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Berliner Zeitung, 17. Januar
2009 |
Das Gespräch führte Jakob Buhre. |
Der Tenor Jonas Kaufmann über das Plattengeschäft, Opernschals und
Sängerarbeit
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Romantik, aber nicht fürs Candlelight-Dinner
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Spätestens seit seine CD "Romantic Arias"
im vergangenen Jahr die Klassik-Charts eroberte, ist Jonas Kaufmann nicht
nur Opernkennern ein Begriff. Der 39-jährige Münchner zählt derzeit zu den
erfolgreichsten Tenören und steht regelmäßig auf den großen
internationalen Bühnen, überzeugt die Kritiker sowohl im deutschen als
auch im französischen und italienischen Fach. Am Montag singt er ein
Recital im Großen Saal der Philharmonie. Dazu ein Gespräch. |
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Herr Kaufmann, hatten Sie früher eine romantische Vorstellung vom
Dasein als Opernsänger?
Sicher war es eine wesentlich romantischere Vorstellung. Außenstehende
stellen sich das toll vor, man hört immer: "Super, du singst überall und
siehst die ganze Welt ..."
Und, stimmt das nicht?
Viele Sänger müssen gestehen, dass sie außer den Hotelzimmern, der
Limousine und dem Theater oder Konzerthaus eigentlich gar nichts sehen.
Weil sie nur hin- und herfahren und ansonsten auf den nächsten Auftritt
warten. Bei mir ist es Gott sei Dank nicht so extrem. Doch es passiert
schon mal - wenn ich merke, dass ich krank werde - dass ich den Tag im
Hotelzimmer verbringe, nichts tue, außer Warten, Tee trinken und hoffen,
dass es besser wird.
Wie schützen Sie Ihre Stimme?
Ich versuche, ganz normal zu leben. Klar, ich rauche und trinke nicht,
weil sich das bemerkbar macht. Aber Schutzmaßnahmen bringen nichts. Diese
berühmten drei Sängerschals - das ist Kokolores. Wenn der Körper sich
daran gewöhnt, immer nur behütet zu werden, reicht ein Windhauch für eine
Erkältung.
Sie haben 2007 einen Plattenvertrag bei Decca/Universal Music
unterschrieben. Was ändert sich dadurch?
Ganz klar - die Popularität steigt. Zu einem ziemlich üppig gefüllten
Kalender kommen noch weitere Termine, die vorher nicht zur Diskussion
standen. Zu der Arbeit im Opernbetrieb kommen Plattenaufnahmen,
Presseveranstaltungen und Recital-Konzerte. Die sind kein besonderes
Kriterium für Qualität, sondern dafür, dass man ein breiteres Publikum
erreichen kann.
Steigen nicht mit dem Verkauf von CDs die Opernengagements?
Mehr Engagements kann ich nicht kriegen. Ich hatte ja schon vor dem
Vertrag meine Opernkarriere, habe in Covent Garden und an der Met
gesungen. Für mich gab es keine Steigerung mehr.
Was liegt Ihnen mehr, eine Opernaufführung oder ein Recital?
Ich liebe Oper und werde diese Arbeit nie abschreiben. Es wäre sicher
falsch, jetzt nur noch Konzerte zu machen, weil das irgendwie bequemer
ist. Wobei gerade ein Konzert extrem schwierig ist, weil man den ganzen
Abend gefordert ist, da kommt ein Stück nach dem anderen. Dennoch werden
Opernaufführungen grundsätzlich mehr geachtet, als Recitals.
Warum?
Richtige Operngänger nehmen ihn nicht mehr ernst, sie wollen keine reinen
Event-Singer.
Auf Ihrer aktuellen CD steht "Romantic Arias". Was bedeutet dieses
"romantic"? Wird die CD für dieses Versprechen massenweise gekauft?
Sie meinen, als idealer Hintergrund für ein Candlelight-Dinner?
Im Plattenregal werden auch Klassik-CDs als "romantisch" verkauft, ohne
dass die Epoche gemeint wäre.
Das ist doch ein Missbrauch des Wortes. Die Romantik ist eine Periode, ein
fester Begriff in der Literatur und Musik. Sicher rückt der Begriff heute
stark in die Nähe der "Schnulze". So ist meine CD nicht gemeint.
Sondern?
Natürlich ist jede Oper im weitesten Sinne irgendwo romantisch, weil es um
Liebe geht. Die Rollen, die ich hier singe, sind Charaktere, die in eine
romantische Affäre verstrickt sind, glücklich oder verzweifelt. Es hat
alles mit dem romantischen Gedanken zu tun, für jemanden eine Arie zu
singen.
