Die Welt,  04.07.2009
Manuel Brug
Jonas Kaufmann will sich rar machen
Am Sonntag singt Jonas Kaufmann (40), gegenwärtig Deutschlands erfolgreichster Tenor, in einer Münchner Neuinszenierung seinen ersten Lohengrin. Mit ihm sprach Manuel Brug
 
Wurde der längst erfolgreiche Tenor Jonas Kaufmann in jüngster Zeit als aufstrebender Plattenstar neu erfunden?

Jonas Kaufmann:

Zum Glück nicht! Mein Terminplan steht ja schon seit langem. Da gehe ich keine Kompromisse ein, auch nicht wie ich neue Rollen darin verwebe.

Segeln Sie steil auf der Erfolgswelle?

Kaufmann:

Nee, ich habe, so wie früher, den Fuß auf der Bremse. Ich muss nach einer Vorstellung immer noch genug Energie haben, um die gleich Partie sofort wieder singen zu können. Nur so ist es gesund. Man darf nie bis zu den Reserven vorstoßen. Und deshalb sage ich das meiste ab. Auch wenn es mitunter unheimlich schwer fällt, weil die Angebote gar zu verlockend sind, auf der Hand und der Zunge liegen. Aber der Kalender ist für meine Begriffe voll genug. Darum kann ich auch nirgends den Villazón-Einspringer geben. Sonst würde ich dem geschätzten Kollegen gleich beim Arzt die Klinke in die Hand geben.

Wie soll es sich also noch entwickeln?

Kaufmann:

Eigentlich träume ich vom Carlos-Kleiber-Effekt. Ich will mich rar machen. Anderseits möchte man überall, wo ich jetzt erstmals auftrete, dass ich möglichst bald wiederkomme. Ich bin geschmeichelt, aber da muss ich leider viele enttäuschen.

Wie gehen sie da vor?

Kaufmann:

Im Grunde wie eine Sopranistin, die sich notiert, welches Kleid sie schon wo getragen hat. Wenn ich so wenig an einem Ort auftreten kann, dann wenigstens immer wieder in anderen Rollen und Fächern, damit man möglichst viele Facetten von mir kennen lernt und Abwechslung geboten ist. In Berlin etwa wird man mich nach den - mir fast zu ähnlichen - Puccini-Helden Rodolfo und Cavaradossi als Brahms-Sänger in dessen "Rinaldo"-Kantate mit Claudio Abbado erleben, die auch aufgenommen wird.

Ist der Lohengrin nun eine Art Wasserscheide für Sie?

Kaufmann:

Es wird sicherlich so aufgenommen werden. Da ist der Druck schon sehr viel größer. Kaufmann als Wagner-Recke, ich weiß. Anderseits habe ich Parsifal schon in Zürich gesungen und den Stolzing konzertant in Edinburgh. Siegmund ist für 2011 an der Met fixiert. Und auch der Siegfried wird kommen, da bin ich mir ganz sicher. Mit Tannhäuser liebäugele ich sehr, vor dem Tristan habe ich noch Angst. Das ist also jetzt nicht ein schüchternes Ausprobieren, das ist nur das grellste Licht der Öffentlichkeit auf einen weiteren Schritt im schwereren deutschen Fach. Doch ich fühle mich dem gewachsen. Ich weiß, dass mir die Partie sehr gut liegt, sie ist momentan logischer für mich als der viel weniger meinem italienischen Repertoire ähnelnde Parsifal.

Wie gehen Sie bei einer solchen Aufgabe vor. Fragen Sie die Häuser oder warten Sie, bis sie selbst gebucht werden?

Kaufmann:

Teils, teils. Bei den "Meistersingern", die ich unbedingt szenisch machen möchte, habe ich mich umgehört, wo es geplant ist.

Macht es Ihnen Spaß, durch den jüngsten CD-Ruhm jetzt allein Konzertsäle mit Arienabenden zu füllen?

Kaufmann:

Auch das muss man erst beherrschen lernen. Grundsätzlich gilt: Ich habe nicht allein für solche Arienpotpourris singen gelernt. Mehr als vier solche Konzerte sollen es pro Spielzeit nicht sein. Deswegen lege ich Wert darauf, dass der Liedsänger Kaufmann ernst genommen wird und trage dem im Kalender ein wenig Rechung. Ich möchte meinen Beruf auch weiter mögen und ihn nicht nur als Arbeit empfinden.






 
 
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