Südwest Presse,  02.10.2009
C. HÖLZ UND O. P. BURKHARDT
Schon der erste Ton sagt alles
Zu Gast beim Musikherbst: Tenor Jonas Kaufmann über Lobhudeleien und die Lust am Kochen
 
Foto: Urach 2005: Jonas Kaufmann (links) mit Festival-Leiter Florian Prey. Foto: Hölz
Bad Urach Was ist über den Mann nicht alles geschrieben worden. Jonas Kaufmann sei die "Botox-Spritze der Oper", urteilte unlängst eine große deutsche Tageszeitung. Oder: "Kaufmann - der einzige Deutsche unter vielen Südamerikanern".

Das stimmt, meistens jedenfalls. Denn Kaufmanns Konkurrenz heißt Rolando Villazón, Juan Diego Flórez oder Marcelo Álvarez. Lateinamerikanische Sänger beherrschen seit Jahren den Opernmarkt, zumindest im Fach der Heldentenöre.

Mit einer Ausnahme eben - und dieser Tenor steht nicht nur in den großen Opernhäusern von München bis New York auf der Bühne, sondern seit Jahren immer mal wieder beim kleinen Bad Uracher Klassik-Festival: Vor seinem Auftritt bei den Herbstlichen Musiktagen (am 6. Oktober) erzählt der 40-jährige Jonas Kaufmann, warum er gerne im Ermstal singt - und wie er es schafft, trotz Weltkarriere Bodenhaftung zu bewahren.
 
SÜDWEST PRESSE: Wie war das vor rund 15 Jahren bei Ihrem ersten Auftritt in Bad Urach?
 
JONAS KAUFMANN: Soweit ich mich erinnere, war das bereits 93, zuerst mit einem Ensembleabend, dann noch mit Haydns Schöpfung. Damals bin ich für den erkrankten Josef Protschka eingesprungen. Es was wunderschön, ich habe die Zeit in Urach sehr genossen und mich ab da jedes Jahr auf die Tage um den ersten Oktober gefreut. Auf die Konzerte, aber auch auf die familiäre Atmosphäre und die Spaziergänge durch das erste Herbstlaub.
 
Ihre Erinnerungen an den Festival-Gründer Hermann Prey?
 
Die beginnen sehr früh, in meiner Familie waren alle große Klassikfans, und Hermann Prey war nicht zuletzt durch seine Fernsehsendung in aller Munde. An seinem Beispiel demonstrierte mir mein Vater, was einen Starsänger so besonders macht: Man erkennt seine Stimme schon beim ersten Ton. Dass ich dann die Gelegenheit bekam, mit ihm zu musizieren und den Menschen hinter dem Künstler kennen zu lernen, habe ich den Herbstlichen Musiktagen zu verdanken.
 
"Stimmwunder", "kommender Jahrhunderttenor", "Shining Star" "Deutschlands schönste Stimme", "der neue Fritz Wunderlich", "überirdisch schöne Töne": Wie bleibt man bei derlei Schlagzeilen auf dem Teppich?
 
Ganz einfach: Man lässt sich von diesen Lobhudeleien nicht einlullen, sondern überprüft seine eigene Leistung ständig selbst; bekanntlich ist jeder Künstler zugleich sein schärfster Kritiker.
 
Stört Sie das "Latin-Lover"-Image - "Strahlemann", "Lockenkopf"?
 
Man muss sicher alles tun, damit die stimmliche Leistung nach wie vor und zu Recht im Vordergrund der Wahrnehmung bleibt, sonst ist man irgendwann nicht mehr der gutaussehende Sänger, sondern der singende Schönling.
 
Apropos Schlagzeilen. Zwei gehen noch: "Ein Münchner im Himmel", und "Kaufmann singt Regensburg ohnmächtig". Wie lautet denn Ihre Lieblingszeile?
 
