Münchner Abendzeitung, 25.5.2010
Robert Braunmüller
Suche nach blauer Blume
 
Bildunterschrift: Mei, für einen Tenor lacht Jonas Kaufmann wirklich zauberhaft. Und er hat ja was zu lachen. Kaum einer ist so ist so vielseitig. Den Don José singt er und den Florestan. Alfredo und Lohengrin - die Bayreuth-Maniacs freuen sich schon auf den 25. Juli. Und wenn ihm danach ist, wird Schuberts "Müllerin" klangvoll angebalzt, mit feiner Diktion, so wie es das Liedpublikum mag. Heute taucht der 40-Jährige ins deutsche Opernrepertoire. Begleitet vom Münchner Rundfunkorchester singt er Arien aus der "Zauberflöte", aus "Fidelio", "Lohengrin " oder "Walküre". Wir fiebern dem Wonnemond entgegen - und legen Ihnen das Interview in der Kultur ans Herz.
Interview:
Der umjubelte Tenor erklärt das Motiv aller Künstler und seinen Umgang mit Druck

Der vorige Sommer war der Sommer des Jonas Kaufmann: Sein Lohengrin war die Sensation der Münchner Opernfestspiele 2009. Heuer singt er den Cavaradossi in Puccinis "Tosca" im Nationaltheater, davor noch den Don José in "Carmen" und heute einen Arienabend in der Philharmonie. Und Bayreuth wartet auf seinen "Lohengrin".

AZ: Herr Kaufmann, belastet Sie Ihr Erfolg?  

JONAS KAUFMANN: Na ja, es hätte schlimmer kommen können. Natürlich steigt beim Publikum der Erwartungsdruck. Von jedem meiner Auftritte wird etwas besonderes erwartet. Das löst auch in mir eine gewisse Beunruhigung aus. Umso wichtiger ist es, sich selbst richtig einzuschätzen.

Wie halten Sie das aus? 

Ich habe es mit meiner Kontinuität bis nach oben geschafft, deswegen müsste es auch klappen, dort zu bleiben. Aber es ist wichtig, sich nicht zu überschätzen. Ich weiß, dass kein Sänger unverletzlich oder unersetzlich ist.

Arbeiten Sie mit Gesangslehrer? 

Nein. Ich nehme mich selbst auf und prüfe mich kritisch. Meine Frau ist Mezzosopranistin, sie geht viel in Aufführungen oder Proben und legt den Finger in manche Wunden. Davon soll man aber nichts merken: Singen muss sich für das Publikum mühelos wie ein Spaziergang anfühlen.

Ist es nicht riskant, im Sommer kurz nach dem Cavaradossi im Nationaltheater in Bayreuth den Lohengrin zu singen?

Es wird hart werden. Die Entscheidung, beides zu machen, ist nicht leicht gefallen. Die Verhandlungen mit Bayreuth waren langwierig. Eine Zeit lang sah es so aus, als würde ich den Lohengrin nicht singen. Und dann hatte ich den Cavaradossi in der neuen Münchner "Tosca" schon zugesagt. Wenigstens sind es keine Debüts. Bei einem Tannhäuser hätte ich das nicht gemacht. Ich habe beide Rollen schon öfter gesungen und glaube, dass der Lohengrin von Puccini profitieren wird: Er ist Wagners italienischste Rolle. Aber hinterher werden wir klüger sein. Vielleicht verspreche ich das Blaue vom Himmel herunter.

Bei "Oper für alle" konnte man auf der Großleinwand sehen, dass Sie bei Lohengrins Gralserzählung Tränen in den Augen hatten. 

In dem Moment bin ich von der Handlung erschüttert und berührt. Ich identifiziere mich mit der Figur und ihren Gefühlen. Lohengrin lässt sich nicht mit kühler Berechnung darstellen.

Mochten Sie die Inszenierung? 

Bei aller Kritik, die es an Richard Jones' Inszenierung gab, eines fand ich gut: Sie betont das Menschliche hinter dem Helden Lohengrin und seine Beziehung zu Elsa. Er sehnt sich nach einem "normalen" Leben und möchte mit ihr eine Familie gründen. Umso schmerzlicher ist es, dass er sie verlassen muss. Die Gralserzählung ist keine Anklage, sondern vor allem Ausdruck dieser Verzweiflung.

Werden Sie dieses Stück auch in der Philharmonie singen? 

Ja. Das Programm orientiert sich an meiner CD "Sehnsucht". Es kreist um die vielen Aspekte der deutschen Romantik. Jeder Künstler sucht nach der blauen Blume: Wir alle streben nach etwas Anderem, Besserem, Höherem, Erfüllenderem. Das ist die wichtigste Motivation, im Beruf des Sängers weiter zu machen, weil es immer noch etwas gibt, das man verfeinern kann.






 
 
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