Heute tritt der deutsche Startenor Jonas Kaufmann erstmals an der Wiener
Staatsoper als Faust in der gleichnamigen Oper von Charles Gounod auf
und am 14. Juli singt den unumstrittene Star der Opernwelt vor dem
Linzer Mariendom.
Nach einer Neuproduktion in New York
singen Sie am 1. Februar den Faust erstmals auch an der Wiener
Staatsoper. Was ist für Sie das Reizvolle an Charles Gounods
Opernversion des Goethe-Dramas, und worin liegen die besonderen
Anforderungen der Titelpartie?
Die größte Anforderung
liegt darin, dem alten, resignierten Faust genauso gerecht zu werden wie
dem jungen Liebhaber, der aber eben nur optisch als junger Mann
erscheint; vom Wissen und Denken her bleibt er ja der Alte. Aber er
erlebt, wovon so viele träumen: Mit der Erfahrung des reifen Menschen
noch einmal jung zu sein. Dass aus dem Traum ein Alptraum wird, dass
Faust Täter und Opfer zugleich wird - das glaubhaft darzustellen,
erfordert sowohl schauspielerische als auch stimmliche Flexibilität. Das
Dunkle, Brütende des resignierten Mannes sollte in der Stimme genauso
zum Ausdruck kommen wie die Lyrik in der Kavatine und die Leidenschaft
im Liebesduett.
Ist es beruhigend oder stressverstärkend
zu wissen, dass viele Besucher nur kommen, um Sie zu sehen?
Natürlich fühle ich mich sehr geschmeichelt, wenn viele Besucher
meinetwegen kommen. Auf der anderen Seite verstärkt es natürlich den
Erwartungsdruck. Da können die Leute gar nichts dafür, es ist einfach
so: Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft und desto größer der
Druck. Jeder erwartet eine Sternstunde, auch wenn er weiß, dass kein
Sänger fünfzig Sternstunden im Jahr abliefern kann. Und wenn man mal
kiekst, muss man damit rechnen, dass die Stelle mit dem Kiekser zwei
Stunden später auf YouTube veröffentlicht wird. Da braucht es schon ein
solides Selbstvertrauen, um mit solchen Belastungen fertig zu werden.
Am 13. Februar präsentieren Sie ihren Lieberabend im
Musikverein. Liederabend oder Oper — was macht mehr Spaß, was ist für
Sie anstrengender?
Liedgesang ist für mich die
Königsklasse des Singens. Lieder zu gestalten erfordert ein hohes Maß an
technischer Fertigkeit und an künstlerischer Sensibilität, was bei
Opernpartien nicht unbedingt der Fall ist. Als Liedsänger kann und muss
man mit viel feineren Mitteln arbeiten, nicht zuletzt auch deshalb, weil
sich die ganze Aufmerksamkeit des Publikums auf Musik und Text
konzentriert. In der Oper ist man Teil einer Geschichte, bei
Liederabenden erzählt man an einem Abend über zwanzig verschiedene
Geschichten — das ist eine Herausforderung, die mich immer wieder reizt.
Wie viel Training müssen Sie in so intensiven Zeiten täglich
investieren?
An Körpertraining etwa eine Stunde pro Tag,
ein konzentriertes Programm von Gymnastik, Yoga und autogenem Training.
Von stundenlangem „Einsingen“ halte ich wenig. Entscheidend ist, dass
man den Körper so trainiert, dass die Stimme am Abend mühelos
funktioniert.
Und wofür bleibt zu wenig Zeit?
Für die Familie. Es ist nicht immer leicht, Beruf und Privatleben in
Balance zu halten, wenn man über mehrere Wochen voneinander getrennt
ist. Umso mehr genießen wir dann die gemeinsame Zeit.