TELE 5: Am TELE 5-Opernabend zeigen wir u.a.
Bizets ,Carmen' und Puccinis ,Tosca', zwei der berühmtesten Opern
überhaupt. Warum sprechen diese Werke auch heute noch so viele Menschen
an?
Jonas Kaufmann: In beiden Fällen
haben wir eine spannende Handlung mit glaubwürdigen Figuren - und Musik,
die sofort ins Blut geht. ,Carmen' besteht ja fast nur aus Hits, die
jeder kennt, oft ohne zu wissen, dass sie daraus stammen, denken Sie nur
an die Habanera und das Torero-Lied. Und ,Tosca' hat außer den bekannten
Arien auch zwei wunderschöne Duette und einen mitreißenden zweiten Akt
samt Folterszene, versuchter Vergewaltigung und Mord in Notwehr - diese
Mischung von Sex, Crime und toller Musik wirkt heute genauso wie vor 100
Jahren.
Laut Ihrer Website geben Sie zwischen bis Juli in
den USA und Europa mehrere Liederabende, Arienabende und singen in vier
Opern mit. Wie schwierig ist es, so viel Musik auswendig zu lernen?
Nicht so schwierig wie es vielleicht scheinen mag, zum Glück lerne
ich sehr schnell.
Wie viel Zeit verbringen Sie am Tag mit
Üben und was tun Sie um Ihre Stimme fit zu halten?
Fürs
Körpertraining brauche ich ca. 20 Minuten pro Tag, das ist ein
konzentriertes Programm von Gymnastik, Yoga und autogenem Training.
Ansonsten singe und probe ich manchmal mehrere Stunden täglich.
Natürlich gibt es auch bei mir diesen inneren Schweinehund, aber es
hilft ja nichts: Um die Leistung zu bringen, die man von uns erwartet,
müssen wir genauso trainieren wie jeder Sportler.
Wie
wichtig nehmen Sie Zeitungs-Kritiken?
Wenn sie mir
schmeicheln, freue ich mich natürlich. Aber ich denke schon, dass ich so
ehrlich zu mir selbst bin, dass ich mich nicht von hymnischen Kritiken
blenden lasse, wenn ich weiß, dass es nicht mein bester Abend war.
Sachkundige und konstruktive Kritiken nehme ich grundsätzlich ernst und
bemühe mich davon zu lernen. Wenn aus einer Kritik aber Ignoranz und
Häme sprechen, versuche ich sie zu vergessen und mich nicht darüber zu
ärgern.
Wie können Sie vor einer Aufführung abschalten?
Sind Sie immer noch so nervös wie beim ersten Mal?
Nein,
zum Glück habe ich schon seit Jahren kein Lampenfieber. Manche Kollegen
staunen, wie ruhig ich vor einer Vorstellung bin. Abschalten kann ich am
besten mit autogenem Training.
Welche Opernrolle, die Sie
noch nicht gesungen haben, würden Sie gerne mal singen?
Oh, da gibt es viele. Zum Beispiel Verdis Manrico und Alvaro, die ich im
Verdi-Jahr 2013 zum ersten Mal singen werde. Außerdem fehlen mir noch
der Riccardo in „Un Ballo in Maschera" und der Otello in meiner
Verdi-Sammlung. Dann Wagners Tannhäuser. Die Rolle steht auf meiner
Liste ganz oben, seit ich im Sept. die Romerzählung für mein neues
Wagner- Album aufgenommen habe. Und im französischen Repertoire wünsche
ich mir unbedingt den Hoffmann.
Rockstars haben ja
bekanntlich Groupies. Startenöre eigentlich auch?
Ja
sicher. Auch Soprane. Wenn Sie in den Memoiren von Birgit Nilsson lesen,
dass sie jahrelang von einer Frau gestalked wurde, dann werden Sie
sehen, dass der Unterschied zwischen Opern- und Rockstar-Fans gar nicht
so groß ist.
Eine Kinoneuverfilmung von Kálmáns
berühmtester Operette ‚Gräfin Mariza‘ soll mit Ihnen und Anna Netrebko
produziert werden. Gibt es Neuigkeiten zu dem Projekt?
Das ist noch kein Projekt, bisher nur wishful thinking. Da Anna und ich
gern Operette singen, hat uns Yvonne Kálmán, die Tochter des
Komponisten, gefragt, ob wir uns eine Verfilmung von „Gräfin Mariza"
oder der „Csardasfürstin" vorstellen können. Sicher würde uns das Spaß
machen. Keine Ahnung, wie es dazu kam, dass eine Zeitung schon von einem
„Projekt" berichtete.
Inwieweit spielt Musik bei der
Erziehung Ihrer drei Kinder eine Rolle?
Insoweit, dass
wir sie weitgehend an unserem Beruf teilhaben lassen, sie mit zu Proben
und Aufführungen nehmen, mit ihnen musizieren und Musik hören.
Welche Art von Musik gefällt Ihnen außer Oper?
Lieder, Kammermusik, Sinfonik - in der Klassik eigentlich die ganze
Palette. Und neben Klassik höre ich ein breites Spektrum von Musik, von
klassischem Jazz bis Rock und Pop.
Sie führen ein Leben
zwischen Hotelzimmern, Theatern und Konzerthaus. Was tun Sie, damit das
Privatleben nicht zu kurz kommt?
Fragen Sie lieber, was
ich tun MÜSSTE! Nicht so viele Termine zusagen, die mir dann hinterher
viel von der Zeit wegnehmen, die ich mit meiner Familie und mit Freunden
verbringen möchte.
Ist gutes Aussehen für eine Karriere
als Opernsänger förderlich, hinderlich oder irrelevant?
Im Zeitalter von TV und Internet ist gutes Aussehen eher förderlich,
aber bei Opernsängern darf es nicht das erste Kriterium sein. Das sollte
immer noch die
Wie feiern Sie Silvester, wenn Sie nicht
auf der Bühne stehen?
Ganz ruhig im kleinen Kreis, meist
mit meiner Familie und Freunden.
Was bedeuten Ihnen die
zahlreichen Auszeichnungen (Gramophone Award, Echo, Diapason d'Or), die
Sie in den letzten Jahren erhalten haben?
Eine
Anerkennung meiner beruflichen Leistung, über die ich mich riesig freue.
Sie haben auch beim CHAMPIONS LEAGUE FINALE 2012 in München
gesungen. Gibt es einen Traum-Event, auf dem Sie singen wollen?
Traumhaft wäre, wenn die Bayern es beim nächsten Mal schaffen und
ich zur Feier des Tages singen könnte.