Ein Ereignis von hohem Spektakelpotenzial: Mit „Carmen" verabschieden
sich Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker von den Salzburger
Osterfestspielen - die Produktion wird im Sommer mit den Wienern
wiederaufgenommen. Neben Magdalena Kozená in der Titelrolle und Genia
Kühmeier als Micaela singt der tenorale Superstar Jonas Kaufmann, 42,
den Soldaten Don José, der aus Liebe zum Deserteur und Mörder wird.
Premiere ist am 31. März.
NEWS: Wer ist Don
José?
Jonas Kaufmann: Für mich ist er der klassische
Fall eines Menschen, der hilflos seinen Gefühlen ausgeliefert ist und
keinen Weg findet, sich wieder zu fangen.
NEWS:
Folgen Sie 2013 zu Ostern Simon Rattle nach Baden-Baden, oder haben Sie
Pläne mit Christian Thielemann in Salzburg?
Kaufmann:
Ich schätze beide und arbeitete gerne mit beiden weiter, da gibt es
keine Entscheidung dafür oder dagegen. Das hängt ganz von den Angeboten
und den zeitlichen Möglichkeiten ab.
NEWS:
Werden Sie im Sommer eher in Salzburg oder in Bayreuth auftreten?
Kaufmann: Alexander Pereira möchte mich stärker an
Salzburg binden. Zu den Plänen müssen Sie aber ihn fragen. Darüber zu
reden bin ich nicht befugt. Aber ich kann nicht beides machen. Andere
Sänger haben sich diesen Stress zugemutet, doch nur in Ausnahmefällen.
Dieses Hin und Her ist auf Dauer einfach zu belastend.
NEWS: Sie sind einer der gefragtesten Tenöre. Erhöht das den
Druck bei Auftritten?
Kaufmann: Zwar leide ich zum
Glück nicht unter Lampenfieber, doch den Leistungsdruck spüre ich schon.
Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft und desto größer der
Druck - das ist halt so. Jeder erwartet eine Sternstunde, auch wenn er
weiß, dass ein Sänger schwerlich fünfzig Sternstunden im Jahr abliefern
kann.
NEWS: Hatten es Sänger früher leichter?
Kaufmann: Ich denke ja. Man hört immer wieder von
älteren Kollegen, dass sie unter den heutigen Bedingungen nicht mehr
Sänger sein wollten. Natürlich kann das sehr belastend sein, wenn man
sich das klarmacht, dass in jeder Vorstellung mindestens einer sitzt,
der heimlich mitschneidet und dass jeder misslungene Ton sofort via
YouTube weltweit verbreitet werden kann. Da muss man wirklich gute
Nerven haben.
NEWS: Bereuten Sie es je, Sänger
zu sein?
Kaufmann: Während meiner Anfängerjahre in
Saarbrücken. Als Hochschulabsolvent war ich für den harten Theateralltag
einfach nicht genügend vorbereitet. Ich fiel da wirklich aus allen
Wolken. Die körperliche und stimmliche Beanspruchung trieb mich an die
Grenzen meiner Leistungsfähigkeit. Bei einer „Parsifal"-Aufführung in
der kleinen Partie des dritten Knappen blieb mir die Stimme weg. Das war
der Moment, wo ich dachte: Wenn das so weitergeht, dann muss ich vom
Theater weg, dann ergreife ich einen anderen Beruf! Doch führte diese
Krise zu einer der positivsten Erfahrungen meines Berufslebens, nämlich
zur Begegnung mit meinem Lehrer Michael Rhodes. Er sagte: „Entspann dich
und sing." Das war für mich genau das Richtige. Meine Stimme wurde
dichter, dunkler, die Heiserkeit verschwand, das Singen machte wieder
Spaß.
NEWS: Während der Proben in Salzburg
singen Sie Konzerte in Wien und Paris. Muten Sie sich da nicht etwas zu
viel zu?
Kaufmann: Die Umstellung empfinde ich eher
als anregend denn als belastend. Es muss ja auch nicht alles bis ins
letzte Detail geprobt sein, ein Rest an Unwägbarkeit und Nervenkitzel
kann eine besondere Würze für eine Aufführung sein. Deshalb bin ich
sogar froh, dass ich zwischen den Proben Konzerte geben kann.
NEWS: Und die Stadionkonzerte mit Anna Netrebko und
Erwin Schrott im Sommer: Wie wählen Sie Ihre Auftritte aus?
Kaufmann: Ich bin Opernsänger. Mein hauptsächlicher
Arbeitsplatz ist und bleibt das Opernhaus. Wenn aber die Chance besteht,
mit diesen Konzerten ein Publikum anzuziehen, das bislang nicht in die
Oper geht, muss man sie nutzen.
NEWS: Was planen
Sie für Ihr Repertoire?
Kaufmann: Den Enée in
Berlioz' „Trojanern" (in London; Anm.), die wohl schwierigste Partie im
französischen Fach. Das heißt aber nicht, dass ich gleich auch die
anderen Bastionen stürmen werde. Otello und Tannhäuser müssen warten,
erst einmal kommt der Bacchus in „Ariadne" von Richard Strauss (im
Sommer beiden Salzburger Festspielen), und außerdem gibt's noch etliche
Partien, die vor dem Otello dran sind: Hoffmann, Manrico (in Verdis
„Troubadour`), Alvaro (in Verdis „Macht des Schicksals`) ... Wir werden
sehen.