Opernwelt, März 2009
Interview: Jörg Königsdorf
Apropos
... Cavaradossi
Der Rodolfo ist eine seiner Trumpfkarten an den Opernhäusern, doch seit letztem Jahr singt Jonas Kaufmann auch die zweite von Puccinis großen Künstlerrollen. Nach seinem Rollendebüt an Londons Covent Garden ist Kaufmann ab 29. März der Cavaradossi in Robert Carsens «Tosca»- Inszenierung am Opernhaus Zürich. Dirigieren wird Christoph von Dohnanyi.

Herr Kaufmann, Cavaradossi ist ein Maler. Malen Sie selbst eigentlich auch?
Nur für meine Kinder, die geben ungefähr fünf Raketen pro Woche bei mir in Auftrag. Aber dass ich es früher nie ernsthaft versucht habe, lag wohl einfach daran, dass meine Schwester das viel besser konnte. Sie hat so gut gemalt, dass sie durchaus etwas daraus hätte machen können. Aber dann hat sie doch Sicherheit einer künstlerischen Freiheit vorgezogen und BWL studiert.

Spielt es für die musikalische Gestaltung der Partie eine Rolle, dass Cavaradossi ein Künstler ist?
Tatsächlich habe ich festgestellt, dass die Partie zu größerer musikalischer Freizügigkeit verlockt als beispielsweise Rodolfo in der «Bohème». Für mich ist Cavaradossi ohnehin eine sehr vielschichtige Figur: Einerseits setzt er sein Leben aufs Spiel, um verfolgten Oppositionellen zu helfen, andererseits hat er sich aber auch mit dem System gut arrangiert und ist ein wohlhabender Auftragskünstler. Im Libretto ist zum Beispiel explizit von «einem seiner Landgüter» die Rede.

In der Oper kann er aber schnell als bloße Verhandlungsmasse zwischen den beiden Kontrahenten Tosca und Scarpia wirken.
Natürlich hat es jeder Tenor erst mal schwer, die enorme Dramatik des Zweikampfes zwischen Tosca und Scarpia anschließend noch zu übertreffen. Ich glaube aber, dass Cavaradossi eine ganz ähnliche Entwicklung durchmacht wie Tosca: Schließlich sind beide Künstler, und beide erkennen, dass ihnen ihre Kunst nicht zu helfen vermochte. Für mich wird diese Erkenntnis bei Cavaradossis «E lucevan le stelle» offenbar. Er malt ja förmlich mit seinen Worten ein Bild, das an alle Sinne appelliert. Man kann die Düfte, die er beschreibt, förmlich riechen. Und am Ende steht dann die Verzweiflung angesichts der brutalen Realität.

In der Abbildung der Originalschauplätze ist «Tosca» extrem realistisch. Haben Sie vor Ihrem ersten Cavaradossi eine Studienfahrt nach Rom gemacht um sich von der Engelsburg und der Kirche St. Andrea dell‘Valle inspirieren zu lassen?
Das war gar nicht nötig, da ich aus einer Italien-begeisterten Familie komme. Meine Eltern sind mit uns früher manchmal dreimal jährlich nach Italien gefahren, daher kenne ich die ganzen Schauplätze von Kind auf.

Die Figur der Tosca ist das Abbild einer Operndiva, wie man sie sich vorstellt. Treffen Sie bei Ihren Sopranistinnenkolleginnen noch auf viele Toscas?
Das können sich die Sängerinnen heute nicht mehr leisten, auch weil die Oper insgesamt nicht mehr so bedeutend ist wie zu Puccinis Zeiten, sondern sozusagen zum Nischenprodukt wurde. Aber Puccini appelliert hier an bestimmte Bühneninstinkte, und für eine Sopranistin ist es zweifellos sehr reizvoll, dem Affen Zucker zu geben und mal richtig die Diva herauszukehren. Aber das gilt ja auch für Tenöre.






 
 
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