Fänden Sie es schade, wenn Ihre CD bei einem Candlelight-Dinner im
Hintergrund liefe?
Ich glaube es funktioniert nicht, ehrlich. Es ist nicht die ideale Musik
zum Dahinplätschern. Die Arien sind nicht so seicht, dass man da einfach
so weghören kann, und das Programm auch zu kontrastreich.
Wie hören Sie privat Musik?
Oper kann ich unmöglich entspannt hören. Ich mag Rachmaninow,
Schostakowitsch, Mahler, Bruckner, aber ich höre auch Pop. Wobei es da
Grenzen gibt, bei Musikstücken, die unendlich das Gleiche wiederholen. |
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Das Interview wurde auch in einer ungekürzten
Version im Internet veröffentlicht: |
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Jonas Kaufmann
Mehr Engagements kann man nicht kriegen.
Opernsänger Jonas Kaufmann über seinen Beruf, Plattengeschäft,
Opernschals und romantische Arien |
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Der Tenor Jonas Kaufmann, geboren 1969 in
München, bekam nach dem Gesangsstudium in seiner Heimatstadt sein erstes
festes Engagement 1994 am Staatstheater in Saarbrücken. Seit 1996 hat er als
freischaffender Opern- und Konzertsänger an vielen internationalen Häusern
gastiert, u.a. an der Mailänder Scala und dem Royal Opera House in London.
2006 debütierte Kaufmann an der Metropolitan Opera in New York als Alfredo
in „La Traviata“, sein Debüt an der Berliner Staatsoper folgte im Februar
2008. |
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Herr Kaufmann, hatten Sie früher eine
romantische Vorstellung vom Dasein als Opernsänger?
Kaufmann: Ich hatte sicher eine wesentlich romantischere Vorstellung
als es sich in der Wirklichkeit darstellt. Ich meine, jeder Außenstehende
stellt sich das unheimlich toll vor und man bekommt immer zu hören: „Super,
du singst überall, du siehst die ganze Welt...“
Und, stimmt das nicht?
Kaufmann: Die meisten Sänger müssen dann gestehen, dass sie außer den
Hotelzimmern, der Limousine und dem Theater oder Konzerthaus eigentlich gar
nichts sehen. Weil sie immer nur hin- und herfahren und ansonsten da sitzen
und auf den nächsten Auftritt warten. Bei mir ist es Gott sei Dank nicht
ganz so extrem. Aber es passiert schon mal - wenn ich merke, dass ich krank
werde – dass ich mich in meinem Hotelzimmer einschließe und dort den ganzen
Tag verbringe, nichts tue, außer Warten, Tee trinken und hoffen, dass es
besser wird, um irgendwie die nächste Vorstellung zu retten. Aber jeder
Beruf hat seine Vor- und Nachteile, und insgesamt würde ich sagen,
überwiegen bei diesem die Vorteile.
Wie schützt man die Stimme am besten?
Kaufmann: Ich versuche, ganz normal zu leben. Klar, man raucht nicht,
trinkt nicht, weil sich das bemerkbar macht. Aber ansonsten habe ich nie
festgestellt, wenn ich aus reiner Prävention besondere Schutzmaßnahmen
ergriffen habe, dass das irgendwas gebracht hätte. Diese berühmten drei
Sängerschals – das ist alles relativer Kokolores. Wenn der Körper sich so
daran gewöhnt, immer nur behütet und bemuttert zu werden, dann reicht der
kleinste Windhauch für eine Erkältung, weil er es einfach nicht gewohnt ist.
Sie haben 2007 einen Plattenvertrag bei Decca/Universal Music
unterschrieben. Was ändert sich für einen Opernsänger dadurch?
Kaufmann: Erstens, ganz klar: Die Popularität steigt. Und dann ist es
so, dass ich zu einem schon ziemlich üppig gefüllten Kalender plötzlich
weitere Termine hinzubekommen habe, die vorher nicht zur Diskussion standen.
Sprich, zu meinem „normalen“ Beruf im Opernbetrieb kommen Plattenaufnahmen,
Presseveranstaltungen und Recital-Konzerte hinzu. Die sind dann nicht
unbedingt ein 100-prozentiges Qualitätsmerkmal, sondern viel mehr Ausdruck
dessen, dass man ein breiteres Publikum erreichen kann.
