Viele
Jahre hat der neue Superstar der Opernszene darauf gewartet, in seiner
Heimatstadt München genauso gefeiert zu werden wie in der übrigen Welt.
Jetzt ist Jonas Kaufmann, 41, endlich „zu Hause angekommen“, wie er
sagt. Im Sommer pendelte der Tenor zwischen der bayerischen Hauptstadt
und Bayreuth, trat parallel in Puccinis „Tosca" und Wagners „Lohengrin"
auf.
Im Juli wurde Kaufmann für seine CD ,,Sehnsucht"
mit dem Echo-Klassikpreis ausgezeichnet. Auf seinem neuen Album (s.
Kasten) ist er mit einer anderen „Klangfarbe" zu hören: dem Verismo,
einer sehr gefühlvollen Stilrichtung der italienischen Oper. Ab November
wird er mit der Sopranistin Angela Gheorghiu, 45, im Londoner Covent
Garden in Francesco Cileas Verismo-Oper „Adriana Lecouvreur" auf der
Bühne stehen.
FRAU IM SPIEGEL traf den smarten Sänger im Münchner
Hotel „Palace". Ein Heimspiel, denn inzwischen ist Jonas Kaufmann mit
seiner Familie - Ehefrau Margarete Joswig, der elfjährigen Tochter und
zwei Söhnen im Alter von vier und sieben - von Zürich nach Bayern
gezogen.
Das neue Album mit Verismo-Arien war wohl
eine Herzensangelegenheit?
Absolut! Ich wollte eine Lanze
für den Verismo brechen. Ein Fach, in dem man ernste Gefühle zeigen muss
und sich nicht hinter einer Maske verstecken kann. Für diese Arien muss
man bereit sein. Sie berühren einen sehr. Wenn man in einer labilen
Phase ist, kann das ganz schön heftig werden.
Vor Kurzem
galten Sie in München noch als Geheimtipp. Jetzt loben Sie die Kritiker
in den höchsten Tönen ...
Ja, und das ist gefährlich. Wenn
alle plötzlich nur noch „super" rufen, kommt einem das suspekt vor. Das
ist immer kurz vor dem Moment, wo es umkippt. Aber in München Erfolg zu
haben, ist natürlich eine große Befriedigung und Genugtuung. Ich bin
hier geboren, aufgewachsen, habe hier studiert, meine ersten
Opernbesuche erlebt. Da war es schon ein gewisser Dorn im Auge, dass es
hier so lange nicht geklappt hat. Aber mit dem neuen Intendanten Kurt
Bachler habe ich viele Projekte für die Zukunft geplant.
Sie
haben zwei Vorstellungen in Bayreuth wegen Krankheit abgesagt. Es hieß,
Sie hätten sich mit dem Doppel-Engagement überfordert...
Natürlich war das Hin und Her zwischen München und Bayreuth
körperlich anstrengend. Aber stimmlich hatte ich damit überhaupt kein
Problem.
Was fehlte ihnen denn?
Ich
hatte eine ganz normale Erkältung, die auf meine Lunge geschlagen ist.
Das ist schlecht für die Stimme. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen
und einbilden, man müsse mehr schlecht als recht singen. Ich kann mir
möglicherweise fünf Jahre meiner Karriere verscherzen, wenn ich die
Stimme zu sehr belaste. Man muss in diesem Beruf lernen, dass man nicht
unersetzlich und unverletzlich ist.
Angela Gheorghiu tritt
gern mit Ihnen auf. Sie gilt als schwierig und launisch.
Ich erlebe sie als wunderbare Kollegin. Das Bild, das man nach außen
hat, und das Bild, das man im Beruf als gleichwertiger Partner abgibt,
ist unterschiedlich. Es kann gut sein, dass auch ich als schwierig
gelte, weil ich oft und gern meine Meinung sage. Damit kann man schon
anecken. Aber das ist ein gewisser Selbstschutz. Man kann die eigene
Leistung steigern, indem man mit Leuten zusammenarbeitet, mit denen es
am meisten Spaß macht. Das heißt nicht, dass ich nur noch mit Angela
Gheorghiu, Anja Harteros oder Annette Dasch arbeiten will. Ich halte
nicht viel von dieser Traumpaar-Geschichte: Wenn man sich in- und
auswendig kennt, ist dieses Sich-Neuentdecken, die Spannung und das
Kribbeln, das man für das Publikum zu erzeugen versucht, viel
schwieriger zu erreichen. Es sollte nicht in Richtung altes Ehepaar
gehen.