Augsburger Allgemeine, 28.7.2022
VON VERONIKA LINTNER
 
 
Tenor Jonas Kaufmann: "Heimat ist dort, wo man willkommen ist"
 
Im Kloster Benediktbeuren gibt Tenor Jonas Kaufmann erstmals ein Konzert mit Augsburgs Philharmonikern. Ein Gespräch über Heimatgefühle und Wiener Lieder.

Herr Kaufmann, Sie sind ein echtes Münchner Kindl, ein Mann aus der bayerischen Hauptstadt. Was verbindet Sie denn persönlich mit Schwaben – und vor allem mit den Augsburger Philharmonikern?

Jonas Kaufmann: Tatsächlich arbeite ich bei diesem Konzert zum ersten Mal mit den Augsburger Philharmonikern zusammen. Meine Frau, die Opernregisseurin Christiane Lutz, hatte allerdings früher schon einige Engagements am Augsburger Theater, damals war Dirk Kaftan dort noch der Generalmusikdirektor. Und mein langjähriger Lied-Begleiter, der Pianist Helmut Deutsch, hatte gut 30 Jahre lang seinen Lebensmittelpunkt in Augsburg, er ist also fast ein Augsburger Kindl. Da kann ich mich schon an zahlreiche Besuche und Stunden bei ihm erinnern. Das Konzert in Benediktbeuren ist für mich aber die erste Berührung mit den Augsburger Philharmonikern.

Und wie hat sich diese Berührung für Sie angefüllt? Wie war für Sie der Eindruck der ersten Proben?

Kaufmann: Es fühlt sich fantastisch an, mit einem Orchester zu arbeiten, das sich nicht nur auf sinfonische Literatur konzentriert, sondern auch regelmäßig Opern aufführt. Ein Orchester, das Sänger mit Gefühl zu begleiten weiß. Es war also eine sehr schöne erste Begegnung, da war viel Begeisterung und Freude im Orchester zu spüren. Und wir haben gründlich geprobt, da waren die Musiker vielleicht auch ein bisschen überrascht. Es gibt durchaus Sänger und Sängerinnen, die überzeugt sind: Zwei, drei Takte proben, die wichtigsten Passagen und das genügt dann für so ein Engagement. Nun gut, manchmal geht das auch nicht anders, weil man kurz zuvor noch am anderen Ende der Welt aufgetreten war und die Zeit doch plötzlich knapp wird. Aber so soll es nicht sein. In diesem Fall war es also eine schöne Begegnung und ein professioneller erster Eindruck.

Wie stellt man sich als Sänger, der rund um den Globus gefragt ist, auf jedes neue Orchester ein? Wie fühlt sich das an, wenn man bei jedem dritten Konzert mit neuen Partnern auftritt?

Kaufmann: Die Hauptarbeit liegt dabei tatsächlich nicht bei uns Sängern, sondern in den Händen der Dirigenten. Sie bereiten ihr Orchester so gut wie möglich vor. Ich darf mich dann also mehr oder weniger ins gemachte Nest setzen. Aber selbstverständlich muss man sich auf jede neue Begegnung einstellen und auf jeden neuen Ort.

Nun also geben Sie ein Open-Air-Konzert im Klosterhof Benediktbeuren. Worin liegt für Sie der Reiz, unter freiem Himmel zu singen? Ist das nicht auch ein Risiko?

Kaufmann: Dieser Klosterhof ist eine beeindruckende gebaute, historische Kulisse. Vor so einem Hintergrund kann sich ein besonderer Bühnenzauber entwickeln, auch unter dem Sternenhimmel. Das Einzige, was bei uns vielleicht noch Unsicherheit auslöst, ist dabei der Blick auf den Wetterbericht für den Konzertabend.

Sie tragen sowohl den Ehrentitel des Bayerischen Kammersängers als auch den des österreichischen Kammersängers. Ihr Lebensmittelpunkt ist Salzburg und Sie lieben das Wiener Lied, haben zuletzt aber den Lohengrin in Melbourne gesungen. Was bedeutet Heimat für Sie – musikalisch, aber auch abseits der Bühne?

Kaufmann: Heimat ist dort, wo man willkommen ist. Wo man sich mit Menschen umgeben kann, mit denen man warm wird. Heimat ist für mich also nicht unbedingt ein konkreter Ort. Musikalisch ist die Frage nach der Heimat schon etwas schwieriger für mich, weil ich da auch die Vielfalt liebe. Mir ist zuletzt das Wiener Lied unglaublich ans Herz gewachsen. Ich bin ein Münchner und somit ein „Piefke“, das wird mir schon von den Wienern so gespiegelt, im Scherz. Aber wenn die echten Wiener mir dann sagen, dass ihnen meine Interpretation ihrer Traditionslieder wirklich gut gefällt, dann geht mir das Herz auf. Das ist ein besonderes Lob.

In Benediktbeuren treten Sie nun gemeinsam mit der Sopranistin Rachel Willis-Soerensen auf. Mit ihr hatten Sie an der Semperoper schon „Die Fledermaus“ gesungen. Zeit für ein Kolleginnen-Lob: Was schätzen Sie an ihr?

Kaufmann: Sie verfügt über so eine großartige, warme Stimme, die von der ersten Note an fasziniert. Wenn ich mit ihr auftrete, dann richten sich oft viele Nachfragen an mich, aber ich finde, dass ihr da dieselbe Aufmerksamkeit zusteht. Sie ist ja eine fantastische Sängerin, die schon an der Bayerischen Staatsoper, der Deutschen Oper in Berlin und der Met in New York geglänzt hat.

In Benediktbeuren stehen auch Werke aus der Sparte Filmmusik auf dem Programm. Sind Sie Filmkenner?

Kaufmann: Tatsächlich genieße ich Filme, vor allem im Heimkino mit meiner Frau und meinen Kindern. Nur die Popcorn-Maschine lässt noch auf sich warten. Aber die öffentlichen Kinos sind auch wichtige Orte der Kultur, die es durch die Pandemie- und Krisenzeit zu retten gilt, wie das Theater. Aber der neue „Top Gun“ allein wird es wohl nicht richten können.
 






 
 
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