Junge Freunde der Salzburger Festspiele, 17.2.06
im österreichischen Kulturinstitut in New York, 53e Straße und 5e Avenue nach seiner Aufführung in La Traviata in der Rolle des Alfredo an der MET am 16.2.06
Jonas Kaufmann
Wir trafen uns mit Jonas Kaufmann an der St. Patricks Cathedral und gingen dann zusammen ins österreichische Kulturinstitut, wo uns Herr Dr. Hohenstein netterweise sehr kurzfristig einen Veranstaltungsraum in seinem Institut - einem faszinierenden Neubau mit viel Glas und Stahl - zur Verfügung stellte. 

JF: Wann hast Du Dich entschieden, Opernsänger zu werden, was für eine Ausbildung hast Du genossen?
JK: Ich war auf einem normalen humanistischen Gymnasium und habe eigentlich sehr spät entschieden Opernsänger zu werden. Es war eine sehr gute Allgemeinbildung, jedoch nicht für den Gesang, denn so viele altgriechische Opern gibt es ja nicht.Ich hatte Mathe, Physik und Musik als Leistungskurse. Eigentlich kam ich zu der Musik wie die Jungfrau zum Kinde, denn Musik habe ich nur als Leistungskurs gewählt, weil man mich bekniet hat, denn es fehlte just noch eine Person, um überhaupt einen Kurs zustande zu bekommen.

JF: Wie ging es dann mit dem Studium weiter?
JK: Ich habe angefangen Mathe zu studieren, doch sehr bald gesehen, dass es mir zu theoretisch ist. Dann habe ich mich in Salzburg am Mozarteum und in München zum Musikstudium beworben. Ich habe dann in Salzburg angefangen, bin dann aber nach 4 Wochen nach München gewechselt.

JF: Wie sah denn das Studium bei Dir aus? 
JK: Man hat 1000 Nebenfächer – Ballett, Fechten, Gehörbildung und, und, und - aber nur 2 x 45 Minuten Gesang in der Woche. Das ist meiner Ansicht nach viel zu wenig. Es ist auch verboten sich außerhalb der Hochschule Unterricht zu nehmen.

JF: Wie lernt man Gesang?
JK: Lernen ist schwierig und kann auf verschiedene Weisen geschehen. Man kann mit Bildern arbeiten, nicht mechanisch mit Anleitungen für das rechte oder linke Stimmband. So stellt man sich z.B. vor, man hätte eine Birne im Mund, so formt man den Mund, das Zwergfell, den Kehlkopf etc.. Eigentlich hat man ja nur drei kleine Stimmbänder und nun geht es darum aus denen möglichst viel rauszuholen. Da gibt es verschiedene Mechanismen, man muss z.B. darauf achten, dass die Kehle sich entspannt, der Mund richtig geformt ist, die Zunge nicht im Weg ist, das Zwergfell nach unten zeigt, der Rücken gerade ist – so ist die Luftsäule gerade, es entsteht Entspannung, dies gibt Resonanz, und umso mehr Klang gibt es. Das hängt alles miteinander zusammen.

JF: Wie ist das mit den Lehrern?
JK: Jeder hat sein eigenes Vokabular. Bei einigen versteht man was sie meinen, bei anderen nicht. So kann es immer sein, dass einem ein Lehrer liegt, der andere nicht. Aber es ist natürlich immer individuell, der eine findet den einen Lehrer gut, der andere den anderen.

JF: Wie formt und entwickelt man seine Stimme?
JK: Es ist ganz wichtig, dass man seine „eigene Stimme“ findet  - und das ist manchmal gar nicht so einfach.Man kann nur dann viel und lange singen wenn man wirklich seine eigene Stimme gefunden hat und nicht etwas nachsingt bzw. seine Stimme verstellt. Nur dann hat die Stimme auch die Möglichkeit sich zu entwickeln. Man muss aufhören, sich zu manipulieren, etwas singen zu wollen, was eigentlich gar nicht seine eigene Stimme ist, bzw. nicht zu der eigenen Stimme passt. Erst dann wenn man sich nicht mehr manipuliert, dann hat man seine Stimme gefunden.Und wen man dann seine Stimme gefunden hat, geht es darum, sie zu verfeinern.

JF: Muss man dazu ein reifer Erwachsener sein?
JK: Das hat viel mit Vertrauen in sich selbst zu tun und Entspannung. Nur so kann der eigene Klang wirklich voll ausgenutzt werden. JF: Wie hast Du Deine Stimme gefunden? JK: Ich habe einen Lehrer gefunden – erst nach Abschluss des Studiums – der mir geholfen hat, meine Stimme zu finden. Ein Amerikaner, der in Trier war – heute ist er 82 Jahre alt. 

JF: Wo war Dein erstes Engagement? Was hast Du da gesungen?
JK: In Saarbrücken, unter „KuJoSchi“, Kurt Josef Schildknecht hatte ich mein erstes Engagement.Alle sagten dort immer, ich sei so jung, ich solle leichtere und zartere Partien singen, weil das zu mir passen würde. Ich habe das auch eine Weile gemacht, aber mir hat das keine Freude gemacht – den anderen wahrscheinlich auch nicht. Ich habe mir sogar überlegt aufzuhören. Dann kam ich zu meinem amerikanischen Lehrer, der sagte „sing doch endlich einmal mit Deiner Stimme“. Das habe ich dann auch gemacht, ich habe tiefere, vollere Partien gesungen. Meine Freunde haben mit mir viel darüber diskutiert, ob es das Richtige sei. Aber wenn ich stundenlang so singen kann, ohne heiser zu werden und die Stimme ist morgens prima, dann kann es ja nicht so schlecht sein.

JF: Wie und wann kam der Schritt von Saarbrücken weg?
JK: Bei einem Verlängerungsvertrag in Saarbrücken habe ich gesagt, welche Partien ich gerne singen würde, außerdem wollte ich eine Gehaltserhöhung. Eine kleine Gehaltserhöhung habe ich bekommen, aber die Stücke, die ich gerne singen wollte, bekam ich nicht.Ich habe dann spontan in Saarbrücken gekündigt, ohne etwas Neues zu haben. Dann habe ich meinen heutigen Manager angerufen, mit dem ich dann viele Projekte gemacht habe. An vielen Theatern ist das schwierig, hier geht es bei der Auswahl des Spielplans in erster Linie darum, was das Publikum gerne hört, dann ob man einen Regisseur für das Stück findet und erst in dritter Linie darum, was die Sänger gerne singen möchten und gut für ihre Stimme ist.Es gibt einige wenige Theater, da ist es anders. Z.B. ist das in Frankfurt/Main im Moment für die Sänger ziemlich gut. Es wird geschaut, was die am besten singen können und Frankfurt hat hiermit auch sehr großen Erfolg und eine hervorragende Qualität. Wichtig ist wirklich, ob das Ensemble zufrieden ist, dann ist die Qualität auch gut. Auch ist es für das Ensemble immer besser, wenn sie selber singen können und nicht so viele Gäste engagiert werden. 

JF: Wie übst Du heute Deine Partien?
JK: Heute habe ich keinen Lehrer mehr, meine Frau hört bei einigen Proben zu, sie korrigiert mich gut und scharf. Es ist wichtig dass die Kontrolle durch jemanden erfolgt, zu dem man Vertrauen hat.

JF: Wann war das letzte Vorsingen?
JK: Das war 2001, da war ich in Chicago, vorher habe ich mit Jimmy Levine gearbeitet, der hat mich in Chicago angerufen und daraus ist der jetzige Vertrag für die Traviata an der Met geworden.

JF: Wann kam der große Durchbruch? 
JK: Keine Ahnung. 

JF: In Salzburg? Wie bist Du denn nach Salzburg gekommen?
JK: Nach Salzburg hat mich Mortier geholt. Das hat sich über verschiedene Schritte ergeben. Ich habe mal in Klagenfurth eine Partie im Titus gesungen. Caroline Gruber hat Regie geführt.

JF: War das erfolgreich?
JK: Na, wir haben auf jeden Fall viel Spaß gehabt. Da hat Eva Maria Wiese angerufen, ob ich nicht rüber kommen könnte nach Salzburg, und ich so habe bei Mortier vorgesungen. 5 oder 6 Arien mit allem Drum und Dran. Dann hat er gesagt, dass er sich einen Faust/Busoni gut vorstellen könnte und er auf mich zurückkommen wollte.Das nächste Mal dass ich Mortier gesehen habe war nach einer Vorstellung der Entführung aus dem Serail von Mozart in Brüssel, bei der er mich nach der Vorstellung in der Garderobe angesprochen hatte „Guten Tag, mein Name ist Gerard Mortier, sie werden mich nicht kennen, aber ich fand sie wundervoll.“ Da sagte ich ihm, dass ich gerade bei ihm vorgesungen habe und er mit mir über Faust/Busoni gesprochen habe. Da fiel es ihm wieder ein und es war ihm, glaube ich furchtbar peinlich, vor allem, weil er ja ein so hervorragendes Menschengedächtnis hat.

JF: Was für Partien singst Du heute?
JK: In 2003 war ich der Entführung schon entwachsen. Es gibt bei den Tenören eigentlich eine Zweiteilung – das Spektrum geht vom fein, beweglichen Tenor, ohne Koloraturen bis zum stimmintensiven Tenor, der sehr schwere und sehr lange Partien singt.  Ich bin eher am im zweit genannten Spektrum. Ich habe früher auch viel Rossini gemacht, den Barbier kann ich schon machen, er ist aber nicht wirklich Meines. Anderen Sängern fällt dies viel leichter, warum soll ich das also machen. Den Alfredo aus Traviata singe ich gerne, Don Carlos ist z.B. auch eine ideale Sache für mich. Da warte ich noch drauf, das angeboten zu bekommen.Ostern 2006 singe in z.B. in Zürich den Parsival und im Herbst singe ich (11/06) in Convent Garden in London in Carmen.

JF: Wie oft übst Du, trainierst Du Deine Stimme?
JK: Ich brauche jeden Tag Gesang. Ich halte es wie mit dem Sport. Manchmal singe ich nur 15 Minuten aber manchmal auch X Stunden.Jeder Sänger muss das für sich wissen, wie er das am Besten handhabt. Manche brauchen vor einer großen Aufführung Ruhe, aber ich mache es nicht so. Ich trainiere lieber vorher, fange z.B. mit wenigen Tönen an, werde dann größer, über zwei Oktaven, dann drei.

JF: Wie ist das mit den Proben an der MET?
JK: Jede Oper wird 3 Wochen geprobt, ca. 6 Stunden am Tag. Das begleitet der Regieassistent. Für modernere, neuere Opern braucht man die Zeit, aber bei klassischen Opern ist das schon ziemlich viel Probenzeit.

JF: Die Inszenierung gestern von Zefirelli von der Traviata ist ja eine ziemlich neue Produktion.
JK: Ja, die ist von 1998. Aber von seiner letzten Inszenierung zu dieser hat er nicht sehr viel geändert. Es war schon eine großes Wagnis, dass er im 2. Akt die Farbe der Blumen von rot auf blau geändert hat. 

JF: Das Publikum an der MET ist ungewöhnlich und klatscht viel - stört das mit dem ständigen Klatschen?
JK: Das Publikum hier klatscht wirklich sehr viel, das stört aber gar nicht. Sobald ein kleines Loch ist, wird geklatscht, aber da gewöhnt man sich dran.

JF: Wie lernst Du neue Partien?
JK: Meist mit Klavier und Korepititor. Nicht so gerne von einer CD, sonst lernt man die Fehler mit die ggf. auf der CD sind. 

JF: Wie ist das an der MET in New York zu singen?
JK: Das ist so ziemlich der letzte Schritt auf der Karriereleiter eines Sängers und es ist wundervoll.

JF: Wie ist das mit der Öffentlichkeit hier, mit Sponsoren, muss man sich als Star viel um die kümmern? Ist das anstrengend?
JK: Es ist richtig, dass hier in den USA sehr viel Öffentlichkeitskontakt mit den Sängern stattfindet. Das ist aber ganz und gar nicht anstrengend. Das gehört dazu. Man muss bedenken, dass hier die Oper sich fast rein durch private Förderung finanziert und das ist toll.

JF: Wie wird Deiner Meinung die Arbeit an der MET in Zukunft – auch unter neuer Leitung aussehen?
JK: Ja das ist richtig, die MET bekommt einen neuen Intendanten. Es gab hierzu kürzlich eine Pressekonferenz, Peter Gelb wird das Haus hier übernehmen. Er will moderne Sachen spielen, auch will er Projekte mit Jugendlichen stärken. Das muss natürlich alles finanziert werden, und im Moment ist das Publikum hier sehr alt. Aber es ist ein tolles, vielversprechendes Projekt.

JF: Was hältst Du von moderner Musik? Singst Du gerne Modernes?
JK: Einiges finde ich sehr schön. Für meine eigene Arbeit ist es jedoch aufwendiger ein modernes Stück einzustudieren, komplizierte Partien zu erlernen als Klassisches. Auch kann es sein, dass man dann nur für eine Inszenierung alles lernt und der Aufwand nur einmal zum Tragen kommt, weil moderne Opern in so wenigen Häusern auf dem Spielplan stehen. Ich muss zugeben, das ist auch ein bisschen eigene Bequemlichkeit, auf der anderen Seite hat man immer zu wenig Zeit

JF: An welchen Häusern bist Du heute?
JK: Ich bin z.B. in Zürich festes Ensemble Mitglied und das macht mir viel Spaß.

JF: Wenn man vor Publikum singt, hilft es da, wenn man einige Leute im Publikum kennt?
JK: Das ist natürlich schön, aber es ist nicht so entscheidend. 

JF: Nun haben wir schon ganz lange Deine Zeit in Anspruch genommen, ganz herzlichen Dank für das spannende Interview!
Tosender Applaus für den Star Tenor. 

 






 
 
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