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dpa/badische Neueste Nachrichten, 21. September 2017 |
dpa |
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Jonas Kaufmann: Die Karriere ist kein Wunschkonzert
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Seit einem halben Jahr ist Jonas Kaufmann wieder
auf der Bühne – und nach seiner krankheitsbedingten Pause zum Jahresbeginn
bringt er eine CD mit französischen Opernarien heraus.
Auf dem Album
«L’Opéra» (Sony Classical) könne er die ganze Bandbreite seiner Stimme
ausspielen – vom «pianissimo» bis ziemlich kräftig, wie der Tenor, der
demnächst mit einem Echo-Klassik geehrt wird, der Deutschen Presse-Agentur
sagte.
Frage: Ein dichter Kalender, eine neue CD,
Auftritte zwischen Tokio und Paris – haben Sie sich nach Ihrer Pause keine
Zügel angelegt?
Antwort: Ich war sicher sofort
danach vorsichtiger. Das muss aber nichts Gutes sein. Natürlich muss ich auf
meine Stimme aufpassen und spüren, wieviel möglich ist und wieviel
schädlich. Es wäre aber gefährlich gewesen, mir eine Schonhaltung
aufzuerlegen und nicht voll auszusingen. Denn meine Stimme ist klarer und
stärker denn je. Deswegen gibt es auch keinen Grund, extra vorsichtig zu
sein. Aber ich fühle mich gleichzeitig darin bestärkt, bei Anzeichen von
Problemen im Zweifelsfall auch Nein zu einem Engagement zu sagen.
Frage: Davor scheuen ja viele Künstler zurück. Sie
fürchten, dann nicht mehr gefragt zu werden.
Antwort:
Die Karriere ist kein Wunschkonzert. Ich kann nicht alle halbe Jahre meine
Meinung ändern und alles, was geplant ist, über den Haufen werfen. Da werden
dann keine Verträge mehr kommen und eine Garde von Anwälten bereit stehen,
um mich zu verklagen. Es kann natürlich passieren, dass die Qualität leidet
und das Interesse an mir nicht mehr so da ist.
Das ist bei mir nicht
der Fall. Aber es stimmt: Die Mehrheit meiner Kollegen ist oft genau in
dieser Lage. Bei Problemen müssten sie eigentlich absagen, treten trotzdem
auf, weil sie die berechtigte Sorge haben, dass sie sonst nicht engagiert
werden – mit der Folge, dass sie dann trotzdem nicht mehr engagiert werden,
weil sich Fehler der stimmlichen Qualität irgendwann einmal rächen. Das ist
sehr tragisch, passiert aber leider sehr oft.
Frage:
Standen Sie jemals vor einem solchen Dilemma?
Antwort:
Ich habe relativ bald ein Selbstvertrauen entwickelt und mir gesagt: Wenn
ich jetzt alles aufs Spiel setze, weil ich verpflichtet bin, dann riskiere
ich meine Stimme. Dann wäre es mir lieber gewesen, einen anderen Beruf zu
ergreifen und meine Stimme nicht zu verlieren. Natürlich, der Druck, nicht
krank werden zu dürfen, kann immens sein. Es ist eine für beide Seiten
höchst unangenehme Situation, wenn der Veranstalter sagt: «Oh Gott, das ist
das wichtigste Ereignis des Jahres, Sie dürfen nicht absagen, alle Fans
warten auf Sie.»
Frage: In Ihrem neuen Album ist von
Zurückhaltung nichts zu merken.
Antwort: Das soll
auch so sein. Klar, mit dem Alter büßt man eine gewisse Flexibilität in der
Stimme ein. Ganz schnelle Koloraturen fallen mir jetzt natürlich schwerer
als vor 20 Jahren. Das «piano» und das «pianissimo», das Weiche und die
Höhen sind sehr gut erhalten. Aber wichtig ist, dass alles gesund gesungen
wird. In dem Moment, in dem ich meine Stimme nicht mehr mit meinem Körper
unterstütze, betreibe ich Raubbau an den Stimmbändern selbst. Das klingt
dann zwar noch immer luftleicht und zart, aber für mich persönlich ist es
falsch, sowas kann ich dann dauerhaft nicht herstellen. Dann bräuchte ich
auch solche Aufnahmen nicht mehr zu machen. Da wäre ich nicht mehr ich
selber.
Frage: Was bedeutet das französische Fach
für die Stimme?
Antwort: Anders als bei Verdi, wo
der Komponist von Anfang bis Ende einer Arie bei einer Stimmidee bleibt,
sind die Franzosen wesentlich freizügiger. Da gibt es in einem Stück
manchmal alles – lyrisch-leicht bis dramatisch. Man muss allerdings
aufpassen, auf Französisch nicht durch die Nase zu singen, weil es die
Stimme verengt. Da fühlen sich die Franzosen auch karikiert. Das muss alles
in einem gesunden Maß sein.
Zur Person: Jonas
Kaufmann (48) ist einer der berühmtesten Tenöre. Der Weg dorthin gelang aber
nicht ohne Umwege: Nach dem Abitur nahm er zunächst ein Mathematikstudium in
München auf. Einige Semester später aber entschied er sich endgültig für die
Musik. Heute ist er auf den großen Opernbühnen der Welt zu Hause.
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