Kurier, 14. Januar 2011
Gert Korentschnig
Tenor Kaufmann über Trotteln und Extreme 
 

Interview: Jonas Kaufmann ist zur Zeit der am meisten gefeierte Tenor. Am Montag singt er erstmals in Wien Massenets "Werther"

Ein Interview über den Bruch zwischen Superhelden und trautem Heim, über Bayreuth, Salzburg, Trotteln und Extreme.

KURIER: Sie wurden in den vergangenen zwei Jahren vom KURIER jeweils zum besten Sänger des Jahres gewählt - unter anderem mit der Begründung, dass niemand Wagner und Mozart auf diesem Niveau verbinde. Da gab's heftige Diskussionen unter unseren Lesern: Wie wir das schreiben könnten, wenn es doch Mozart-Sänger wie Michael Schade gebe ...

Jonas Kaufmann: Das ist doch gut so. Es wäre mir unheimlich, wenn ich es allen recht machen würde. 100 Prozent Übereinstimmung kann es nie geben. Da würde ich mich fragen: Habe ich mich so sehr verbogen? Oper ist eine Kunstform, und Kunst hat mit Geschmack zu tun.

Dennoch ist die Erwartungshaltung mittlerweile enorm, wenn Jonas Kaufmann eine Partie singt. Wie gehen Sie damit um?
Ich singe in erster Linie, weil es mir Spaß macht. Auf der Bühne ist es mein Ziel, dass das Publikum mitfiebert, dass die Menschen berührt werden. Da muss man die Figur werden, die man singt. Aber man darf nie vergessen, dass es ein Spiel ist. Wenn der Vorhang fällt, möchte ich nach Hause gehen und mein Leben leben.

Es gibt grüblerische Sänger, die ihre Rollen intellektuell zu entwickeln versuchen und solche, bei denen viel aus dem Bauch kommt. Wo ordnen Sie sich ein?
Irgendwo dazwischen. Ich versuche mir aber schon vorher intensiv Gedanken zu machen. Eine Begründung zu finden, was denn diesen Menschen auf der Bühne antreibt, diese seltsamen Dinge zu tun. Da geht es ja meistens um Extreme - und damit meine ich nicht Pathos in diesem klebrigen Sinn. Ich versuche, den Weg eines Menschen nachzuzeichnen.

Bei den Tenorpartien handelt es sich ja nicht selten um Trotteln ...
Würde ich nicht so hart sagen. Ist Don Ottavio (Tenor in "Don Giovanni", Anm.) ein Trottel? Ich finde nicht. Er ist in seinen Konventionen gefangen. Ist Don José ("Carmen", Anm.) ein Trottel? Er hat ein Erziehungsproblem. Er wurde als Kind so verhätschelt und dann in die Welt losgelassen, dass er diesen Blödsinn macht.

Was treibt Werther an, den Sie am Montag erstmals an der Staatsoper gestalten?
Da tut man sich schwer, ihn sympathisch zu finden. Er steht sich selber im Weg. Er ist furchtbar larmoyant, voller Selbstmitleid. Er bewundert alles, um sofort wieder in tiefste Depressionen zu verfallen. Aber ich glaube, ich habe auch da einen Weg gefunden.

Sie haben 2010 in Bayreuth als Lohengrin debütiert. Was treibt den an?
Bei Lohengrin war es besonders wichtig, den Menschen hinter der Figur zu finden. Ich glaube auch, dass sich Wagner Gedanken über den Bruch gemacht hat zwischen Superhelden und Mann, der hinuntersteigen will ins traute Heim. Gleich bei seinem Auftritt spricht er nicht den König von Brabant an, sondern singt ganz zärtlich an den Schwan. Warum macht man so etwas Seltsames? Da muss ein sensibler Geist dahinterstecken.

In Bayreuth wurde die Regie von Hans Neuenfels heftig kritisiert. Ihr Kommentar?
Ich finde spannend, dass die Geschichte im Rattenversuchslabor spielt. Und mit einigen Kniffen ist es Neuenfels gelungen, den Fokus auf das Paar Elsa/Lohengrin zu legen. Aber wenn man die Erwartungen bricht, kann es sein, dass man die Menschen auf dem falschen Fuß erwischt. Dann reagieren sie besonders heftig.

Werden Sie auch 2011 Lohengrin in Bayreuth singen?
Nein, das ging sich mit den Proben in London nicht aus. Wir machen dort eine neue "Tosca" mit Angela Gheorghiu und Bryn Terfel.

Und in den Jahren darauf?
Da gibt es jemanden, der schneller war.

Der künftige Salzburger Festspielchef Pereira?
Ja, ich werde bei ihm einige Male in Salzburg singen.

Wie lange, glauben Sie, werden Sie den Spagat zwischen Mozart und Wagner aufrechterhalten können?
Hoffentlich lange. Der Reiz, Mozart-Partien zu singen, ist immer da. Aber es gibt eine so große Not an Wagner-Tenören. Für Tannhäuser, die beiden Siegfriede und Tristan ist es aber noch zu früh. Ich erweiterte mein Repertoire in Richtung "Trovatore", "Chenier", "Manon Lescaut", "Maskenball", "Trojaner" und "Fanciulla".

Wie widerstehen Sie den Verlockungen der Industrie, immer mehr Waldbühnen- oder Stadthallenkonzerte zu singen?
Das ist ja nicht gänzlich verboten. Man darf nur die Seriosität, die Basis nicht verlieren. Solche Konzerte müssen ein Extra sein und nicht der Mittelpunkt des Wirkens.

 

 






 
 
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