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Stuttgarter Zeitung |
Von Jürgen Leukel |
Verdi: La Traviata, Stuttgart, Mai + Juni 2000
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Wiederaufnahme in der Stuttgarter Oper: "La Traviata"
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Die Arbeit ist sieben Jahre alt. 1993 hat Ruth
Berghaus in Stuttgart Giuseppe Verdis "La Traviata" inszeniert, die
Geschichte der Violetta Valéry, die von der Schwindsucht dahingerafft wird.
Deren Weg in den Tod begleitet auch in der Wiederaufnahme der Oper eine
Gesellschaft, die sich mehr um das volle Glas in der Hand kümmert als um die
Figuren, die sie ins Abseits drückt.
Den Pariser Salon der Kameliendame, ihr Landhaus vor den Toren der Stadt und
endlich das Schlafzimmer, in dem Violetta auf den Tod wartet, kleidete der
Bühnenbildner Erich Wonder in dunkle Farben. Die lassen auch ein
heruntergekommenes Bahnhofsrestaurant, einen Steinbruch oder eine
stillgelegte Fabrikhalle zu. Leise rieselt der Schnee, und das aus dem
Bervoix-Salon nach draußen dringende Licht sorgt für heimelige
Bohème-Gemütlichkeit.
Eindeutig sind die Interessen Alfredo Germonts, der sich in die Kurtisane
Violetta verguckt hat und verständlicherweise ihre Nähe sucht. Jonas
Kaufmann schafft es bis in Violettas Salon und rutscht unversehens in die
Rolle des Krankenpflegers: Violetta kippt um. Was Kaufmann stimmlich aus
seinem Ausnahmezustand macht, ist allererste Klasse. In Verliebtheit oder
gar Raserei verliert sich der Tenor nie. Ein Distanz haltendes Kalkül
scheint sein Tun und sein Singen zu bestimmen. Er regt sich auch nicht sehr
auf, als sich Sand im Liebesgetriebe breit macht.
Etwas schwerer tat sich anfangs, aber nur da, Catherine Naglestad. Violetta
Valéry brauchte eine gewisse Zeit, um die Qualitäten ihrer Stimme
auszuspielen. Auch bei ihr gibt es einen Abstand, der sie vor der völligen
Identifikation mit der Rolle schützt. Wenn nur noch ihr bleiches Gesicht und
das kleine, abgerissene Graue auf ihren Zustand hinweisen, singt Naglestad
vielleicht am schönsten. Hier wird dann die Regie etwas hilflos, was sich in
der kaum überzeugenden Führung der Personen artikuliert.
Mit diesem Defizit muss auch Alexander Polianichko am Pult fertig werden.
Immer dann, wenn die Szene prallvoll ist, wenn sich die Gäste, der
überzeugend singende Staatsopernchor, komplett im Salon tummeln, spielt das
Staatsorchester in Hochform. Da stimmen die Tempi, die Balance und der
Rhythmus des Geschehens vor und auf der Bühne. Maria Theresa Ullrich als
Flora Bervoix - wie Jonas Kaufmann und Catherine Naglestad eine Debütantin
in ihrer Rolle - ließ auch stimmlich die gute Führung ihres Salons erkennen.
Dem Gewicht ihrer Rollen entsprechend rundeten die übrigen
Ensemblemitglieder den gelungenen Abend ab. |
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