Kaum etwas ist so vergänglich wie eine alte Zeitung - und mit ihr die Kritik darin, daher sind mir diese Überschriften durchaus keine tägliche Lektüre wert. Auch bin ich nicht qualifiziert, in diesem Schönheitswettbewerb Juror zu spielen.
 
Bad Urach hat ja etliche bayreuth-erfahrene Stammgäste - etwa Melanie Diener, Franz Hawlata und Michael Volle. Mit welchen Erwartungen bereiten Sie sich auf Ihr Bayreuth-Debüt 2010 als Lohengrin vor?
 
Da ich wenig Einfluss auf die Produktion habe, lasse ich dieses Debüt einfach auf mich zukommen. Ich weiß spätestens seit der Auszeichnung zum Sänger des Jahres als Lohengrin in München, dass es wohl nicht nur mir Spaß macht, wenn ich Wagner singe. Daher hoffe ich mal auf eine dem Grünen Hügel würdige Premiere.
 
Nach Ihren zwei Soloplatten ist Ihre Popularität weiter gestiegen. Werden Sie in den kommenden Jahren weniger Oper singen und dafür mehr Konzerte geben?
 
Sicher wird es das eine oder andere Konzert mehr geben, aber im Wesentlichen bin ich Opernsänger und möchte das auch deutlich in meinem Kalender sehen. Wahrscheinlich verliert ein Konzert an Intensität, wenn ich die Rollen nicht immer wieder auf der Bühne erfahre.
 
Was ist für Sie Arbeit?
 
Sie erwischen mich gerade dabei. . .
 
Sie singen am 6. Oktober gemeinsam mit Ihrer Frau Margarete Joswig Mahlers "Lied von der Erde". Haben Sie beide ähnliche Auffassungen über das Sänger-Dasein, respektive das künstlerische Schaffen?
 
Wir haben sehr wohl den gleichen musikalischen Geschmack, aber diskutieren auch oft über den Sängerberuf an sich und was er so mit sich bringt, respektive erfordert.
 
Sie stehen als Lohengrin in München auf der Bühne, vor wenigen Tagen gaben Sie Ihre Don-Carlos-Premiere in London. Gibt es überhaupt eine Rolle, die Sie unbedingt noch singen wollen?
 
Sie würden staunen, wie lang diese Liste ist. Aber das ist gut so, denn es heißt doch, dass einem noch lange nicht langweilig wird und die Motivation nicht abreißt.
 
Ihre Stimme ist Ihr Kapital. Wie schützen Sie sie?
 
Das ist schwer zu erklären. Einerseits versuche ich ganz normal zu leben und wenig auf Zugluft und solche Dinge zu achten, aber andererseits bemüht man sich natürlich maßvoll zu leben, also nicht rauchen, wenig Alkohol, dafür Sport und genügend Schlaf. Das kommt ja nicht nur der Stimme zugute, sondern dem ganzen Körper.
 
Florian Prey hat Sie kürzlich als guten Freund bezeichnet. Schaffen Sie es bei Ihrem Terminkalender noch, Freundschaften zu pflegen?
 
Ein heikles Thema: Freunde sind ungeheuer wichtig im Leben, aber meine Familie geht doch vor. Und solange die nicht ausreichend Zeit mit mir verbringt, kommen die Freunde zu kurz. Also an alle von euch, die das jetzt lesen: Verzeiht!
 
Wird man Sie in Bad Urach in den nächsten Jahren wieder einmal singen hören?
 
Wir werden daran arbeiten, versprochen!
 
Welche Musik hören Sie privat, und wie entspannen Sie am besten?
 
Kochen oder etwas Handwerkliches tun, zum Beispiel Reparaturarbeiten, das entspannt mich. Mein Musikgeschmack ist sehr gemischt, von meiner Jugend bis heute ist alles dabei. In jüngster Zeit stehe ich aber unter dem Einfluss meiner Tochter. Da bleibt man am Puls der Zeit.






 
 
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