OÖN: Wie geht es Ihnen?
Jonas Kaufmann: Nach
längerer Zwangspause wegen eines hartnäckigen Infektes geht es mir
wieder gut, und ich freue mich sehr auf das Konzert in Linz.
OÖN: 2011 erhielten Sie den „Opera News Award“, mehrmals wurden
Sie zum „Sänger des Jahres“ gekürt. Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen?
Mehr Bestätigung oder auch Erwartungsdruck?
Jonas
Kaufmann: In erster Linie freue ich mich darüber und sehe sie als
Früchte meiner Arbeit. Aber natürlich steigt mit solchen Auszeichnungen
auch der Erwartungsdruck. Da können die Leute gar nichts dafür, es ist
einfach so: Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft und desto
größer der Druck. Alle erwarten eine Sternstunde, obwohl ja klar ist,
dass kein Sänger immer nur Sternstunden abliefern kann. Und wenn einer
kiekst, muss er damit rechnen, dass der Kiekser zwei Stunden später auf
YouTube veröffentlicht wird. Also, man braucht schon ein starkes
Selbstvertrauen, um mit solchen Belastungen fertig zu werden.
OÖN: Während Ihres ersten Engagements in Saarbrücken hätten Sie
wegen einer Stimmkrise fast das Handtuch geworfen. Warum haben Sie es –
gottlob – nicht getan?
Jonas Kaufmann: Weil ich zum
Glück noch rechtzeitig den richtigen Lehrer gefunden habe, Michael
Rhodes in Trier. Bei ihm lernte ich, endlich mit meiner eigenen Stimme
zu singen, statt so klingen zu wollen, wie man sich an der Hochschule
einen „lyrischen deutschen Tenor“ vorstellt. „Just relax and sing“,
sagte er, und das war für mich in dieser Situation genau das Richtige.
OÖN: Worin besteht Erfolg für Sie?
Jonas
Kaufmann: In der beruflichen Laufbahn so weit zu kommen, dass man die
Konditionen, unter denen man die bestmögliche Leistung bieten kann, zu
einem guten Teil selbst beeinflussen kann, statt von Zufall und Willkür
abhängig zu sein.
OÖN: Don José, Alfredo, Werther,
Parsifal – Sie sind in viele verschiedene Rollen geschlüpft. Gibt es
darunter eine, die Sie besonders berührt oder mit der Sie sich besonders
identifizieren können?
Nein, meine Lieblingspartie ist
immer die, die ich gerade singe.
OÖN: In einem Interview
haben Sie sich einmal für radikale Regiekonzepte ausgesprochen. Wie
weit, finden Sie, darf ein Regisseur gehen, gibt es Grenzen?
Jonas Kaufmann: Radikale Regiekonzepte befürworte ich dann, wenn sie
dem Zuschauer ein Stück, das er in- und auswendig zu kennen meint, auf
eine Art und Weise nahebringt, dass er es neu für sich entdeckt. Aber
natürlich gibt es für mich auch Grenzen: sobald die Würde der Musik und
des Textes verletzt und das Wesentliche zugunsten einer Aussage
ignoriert wird, die nur am Rande oder gar nichts mit dem Stück zu tun
hat.
OÖN: Was würden Sie jungen Kollegen raten?
Jonas Kaufmann: Bleibe immer dir selbst treu, traue dem eigenen
Instinkt, lerne guten und schlechten Rat zu unterscheiden und sorge
dafür, dass Körper, Geist und Seele in Balance bleiben.
OÖN: Worauf darf sich Ihr Publikum in Linz freuen?
Jonas
Kaufmann: Auf Arien und Szenen aus „Tosca“, „Carmen“, „Werther“, „La
Gioconda“, „Cavalleria Rusticana“ und „I Pagliacci“.
OÖN:
Ein Wunsch für die Zukunft?
Jonas Kaufmann: Gesund zu
bleiben und mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen.