Von der Mathematik zur großen Bühne
Der deutsche Weltklasse-Tenor Jonas Kaufmann
So hat Pavarotti sich wohl nicht vorbereitet. Im Opernhaus Zürich macht er
Leib und Stimme schmiegsam wie ein Leistungssportler: Jonas Kaufmann, kurz
vor Beginn von "La Bohème".Seine lampenfieberfreie Unbeschwertheit ist das
eine. Das andere sein fulminantes Spiel mit Emotionen - denen des Publikums
und den eigenen: eine Farbpalette unzähliger Stimmungen.
"La Traviata" singt er zurzeit im Royal Opera House. Jonas Kaufmann ist ein
Romantiker, der sich nicht von sich selbst berauschen lässt. Überraschend
ist zum Beispiel, dass er vor der Bühnenkarriere zunächst Mathematik
studierte, denn er war sich seines Talents keineswegs sicher. Und zu Beginn
ging seine Karriereauch nicht wie im Traum und immer nur bergauf. Im
Stadttheater Saarbrücken stand er einst vor dem Aus.
Mit Anna Netrebko in "La Traviata"
In London steht er nun mit Mega-Star Anna Netrebko auf der Bühne. Mithalten
kann er auch mit einem weiteren Superstar, Rolando Villazón - der Kaufmanns
Partie in "La Traviata" noch in Salzburg sang. Rolando Villazóns Stimme hat
inzwischen ernsthaft Schaden genommen. Er pausiert seit Monaten. Kaufmann
kennt die Gefahr, er sagt lieber ab, wenn er sich nicht fit fühlt.
Tenöre werden heute in Schubladen gesteckt: italienisches Fach, deutsches
Fach, lyrischer Tenor, dramatischer Tenor. Kaufmanns Stimme aber gibt alles
her. Das unterscheidet sie. So gehört zu seinem Repertoire beispielsweise
auch Friedrich von Flotows "Martha".
Weg an die Spitze
Jonas Kaufmann erinnert vor allem an einen großen deutschen Sänger
vergangener Tage: den mit 36 Jahren tödlich verunglückten Fritz Wunderlich -
ein Idol Kaufmanns. Je berühmter er nun wird, desto größer ist der
Leistungsdruck. In Zürich, "La Bohème" ist gemeistert, geht's ab nach Hause,
zu Frau und drei Kindern. Jonas Kaufmann: Ein deutscher Tenor am Beginn
seines Weges an die absolute Spitze.