Opernglas 1/1998
K.-F. Schulter
Stuttgart: König Roger, 7. November 1997
König Roger
Zumindest nach außen hin scheint die eklatante Mißstimmung zwischen Direktion und Orchester an der Staatsoper Stuttgart, ausgelöst durch die von Klaus Zehelein betriebene eigenmächtige Ernennung Lothar Zagroseks zum neuen GMD, beigelegt zu sein. Der massive Widerstand des Orchesters gegen die Vorgehensweise des Intendanten Zehelein, der bei dieser Wahl das Mitspracherecht des Orchesters völlig außer acht gelassen hatte, machte schließlich, um zu einer Einigung zu finden, sogar eine gerichtliche Entscheidung notwendig. Daß es nach diesem unrühmlichen Vorspiel einige Zeit dauern wird, bis das Orchester und sein neuer GMD wirklich zueinander finden und es hoffentlich zu dem in Stuttgart längst fälligen Neubeginn kommen kann, war abzusehen. Obwohl Lothar Zagrosek mit Alban Bergs "Lulu", der letzten Premiere der vorigen Spielzeit, bereits seinen vorgezogenen Einstand gegeben hatte, zeigten sich jetzt bei der Neuinszenierung von Karol Szymanowskis "König Roger" sehr deutlich die immer noch bestehenden Grenzen in der Zusammenarbeit zwischen dem Dirigenten und seinem Orchester. Die Umsetzung der großen ekstatischen Ausbrüche gelang zwar äußerst wirkungsvoll, insgesamt gesehen fehlte es jedoch an der gerade für diese Oper unabdingbaren Herausarbeitung der klanglichen Feinheiten, da dieses Werk seine volle Wirkung erst durch die Umsetzung und Verbindung seiner Gegensätze zu entfalten vermag. Die mitreißende musikalische Sprache Karol Szymanowskis wurde dadurch nur in Ansätzen vermittelt und die Vorstellung geriet, da es ihr an Geschlossenheit fehlte, nach einem starken Beginn zunehmend langatmig.

Peter Mussbach zeichnete bei der Stuttgarter Erstaufführung des "König Roger" neben der Regie auch für das Bühnenbild verantwortlich und schuf dafür einen schlichten Einheitsraum: die oval angelegte Spielfläche wurde nach hinten von einer Rasterwand begrenzt, diese begleitete, unterschiedlich abgedeckt und beleuchtet, das Geschehen. In diesem Rahmen stellte er den Weg des König Roger als Monodrama dar und zeigte ihn als einen in seiner inneren Verhärtung fest eingerichteten Menschen, der sich bisher konsequent verdrängten Teilen seiner Persönlichkeit, für die hier der Hirte stand, stellen mußte. Ein anfangs verstärkter Rückzug war die unweigerliche Reaktion auf die offengelegte und damit auch erkannte massive Unsicherheit im Umgang mit sich selbst, doch der einmal begonnene Reifeprozeß brachte ihn langsam, aber beständig hin zur Selbstfindung; und dem Erkennen der gegensätzlichen Teile seiner Persönlichkeit folgte schließlich ihre Akzeptanz und damit auch seine Öffnung nach außen hin. Peter Mussbach hat sich bei der konsequenten Umsetzung dieses Konzeptes für eine zunehmende Reduktion des Geschehens entschieden und es sozusagen in das Innere der Person König Rogers verlagert. Im letzten Akt blieb Roger allein auf der Bühne, das Geschehen das auf ihn einstürmte, wurde nur durch Stimmen aus dem Hintergrund vermittelt. Wolfgang Schöne sang die Riesenpartie durchweg sicher und kraftvoll, ließ dabei aber die nötige Differenzierung vermissen und war auch darstellerisch mit den immensen Anforderungen dieses Regiekonzeptes deutlich überfordert.

Kristine Ciesinski hatte kurzfristig für die erkrankte Nina Warren die Rolle der Roxane übernommen und mit deren Höhen deutliche Probleme. Auch Sidwill Hartman konne als Hirte nicht überzeugen, zu sehr mußte er forcieren, so daß seine Stimme besonders in der Höhe angestrengt klang. Mit schöner Stimmführung sang Jonas Kaufmann den Endrisi. Bewährt haben sich wieder Mark Munkittrick als Erzbischof und Carmen Mammoser als Diakonissin. Hervorragend disponiert waren die Stuttgarter Chöre unter der bewährten Einstudierung von Ulrich Eistert.

Angesichts der zum Teil großen Schwächen dieser Aufführung war die zurückhaltende Reaktion des Premierenpublikums nicht verwunderlich.






 
 
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