Es
war ein Infekt, und er ist bezwungen. „Mir geht’s gut“, sagt Jonas
Kaufmann, 42, im exklusiven NEWS-Interview. Zuletzt waren die Gerüchte
gefährlich ausgewuchert. Von Stimmverlust, gar einer Krebserkrankung war
die Rede, zwei bedeutende Premieren der Salzburger Festspiele wurden
ernsthaft in Zweifel gezogen. Im NEWS-Interview wird er deutlich.
NEWS: Wie geht es Ihnen? Werden Sie sicher in Salzburg
auftreten?
Jonas Kaufmann: Mir geht’s gut, und wenn es schon
morgen losginge in Salzburg, wäre ich bereit, dort aufzutreten.
NEWS: Was hatten Sie wirklich?
Jonas Kaufmann: Wie
ich bereits bekannt gegeben habe, war es ein Infekt. Das ist alles.
Diese ganzen Spekulationen und Gerüchte – muss ich denn jede neue
Meldung kommentieren? Ich habe wirklich Besseres zu tun, als mich
ständig damit zu beschäftigen, was sich andere, warum auch immer,
ausdenken. Andererseits hat es mich aber auch gerührt, die vielen
Zuschriften der besorgten Fans zu lesen, die mir gute Besserung
wünschen, mir Tipps für eine schnelle Genesung geben und homöopathische
Medikamente empfehlen – und die auch unmissverständlich zum Ausdruck
bringen, dass ich mich durch nichts auf der Welt unter Druck setzen
lassen sollte.
NEWS: Nervt es, wenn man sich ständig für
Absagen rechtfertigen muss?
Jonas Kaufmann: Was mich nervt,
sind Unterstellungen und Gerüchte, wie sie vor allem in Chatforen, aber
leider auch in der Presse verbreitet werden. Was da im
Stille-Post-Verfahren über den Grund meiner Auszeit gemunkelt wurde, ist
schon abenteuerlich. Es scheint schwer zu akzeptieren zu sein, dass ich
die Diagnosen meiner Ärzte nicht sofort ins Netz stelle. Habe ich denn
nicht wie jeder andere ein Recht auf den Schutz meiner Privatsphäre? Wie
alle Hochleistungssportler können auch wir Sänger durch eine relativ
harmlose Sache aus dem Rennen geworfen werden. Ich habe ja deshalb alles
abgesagt, um eben nicht wie der eine oder andere Kollege einen Schaden
davonzutragen, der dann nur noch operativ behoben werden kann. Davon bin
ich Gott sei Dank weit entfernt. Und wenn ich auf meinen Websites etwas
erkläre oder richtig stelle, dann nicht in erster Linie deshalb, weil
ich meine, mich rechtfertigen zu müssen, sondern weil ich es meinen
Zuhörern schuldig bin, vor allem denen, die ganze Reisen organisiert
haben, um mich zu hören, und durch meine Absage verständlicherweise
bitter enttäuscht sind.
NEWS: Ist das Sängerleben heute
schwieriger als früher? Erhöht die Omnipräsenz der neuen Medien den
Druck?
Jonas Kaufmann: Ich denke, ja. Jedenfalls hört man
immer wieder von älteren Kollegen, dass sie unter den heutigen
Bedingungen nicht mehr Sänger sein wollten. Natürlich kann es sehr
belastend sein, wenn man sich klarmacht, dass in jeder Vorstellung
mindestens einer sitzt, der heimlich mitschneidet, und dass jeder
misslungene Ton sofort via YouTube weltweit verbreitet werden kann. Da
muss man wirklich gute Nerven haben. Zu Carusos Zeiten brauchte man sich
deswegen keine Sorgen machen. Und man hatte generell ein ruhigeres
Leben: Man lernte seine neuen Partien auf der Schiffsreise nach New
York, da konnte man sich voll auf die Sache konzentrieren. Fürs
Nervenkostüm war das sicher gesünder. Andererseits weiß ich nicht, ob
ich gern zu Zeiten Carusos gelebt hätte. Finanziell hätte es sich sicher
gelohnt (lacht), doch im Großen und Ganzen bin ich doch froh, dass ich
im 21. Jahrhundert lebe. Denn bei aller Sehnsucht nach Ruhe möchte ich
doch Telefon, Internet und iPad nicht missen, schon deshalb, weil ich
dadurch mit meiner Familie in Verbindung bleibe.
