3Sat: 01.07.2008 / Annette Freitag für Kulturzeit
Liebe, Eifersucht, Mord
Vesselina Kasarova debütiert in Zürich als "Carmen"
 

Es ist die meistgespielte Oper der Welt in einer weiteren Version - mit neuer Interpretation. Im Opernhaus Zürich debütiert Vesselina Kasarova als "Carmen" unter der Regie von Matthias Hartmann. Da sich Zürichs Opernhaus mitten in der Euro-Fanzone befand, nahm man die Gelegenheit wahr, die Aufführung gleich noch in die “Public Viewing“-Arena ins Freie zu übertragen. Ein solches Opern-Event hat Zürich in dieser Form noch nie erlebt.ern-Event hat Zürich in dieser Form noch nie erlebt.

Die "Carmen" in Zürich kommt beim Publikum an. Es herrscht Erleichterung und Freude hinter der Bühne bei Vesselina Kasarova und dem gesamten Ensemble dieser unkonventionellen Aufführung.

Die Rolle bedeutet das Debüt für Publikumsliebling Vesselina Kasarova. Für die "Carmen", sagt sie, müsse man eine gewisse Reife haben, deshalb habe sie relativ lange gewartet, bis sie sich die Rolle zugetraut hat. An den unzähligen Interpretationen, die es bereits gibt, hat Vesselina Kasarova sich nicht orientiert. Mit "Carmen" betritt sie in jeder Beziehung Neuland. "Ich habe die Oper nie live gesehen", bekennt sie. "Nicht mit Absicht - es hat sich einfach so ergeben. Und ich glaube, das ist kein Nachteil." Im Gegenteil - ganz unverkrampft spielt sie die "Carmen" als zeitlos moderne Frau, die verführerisch und selbstbewusst ist, das fatale Ende jedoch bereits erahnen lässt. An ihrer Seite steht Jonas Kaufmann als Don José. Diese "Carmen" bedeutet auch ein Debüt für den Dirigenten: nach 40 Neuinszenierungen und 500 Vorstellungen am Opernhaus Zürich nun also zum ersten Mal das Drama um Liebe, Eifersucht und Mord.

"Ich mag das Stück nicht, wenn es mit der Folklorewalze breitgetreten wird", so Dirigent Franz Welser-Möst. "Ich finde, dass die Musik wahnsinnig fein, wahnsinnig subtil ist, und das hat mich daran gereizt." Vom Pianissimo bis zu kräftigen Klängen - das Orchester beweist noch einmal, was es in 13 Jahren mit Welser-Möst erreicht hat. Matthias Hartmann als fulminanter Schauspiel-Regisseur hat die Inszenierung übernommen. Bis zuletzt probt er mit den Hauptdarstellern, kommt aber bei der Arbeit immer wieder an - für ihn - ungewohnte Grenzen. "Man ist nicht selbst Gestalter", sagt er. "Da ist erst einmal die Musik. Da ist viel vorgegeben. Der Dirigent gibt das Tempo an und nicht ich, er sagt, hier öffnet sich die Tür und da ist das Licht, da hört die Musik auf. Das geht alles nach der Musik. Es ist eine vollkommen andere Erfahrung."

Ein Schuss Erotik
Geradezu prädestiniert für die Rolle des zwischen Pflicht und Leidenschaft hin- und hergerissenen Don José ist Jonas Kaufmann. Dass er neuerdings als Superstar der Oper gilt, steckt er locker weg. "Ich habe vorher, glaube ich, eine relativ gute Arbeit gemacht, deshalb bin ich so weit gekommen", ist er überzeugt. "Und ich versuche, einfach so weiterzumachen. Dementsprechend fühle ich keinen Druck, etwas Besonderes beweisen zu müssen, weil dieser Titel plötzlich im Zusammenhang mit meinem Namen auftaucht." Auch ohne allzuviel Folklore-Seligkeit darf es ruhig knistern. Ein Schuss Erotik gehört einfach dazu. "Man muss Carmen wirklich mit Klasse präsentieren", sagt Vesselina Kasarova. "Und je nachdem, wie man als Sänger ist, muss man sehr vorsichtig sein. Da ist die Sängerin, und sie hat eine Körpersprache. Denn Erotik zu präsentieren ist viel schwieriger als viele andere Sachen, die ich alle die Jahre gesungen habe." Parallelen zwischen sich und "Carmen" sieht Vesselina Kasarova nicht. Sie sei ein ganz anderer Typ, meint sie.

Voller Neugierde geht sie nach der Premiere in die "Public Viewing"-Arena der "Euro 08", um mit 10.000 Zuschauern die zeitlich verschobene Übertragung auf Großleinwand zu sehen. Ein Hauch von Verona liegt an diesem lauen Sommerabend über Zürich - es ist auch für Vesselina Kasarova ein außergewöhnliches Erlebnis. Und noch einmal erlebt sie das Ende. Schöner gestorben als in der Oper wird wirklich nirgends.
 






 
 
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