Am 10. Oktober gibt Jonas Kaufmann seinen
ersten Arienabend in der Philharmonie Essen. Wir haben im Vorfeld ein
Interview mit dem Star-Tenor geführt.
Bei Ihrem
Debüt an der New Yorker Met 2006 hat Sie die jubelnde Menge noch richtig
verlegen gemacht. Ihre Reaktion damals: “Meinen die wirklich mich?”.
Haben Sie sich inzwischen an Ihre Popularität gewöhnt?
Jonas Kaufmann: Wirklich gewöhnen sollte man sich daran
eigentlich nie. Dann gäbe es einfach keinen Ansporn mehr zu einer
Leistungssteigerung. Und Erfolg kann man nur mit seiner besten Leistung
haben. Insofern lasse ich mich jeden Abend neu überraschen. Aber
natürlich habe ich mich schon daran gewöhnt in dem Sinne, dass ich nicht
mehr erstaunt bin, wenn das Publikum so reagiert.
Damals
haben Sie den Alfredo in Verdis “Traviata” gesungen. Es folgten Tamino
in Mozarts “Zauberflöte”, Cavaradossi in Puccinis “Tosca”, Don José in
Bizets “Carmen” und Siegmund in Wagners “Walküre” – alles in New York
wohlgemerkt. Wie kommt es zu dieser Repertoire-Vielfalt?
Kaufmann: Dahinter steckt natürlich Absicht. Wenn
ich das nicht aktiv forcieren würde, dann würde ich wahrscheinlich immer
das Gleiche singen. Ich kenne Kollegen, die gerade durch die
Beschränkung ihres Repertoires sehr erfolgreich sind. Aber das ist nicht
mein Ding, ich brauche die Abwechslung. An den Opernhäusern fehlt
oftmals der Mut zum Risiko, wenn man nicht selbst den Anstoß gibt. Es
gibt natürlich Ausnahmen, Partien wie Otello oder Tristan würden sie
sofort mit Handkuss annehmen. Ich denke, es sollte eine gute Mischung
von deutschen, italienischen und französischen Partien sein.
Bei Ihnen hat man aber auch das Gefühl, dass die persönliche
Neugierde eine große Rolle spielt.
Kaufmann:
Sie sagen es. Mir wird einfach schnell langweilig, wenn ich immer das
Gleiche mache.
Es ist kein Geheimnis, dass Sie sich zu
den italienischen Opern besonders hingezogen fühlen. Warum?
Kaufmann: Gewisse italienische Opern haben einfach
eine Dichte und Fülle von Emotionen, die sonst kaum in der Literatur zu
finden sind.
Gerade das macht mir Spaß. Und diese Partien sind meist
sehr sanglich geschrieben, das ist auch gesund für die Stimme. Ich sage
nicht, dass Wagner ungesund ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass man
eine gewisse Weichheit und Flexibilität verlieren kann, wenn man sich
nur auf Wagner konzentriert.
Die Leute kommen wegen Ihrer
einzigartigen Stimme. Aber wenn die “Bild”-Zeitung Sie als “schönsten
Tenor der Welt” bezeichnet, haben Sie sicher auch nichts dagegen, oder?
Kaufmann: (lacht) Das ist einerseits schon schön,
keine Frage. Aber es ist teilweise auch behindernd, weil man immer
Gefahr läuft, auf so etwas reduziert zu werden. Manchmal kämpft man
richtig dagegen an und sagt: Entschuldigung, hört doch bitte erst einmal
zu – es geht nicht ums Hinschauen, es geht immer noch ums Singen! Und
das kann mitunter schon schwierig sein.
Auf der
Opernbühne sind Sie Teil eines Ensembles, im Konzert stehen Sie ganz im
Mittelpunkt. Was ist das Besondere an so einem Arienabend?
Kaufmann: Bei einem Arienabend wird sozusagen die
Essenz oder das Filetstück einer jeden Oper herausgeschnitten. Das ist
natürlich reizvoll. Und reizvoll ist auch, dass man nicht einen ganzen
Abend Zeit hat, eine Rolle zu entwickeln. Mit dem ersten Ton muss alles
stimmen. Das ist die Schwierigkeit, aber auch der Reiz dabei.