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Kurier, 09.11.2014 |
Peter Jarolin |
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Grenzgänger aus Leidenschaft
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Der Startenor über die Münchner "Manon Lescaut", seine neue CD, Pläne und den Mauerfall. |
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Kommenden Samstag feiert in München Puccinis
"Manon Lescaut" Premiere – mit Jonas Kaufmann als Des Grieux. Bereits am
Sonntag singt der deutsche Startenor in Berlin am Brandenburger Tor
anlässlich 25 Jahre Mauerfall. Und auch für Österreich hat der Künstler
viele Pläne.
KURIER: Im Vorfeld der
"Manon-Lescaut"-Premiere an der Bayerischen Staatsoper gab es Wirbel, weil
Anna Netrebko wegen der Inszenierung von Hans Neuenfels aus der Produktion
ausgestiegen ist. An ihrer Stelle singt nun Kristine Opolais die
Titelpartie. Was ist passiert?
Jonas Kaufmann: Das
ist natürlich eine schwierige Situation. Aber wer Hans Neuenfels kennt, weiß
um seine kühle, sachliche Ästhetik Bescheid. Neuenfels inszeniert wenig
emotional, sondern eher abstrakt. Dennoch gab es etwa beim Bayreuther
Ratten-,Lohengrin‘ entzückende Momente. Aber Neuenfels ist sicher nicht der
typische Mann von nebenan. Und die Chemie zwischen Anna und ihm hat nicht
gepasst. Vermutlich lag es auch an sprachlichen Barrieren. So ist Kunst halt
manchmal. Mit einem Teil meines Herzens bin ich auch bei Anna.
Für Sie stellt Neuenfels’ Puccini-Zugang kein Problem dar?
Puccini ist ja extrem mit Emotionen beladen, und ich mag dieses Stück so
gern. Ich möchte es dem Publikum unbedingt präsentieren. Ich lebe in
München, München ist mein Stammhaus, und ich möchte meinen Teil zu dieser
Produktion beitragen. Ich nehme von innen Einfluss und versuche das Ganze in
die Richtung zu schieben, in der ich es gerne hätte. Aber sicher ist: Diese
Produktion wird nicht jedem gefallen.
Sie haben Des Grieux –
auch an der Seite von Kristine Opolais – bereits erfolgreich in London
gesungen. Erleichtert das die Sache?
Nur bedingt. Das ist
eine sehr schwere Rolle. Des Grieux ist von den stimmlichen
Herausforderungen her Verdis ,Otello‘ ebenbürtig. Da ist man gefordert,
alles aus sich herauszuholen. Man muss in Puccinis herrlichem Klangteppich
all sein Herz, seine Energie hineinlegen. Es ist gesanglich tückisch, man
wird da fast zum Grenzgänger.
Dass Sie gerne Grenzen
ausloten, beweist auch Ihr neues Album "Du bist die Welt für mich", auf dem
Sie Operettenhits und Schlager singen ...
Daran hängt mein
Herz. Ich liebe die Operette sehr. Und das Publikum liebt sie auch. Nicht
nur ältere Menschen, auch junge Leute schätzen diese Musik. Das freut mich
sehr. Denn wenn man schon die sogenannte ,leichte Muse‘ macht, die alles
andere als leicht ist, dann gleich mit allem Brimborium. Mit dem neuen Album
wollte ich auch dieses stiefmütterliche Dasein der Operette und der Schlager
beenden. Auch wenn die Auswahl der Nummern nicht leicht war.
Inwiefern?
Das ist ein so riesiges Feld, das offen vor uns
liegt und auf seine Entdeckung wartet. Das Weglassen, das Verzichten auf
bestimmte Lieder ist mir schwer gefallen. Ich bin süchtig nach dieser Musik.
Klingt nach Fortsetzung des Projekts?
Sollte das
Album ein Erfolg werden, wird sich die Plattenfirma wohl nicht verschließen.
Aber es geht mit nicht darum, dieses Genre wissenschaftlich aufzuarbeiten.
Der Spaß soll im Vordergrund stehen.
Was lieben Sie so an
Operette und Schlager?
Das Augenzwinkern, den Charme, die
Poesie und diese schwerenöterischen Versprechungen. Da heißt es nicht:
,Gehen wir zusammen ins Bett.‘ So etwas wird viel subtiler ausgedrückt, und
das gefällt mir.
An welchem anderen CD-Projekt arbeiten Sie
gerade?
Als Nächstes kommt ein Puccini-Album. Und ich würde
wahnsinnig gern ein Liederalbum machen. Aber das geht nicht zwischen Tür und
Angel. Das kann keine Pflichtübung sein, sondern sollte die Kür darstellen.
In Wien sind Sie im Dezember im Konzerthaus mit einem
Liedprogramm zu erleben, im Mai ebendort mit Operette und Schlagern ...
... und bei den Salzburger Osterfestspielen singe ich "Cavalleria" und
"Bajazzo", bei den Sommerfestspielen den Florestan in "Fidelio". Ich habe
auch in Österreich gut zu tun, was mich freut.
Wird es auch
neue Rollen geben?
Ein "Turandot"-Kalaf fehlt noch, Verdis
"Otello" ist in meinem Terminkalender fixiert, in London kommt mein erster
"Chénier". Man neigt ja dazu, sich immer auf das Neue zu stürzten und
vergisst gern auf das Repertoire. In der "Walküre" würde ich etwa gern
wieder singen, auch die Wiener "Fanciulla" sollte bitte nicht ohne Folgen
bleiben. Und natürlich Wagners "Parsifal" – das ist das absolut Höchste. Man
ist da in einer anderen Welt.
Stichwort "andere Welt": Wie
haben Sie den Fall der Berliner Mauer 1989 erlebt?
Die
Menschen im Osten waren so nah und zugleich so fern. Bis kurz vor dem Ende
hat ja niemand geglaubt, dass es tatsächlich zum Fall der Mauer kommt. Aber
die ganze Stadt hat gekocht. Wir sollten das nie vergessen und für immer
dankbar sein.
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