Der Monolith aus Kubricks "2001". Agenten wie
bei "Matrix". Film-Zitate. "Fidelio" – das Mischwerk aus Befreiungsoper,
utopischer Dichtung und Singspiel wird in Salzburg zur düsteren Studie
permanenter Fremdsteuerung. Erstickende Zwänge. Innere Gefängnisse. Jonas
Kaufmann ist ein überragender, realistischer Gefangener Florestan. "Der
tiefere Sinn ist eben nicht, dass es nur schön und sozusagen aus der Hüfte
geschossen klingt", sagt Kaufmann. "Sondern es muss einen auch ein bisschen
dieses Leid, diesen Schmerz, diese Mühe verspüren lassen. Das hat Beethoven
auch als Stilmittel mit eingesetzt – dass man bis zum Äußersten geht."
Ein Beethoven, der nicht aufgibt Franz Welser-Möst
dirigiert sinfonisch, brillant, erzählt das ganze Drama schon in der Musik.
"Das, was damals so wahnsinnig neu war, ist, dass Beethoven einen kleinen
Gedanken hernimmt – wie zum Beispiel das Motiv in seiner Fünften aber auch
die ersten drei Noten der Ouvertüre von 'Fidelio' und er haut uns das
permanent immer wieder mit Betonungen auf den Kopf", sagt Welser-Möst. "Und
diese unglaubliche Energie da nicht aufzugeben, ist etwas, was uns bis heute
maßlos fasziniert."
Eine kalte, aber faszinierende
Inszenierung Die Inszenierung der Figuren durch Claus Guth ist
kalt, artifiziell – faszinierend. Die gesprochenen Dialoge sind gestrichen.
Doppelgänger und Schatten erzählen das Unbewusste. "Ich glaube, dass in
diesem 'Fidelio' ein großes Problem vorhanden ist, nämlich, dass der Text
ziemlich schwach ist", sagt Welser-Möst. "Und dass dem Feuerkern, den
Beethovens Musik hat, mit dem er diese Vision von Freiheit Gleichheit,
Brüderlichkeit und Liebe ausdrücken will, dass diesem Feuerkern der Text gar
nicht gerecht wird." Auch Regisseur Claus Guth sieht Schwierigkeiten: "Das
ist kein 'Figaro', wo alles stimmt wie es aufgebaut ist. Es ist eine
Baustelle."
Eine Welt, in der die Schatten regieren
In Guths Inszenierung hat Florestan von Beginn an keine Chance. Eine Welt,
in der die Schatten über ihre Herren regieren. Die Regie, die bei der
Premiere zu Unrecht viele Buhs erntete, ist konzentriert und karg, legt die
Musik frei. Der Monolith schiebt sich immer wieder dazwischen, rhythmisiert
die Konstellationen. Der Chor der Gefangenen wird zum Pilgergang um den
schwarzen Kasten.
Kein Pathos, keine Hoffnung
"Der Schluss von 'Fidelio' ist von Beethoven in einer seltsam überhöhten
Jubelstimmung geschrieben, die so was von oben drüber ist, dass man das
eigentlich gar nicht mehr als real empfinden kann", sagt Jonas Kaufmann.
"Als ob man plötzlich in eine Illusion abgleitet." Das Finale bringt keine
Befreiung, sondern ein Aufwachen im kalten Raum der Macht. In
Gebärdensprache erzählt eine Doppelgängerin von den Gefühlen der Leonore.
Inneres Rasen. Aber alles steht still. Der Riesenchor ist hinter den
Kulissen versteckt. Kein Pathos, keine Hoffnung. Das Gefängnis wird nicht
mehr verlassen werden.
"Fidelio" – schnörkellos und düster. Die
stimmigste von den drei Opern-Neuinszenierungen.