Aber abgesehen von diesen zusätzlichen Terminen, die das Ganze
zugegebenermaßen ein bisschen stressiger machen, ist der Beruf genau der
gleiche. Ich mache immer noch die gleichen Aufführungen, in den gleichen
Städten, daran ändert sich nichts.
Ist es nicht so: Je mehr CDs man verkauft, desto mehr Opernengagements
bekommt man?
Kaufmann: Mehr Engagements kann man nicht kriegen, zumindest nicht in
meinem Fall. Ich habe die Opernkarriere ja schon gehabt, ich habe in Häusern
wie Covent Garden und an der Met gesungen bevor ich einen Plattenvertrag
unterschrieben habe. Dementsprechend gab es in der Richtung keine Steigerung
mehr. Man kann den eigenen Kalender ja auch nicht zwei, drei Mal mit
Terminen auffüllen.
Was liegt Ihnen denn mehr, eine Opernaufführung oder ein Recital?
Kaufmann: Für mich ist klar: Ich liebe Oper und werde das nie
abschreiben. Ich glaube, es wäre auch ein falscher Gedanke, wenn ich jetzt
nur noch Konzerte machen würde, weil das halt irgendwie bequemer ist, oder
einem besser gefällt. Wobei ein Konzert auch extrem schwierig ist, weil man
den ganzen Abend gefordert ist. In der Oper folgt nach der eigenen Arie
vielleicht ein Duett von zwei Kollegen und man kann sich ausruhen, in einem
Recital kommt aber ein Stück nach dem anderen, die Höhepunkte, die
schwierigsten Stellen aus den Opern hintereinander weg. Und doch ist es so,
dass in weiten Teilen des Opernmetiers normale Opernaufführungen mehr
geachtet werden, als solche Recitals.
Warum?
Kaufmann: Wenn einer sagt, „ich mache jetzt nur noch die großen
Recital-Tourneen“, wird er wahrscheinlich nach kurzer Zeit feststellen, dass
ihn die richtigen Operngeher nicht mehr ernst nehmen. Die fragen sich: „Was
will der denn? Das ist ja kein Opernsänger sondern ein Event-Singer.“ Da
muss man schon aufpassen, dass man die Waage hält.
Auf Ihrer aktuellen CD steht „Romantic Arias“. Was bedeutet dieses
„romantic“? Ist es wirklich das, wofür die CD auch massenweise gekauft wird?
Kaufmann: Sie meinen, die Leute kaufen meine CD als ideale
Hintergrundmusik für ein Candlelight-Dinner?
Im Plattenregal findet man zumindest einige Klassik-CDs, die als
„romantisch“ verkauft werden, ohne dass die Epoche gemeint ist. Die heißen
dann „Romantic Dreams“, „Romantic Moments“, „Romantic Classics“...
Kaufmann: Das ist doch aber eigentlich ein Missbrauch des Wortes! Die
Romantik ist eine ganz deutliche Periode, ein fest stehender Begriff in der
Literatur, wie auch in der Musik. Da kommt man nicht drum herum. Und ich
hoffe mal, wenn man als Deutscher von Romantik spricht, dass man dann
zumindest irgendwo im Hinterkopf hat: „Das habe ich schon mal gehört, da
gibt es doch eine Zeit, die man so nennt.“ Sicher ist der Begriff heute sehr
stark abgedriftet und steht in vielen Köpfen kurz vor „Schnulze“. So ist es
aber um Gottes Willen nicht gemeint.
Sondern?
Kaufmann: Natürlich ist – im weitesten Sinne – jede Oper irgendwo
romantisch. In 99 Prozent der Opern geht es um Liebe, und durch die Liebe
und falsche Liebe entstehen dann diese Schwierigkeiten. Die Rollen, die ich
auf der CD singe, das sind eigentlich alles Charaktere, die irgendwo in eine
romantische Affäre verstrickt sind, die dann entweder glücklich sind oder
ihre Verzweiflung darbringen, weil es offensichtlich nicht so gut klappt.
Die Blumenarie des Don José, wie er der Carmen die Liebe gesteht, sozusagen
fast unter Zwang, weil sie ihn so fertig macht. Oder Walther in den
„Meistersingern“, wo er sich auf der Festwiese dieser schrecklichen Prüfung
stellt und hofft, mit seiner Dichtkunst die Angebetete zu kriegen. Das sind
alles verschiedene Phasen und Situationen, aber es hat doch letztlich alles
mit diesem romantischen Gedanken zu tun, für jemanden eine Arie zu singen. |
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