen. Intendant Henri Maier
kennt zwar in Opernkreisen alles und jeden - aber eine Galabesetzung wie die
Dresdner kann er nicht bezahlen. Denn Kaufmann ist Erster unter Gleichen.
Marguerite erhält durch Susan Graham helle, verletzlich reine
Wahrhaftigkeit. Mephisto verleiht der große José van Dam Grandezza, Witz,
Dämonie, Brandner ist bei Henry Waddington bestens aufgehoben. Viermal
Weltklasse - Chapeau!
Auch das Orchestre symphonique de la Monnaie lässt sich nicht lumpen. Auf
der Bühne leuchten Farben, die im Leipziger Graben nicht zu hören waren. Das
liegt zum Teil an der Akustik, zum Teil aber auch am Brüsseler Orchester,
das sich diese Partitur unter dem exaltierten Pappano zur
Herzensangelegenheit macht. Das Gewandhausorchester spielt seinen
Opern-Berlioz anständig, die Brüsseler beseelen ihn.
Wie gesagt: Der Vergleich hinkt, und er ist unfair. Aber manchmal kann es
ganz hilfreich sein, sich auf dem Olymp umzuhören. Immerhin, und das ist
irgendwie beruhigend, hört man auch dem Monnaie-Chor an, wie schwer diese
Oper ist. Aber auch das hindert an diesem sonnigen Sonntag niemanden am
Jubeln: Für zehn Minuten reißt es das Publikum von den Sitzen. Nach einer
Sternstunde ist das recht und billig. Aber in Leipzig spielt das Theater. |
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