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Stuttgarter Zeitung |
Von Markus Dippold |
Dvorak: Requiem, Stuttgart, November 2001
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Nivellierte Totenklage
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Rilling dirigiert Dvorak-Requiem |
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Ein letzter fahler Akkord in b-Moll, nur von Holzbläsern
in ätherischer Lage intoniert, beendet neunzig Minuten Musik, die zwischen
Klage und Hoffnung schwankt und trotz der finalen Wendung zu lichten
Klangfarben den Moll-Schluss wählt. Das Requiem b-Moll von Dvorak erklang
zur Saisoneröffnung der Internationalen Bachakademie mit der Gächinger
Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart unter Helmuth Rilling.
Das Requiem als ureigenste musikalische Gattung der (katholischen) Kirche
spiegelt Totenklage und Hoffnung auf Auferstehung wider und bietet jedem
Komponisten Anlass, sich mit der Endlichkeit des menschlichen Daseins
auseinander zu setzen. Dvoraks Requiem ist jedoch ein reines Konzertstück
außerhalb der Kirche. Vorgesehen sind nur vier Solisten, Chor und ein
verhältnismäßig klein besetztes Orchester (man denke nur an den
Riesenapparat, den Verdi oder Berlioz fordern). Der Wille zur
Geschlossenheit, zur Rundung des Werkes ist auffällig. Immer wieder
leuchtet jenes eröffnende Viertonmotiv in den Einzelsätzen auf, immer
wieder neu gefärbt durch harmonisches Umfeld und Instrumentation.
Helmuth Rillings Interpretation hinterließ letztlich einen offenen, einen
fragenden Eindruck, so als hätte er sich nicht entscheiden könne, ob er
dem klagenden oder dem glaubensfrohen Charakter des Werkes größeres
Gewicht verleihen sollte. Da wirkte vieles nivelliert, Ausbrüche in
dynamische Extreme wurden vermieden. Gerade in den ersten Takten, dieser
Vierton-Keimzelle, wirkten die Streicher des Bach-Collegiums unsicher,
unfrei. Der für Dvorak so typisch blühende, schwelgerische Ton wollte sich
nicht einstellen - und tat es während des ganzen Abends nicht. Dafür
überzeugten die Bläser auf ganzer Linie. Makellos, mit ergreifenden
Klangfarben die Einleitung zum "Tuba mirum", das sich chromatisch nach
oben schraubt, bis die Altistin einsetzt. Birgit Remmert sang diesen Part
und erfüllte ihn differenziert, mit hoher Musikalität und schöner Stimme,
die leider in den Ensemblesätzen der vier Solisten selten durchzuhören
war.
Das lag zu einem Gutteil an ihrer Soprankollegin Karine Babajanyan, die
reichlich undifferenziert, meist auf der oberen Seite der dynamischen
Skala sang, dabei keine intonatorische Unsauberkeit scheute. Dagegen waren
die beiden jungen Sänger Jonas Kaufmann und Friedemann Röhlig Gewinn und
Entdeckung dieses Abends. Röhlig überzeugte mit großem Bass, der aber auch
zu lyrischen, fein abgestuften Zwischentönen fähig war. Der Tenor Jonas
Kaufmann hat sich als Sänger längst auf den Konzert- und Opernbühnen
etabliert und überrascht doch immer wieder neu. Elegant und kraftvoll ist
seine Stimme, schwingt sich mit Leichtigkeit in die Höhe und betört im
"Recordare" oder "Benedictus" mit Schmelz und purer Schönheit.
Die Gächinger Kantorei bot eine souveräne Leistung, lediglich von einigen
intonatorischen Unsauberkeiten in den zahlreichen unbegleiteten Passagen
getrübt. Als Gesamteindruck blieb jedoch die Unentschlossenheit hängen.
Sicher, es war eine solide Leistung, doch als Interpretation zu brav.
Etwas mehr Risikofreude hätte gut getan. |
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