das erste, titel, thesen, temperamente (ttt), 10.8.2015
Autor: Andreas Krieger
 
 

"Fidelio"

 
Eine großartige Neuinszenierung
 
Video und Kritik
 
 
Der Monolith aus Kubricks "2001". Agenten wie bei "Matrix". Film-Zitate. "Fidelio" – das Mischwerk aus Befreiungsoper, utopischer Dichtung und Singspiel wird in Salzburg zur düsteren Studie permanenter Fremdsteuerung. Erstickende Zwänge. Innere Gefängnisse. Jonas Kaufmann ist ein überragender, realistischer Gefangener Florestan. "Der tiefere Sinn ist eben nicht, dass es nur schön und sozusagen aus der Hüfte geschossen klingt", sagt Kaufmann. "Sondern es muss einen auch ein bisschen dieses Leid, diesen Schmerz, diese Mühe verspüren lassen. Das hat Beethoven auch als Stilmittel mit eingesetzt – dass man bis zum Äußersten geht."

Ein Beethoven, der nicht aufgibt
Franz Welser-Möst dirigiert sinfonisch, brillant, erzählt das ganze Drama schon in der Musik. "Das, was damals so wahnsinnig neu war, ist, dass Beethoven einen kleinen Gedanken hernimmt – wie zum Beispiel das Motiv in seiner Fünften aber auch die ersten drei Noten der Ouvertüre von 'Fidelio' und er haut uns das permanent immer wieder mit Betonungen auf den Kopf", sagt Welser-Möst. "Und diese unglaubliche Energie da nicht aufzugeben, ist etwas, was uns bis heute maßlos fasziniert."

Eine kalte, aber faszinierende Inszenierung
Die Inszenierung der Figuren durch Claus Guth ist kalt, artifiziell – faszinierend. Die gesprochenen Dialoge sind gestrichen. Doppelgänger und Schatten erzählen das Unbewusste. "Ich glaube, dass in diesem 'Fidelio' ein großes Problem vorhanden ist, nämlich, dass der Text ziemlich schwach ist", sagt Welser-Möst. "Und dass dem Feuerkern, den Beethovens Musik hat, mit dem er diese Vision von Freiheit Gleichheit, Brüderlichkeit und Liebe ausdrücken will, dass diesem Feuerkern der Text gar nicht gerecht wird." Auch Regisseur Claus Guth sieht Schwierigkeiten: "Das ist kein 'Figaro', wo alles stimmt wie es aufgebaut ist. Es ist eine Baustelle."

Eine Welt, in der die Schatten regieren
In Guths Inszenierung hat Florestan von Beginn an keine Chance. Eine Welt, in der die Schatten über ihre Herren regieren. Die Regie, die bei der Premiere zu Unrecht viele Buhs erntete, ist konzentriert und karg, legt die Musik frei. Der Monolith schiebt sich immer wieder dazwischen, rhythmisiert die Konstellationen. Der Chor der Gefangenen wird zum Pilgergang um den schwarzen Kasten.

Kein Pathos, keine Hoffnung
"Der Schluss von 'Fidelio' ist von Beethoven in einer seltsam überhöhten Jubelstimmung geschrieben, die so was von oben drüber ist, dass man das eigentlich gar nicht mehr als real empfinden kann", sagt Jonas Kaufmann. "Als ob man plötzlich in eine Illusion abgleitet." Das Finale bringt keine Befreiung, sondern ein Aufwachen im kalten Raum der Macht. In Gebärdensprache erzählt eine Doppelgängerin von den Gefühlen der Leonore. Inneres Rasen. Aber alles steht still. Der Riesenchor ist hinter den Kulissen versteckt. Kein Pathos, keine Hoffnung. Das Gefängnis wird nicht mehr verlassen werden.

"Fidelio" – schnörkellos und düster. Die stimmigste von den drei Opern-Neuinszenierungen.






 
 
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