NEWS:
War die Pause ein Schock für Sie? Mussten Sie um Ihre Stimme bangen?
Jonas Kaufmann: Ein kleiner Schock war sicherlich die Erkenntnis, dass
sich der Infekt nicht so schnell auskurieren ließ, wie ich dachte.
Gerade um die Stimme nicht zu gefährden, war es mir aber wichtig, erst
vollständig auskuriert wieder den Belastungen dieses Berufes ausgesetzt
zu sein. Dann habe ich diese Tatsache als Chance begriffen und habe
versucht, die Zwangspause so sinnvoll wie möglich zu nutzen, viel Zeit
mit meiner Familie zu verbringen und meine Batterien vollständig
aufzuladen. Jetzt freue ich mich auf die neuen Aufgaben.
NEWS: Ist ein derart schweres Rollendebüt wie der Bacchus nach einer so
langen Pause nicht zusätzlich riskant?
Jonas Kaufmann: Wenn
die Salzburger Premiere der „Ariadne“ mein erster Auftritt nach der
Pause wäre, könnte es gut sein, dass ich nervlich stärker angespannt bin
als sonst. Aber nun singe ich ja vorher ein Opernkonzert in Linz und
Schuberts „Winterreise“ in München, also vertrautes Repertoire, das ich
quasi im „Körpergedächtnis“ trage. Das macht ein „Comeback“ nach zwei
Monaten natürlich leichter als eine neue Partie. Und der Bacchus ist
sicher keine einfache Sache. Er singt zwar nur in der Schlussszene, aber
die hat es in sich. Das sind zugleich die herrlichsten und die
schwierigsten Kantilenen, die Strauss für einen Tenor geschrieben hat.
Schon deshalb finde ich die Partie gar nicht so „undankbar“, wie immer
behauptet wird.
NEWS: Verursacht es zusätzlichen Druck,
dass „Ariadne“ in Salzburg stattfindet? Da fokussiert sich doch die
ganze Aufmerksamkeit auf Sie.
Jonas Kaufmann: Dass man als
Sänger im Fokus steht, ist ja seit Jahren mein tägliches Brot; ich hatte
also Zeit genug zu lernen, mit diesem besonderen Druck richtig
umzugehen.
NEWS: Wie sieht es an der Wiener Staatsoper
aus? Sie singen nächste Ostern Wagners „Parsifal“ unter Franz
Welser-Möst, so viel weiß man. Gibt es auch Neuproduktionen? Man spricht
von Puccinis „Mädchen aus dem Goldenen Westen“.
Jonas
Kaufmann: Es gibt Pläne für Neuproduktionen nach dem „Parsifal“, aber da
darf ich natürlich nicht der Direktion der Wiener Staatsoper vorgreifen.
Diese Frage stellen Sie am besten Dominique Meyer.
NEWS:
Der neue Salzburger Festspielintendant Alexander Pereira hat
angekündigt, Sie jeden Sommer in Salzburg einsetzen zu wollen. Darf man
darauf hoffen?
Jonas Kaufmann: Von mir aus gerne, doch auch
in diesem Fall kann ich Ihnen nichts verraten, was nicht schon von
offizieller Seite bestätigt wurde. Außerdem dürfte mir auch eine echte
Sommerpause einmal ganz guttun.
NEWS: Was unterscheidet
Salzburg von anderen Festivals? Ist der Druck hier stärker?
Jonas Kaufmann: Anders als im Fall von Bayreuth und Glyndebourne fährt
man nach Salzburg nicht ausschließlich wegen der Kunst: Man kann den
Besuch der Festspiele wunderbar mit einem Urlaub verbinden und das
herrliche Umland genießen, sofern es nicht den berüchtigten Schnürlregen
gibt. Sodann gibt es kaum ein Festival, das eine derartige Vielfalt von
Werken und Spielstätten bietet. Es gibt in Salzburg quasi für jedes
Repertoire einen ganz spezifischen Spielort, angefangen vom Domplatz
über das Landestheater und die Felsenreitschule bis zum Großen
Festspielhaus. Und nicht zu vergessen das historische Konzept, das
hauptsächlich von Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard
Strauss entwickelt wurde und das nach wie vor spürbar ist – zum Beispiel
in der besonderen Tradition. Allein wenn ich daran denke, wer hier
alles als Ariadne, Bacchus und Zerbinetta zu hören war, empfinde ich es
als eine besondere Ehre, hier singen zu dürfen.