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Morgenpost, 03.07.2018 |
Matthias Nöther |
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Jonas Kaufmann - ein Tenor, der auch die Küche putzt
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Jonas Kaufmann bringt zu seinem Konzert in der Waldbühne einen Überraschungsgast mit.
Berlin. Wer der Überraschungsgast beim Konzert in der Waldbühne am 13.
Juli sein wird, möchte Jonas Kaufmann noch nicht verraten. Nur so viel: Vor
der Kulisse von 18.000 bis 20.000 Menschen wird es neben dem Münchner
Startenor einen solchen singenden Gast geben. „Sonst würde das Orchester
ständig Instrumentalstücke spielen müssen.“ Sicher ist: Bei dem Programm,
das Jonas Kaufmann in der Waldbühne präsentiert und mit dem er „beim
Publikum nördlich der Alpen die alte Begeisterung für Italien auffrischen“
will, braucht er selbst auch mal mehrere stimmliche Pausen. Denn die
Ansprüche sind hoch. Vor Zehntausenden von Zuschauern hat Kaufmann bisher
noch nicht alleine mit Orchester gesungen – Fernsehübertragungen aus der
Oper sind für ihn etwas anderes, vom Gefühl her. Ob der Kameramann auf den
Sänger hält oder ob dieser nur in der Totale zu sehen ist, sei auf der Bühne
kaum mitzubekommen. Die 20.000 live vor sich, das dagegen ist besonders.
Jonas Kaufmann sagt, er sei keineswegs eingeschüchtert, schließlich habe
er mit nur geringfügig kleineren Menschenmengen schon auf dem Königsplatz
seiner Heimatstadt München zu tun gehabt. Oder beim Finale der Champions
League 2013 – das war allerdings nur ein kleiner Gastauftritt vor der großen
Fußballkulisse, gemeinsam mit Popgeiger David Garrett. In der Berliner
Waldbühne trat Kaufmann übrigens im gleichen Jahr auf, da waren Primadonna
Anna Netrebko und ihr damaliger Ehemann Erwin Schrott mit dabei.
„Ich
mag es sehr gerne, wenn man ein Publikum spürt. Ich weiß auch gar nicht, was
das ist, was man spürt – aber man merkt, ob die Leute dabei sind, ob sie
abdriften, ob man etwas tun muss, einen Kniff anwenden, um sie wieder
zurückzugewinnen.“ Diese Aufgabe der Dauerpräsenz ist nicht nur stimmlich
fordernd. In der Oper wäre da eine Pause ganz normal. Zum Beispiel bei
„Parsifal“ an der Bayerischen Staatsoper, das Stück, das Kaufmann mit dem
scheidenden Münchner und zukünftigen Berliner Chefdirigenten Kirill Petrenko
zuletzt probte. „Nach meinem kurzen Auftritt im ersten Akt habe ich ja bei
der ganzen rituellen Handlung der Gralsenthüllung gar nichts zu singen, nur
zuzuschauen.“
Doch nach wenigen Vorstellungen von „Parsifal“ in
München wird Kaufmann bereits nach Berlin reisen, und der Auftritt in der
Waldbühne ist vom Kräfte- und Stimm-Management eine ganz andere Nummer. „Da
möchten die Menschen ein Highlight nach dem anderen hören.“ Und so gibt es
eben noch einen Überraschungsgast – auch, weil Kaufmann gemeinsam mit seinem
Management einige passende Duette gefunden hat. „In Duetten und Dialogen
kann man ja noch mehr Facetten zeigen.“
Nach dem „Auffrischen der
Begeisterung für Italien“ in Berlin – übrigens auch mit einigen deftigen
Schluchzern in den Verismo-Schmachtfetzen von Mascagni und Leoncavallo
(Jonas Kaufmann: „Die Abwechslung macht’s“) – geht es für den Sänger weiter
zum Schleswig-Holstein-Musikfestival. Kurz darauf singt er den Siegmund in
Wagners „Walküre“ wiederum in München, dann zwei Konzerte mit buntem
Opernprogramm in Spanien, um danach wieder nach München für den Abschluss
der Opernfestspiele – wiederum mit dem „Parsifal“ – zurückzukehren. Das
alles noch vor der eigentlichen Sommerpause, die für Sänger und Musiker oft
Festspielzeit und wiederum große Auslastung bedeutet. Ist das gesund?
Jonas Kaufmann sieht es als seine Chance an, dass er fähig ist, die
Entspannung in die Arbeitszeit zu verlegen. „Es gehört zum Dolce Vita dazu,
dass man die Kunst versteht, den Augenblick zu genießen. Dass man zehn
Minuten Freizeit auch auskosten kann. Ich brauche nicht erstmal Zeit, um
runterzukommen.“ Tage, an denen Kaufmann abends Aufführungen hat, sind für
ihn seine freien Tage. „Es traut sich einfach niemand, mich anzusprechen
wegen Terminplanung oder ähnlichem.“
Nur für seine Familie in München
ist er immer erreichbar. „Natürlich versuche ich, so viel wie möglich an der
Familie teilzuhaben.“ Dort kann Jonas Kaufmann mitunter auch seine
handwerkliche Begabung ausleben – gemeinsam mit seinen Kindern konstruiert
der 49-Jährige schon mal nützliche Dinge für die wohnliche Einrichtung, oder
schraubt, zur Entspannung, an seinem Boot. Es kann auch echte Arbeit dabei
sein – dann putzt er auch mal zu später Stunde die Küche. „Man muss
bedingungslos dabei sein – dann kommt man eben mal zu etwas weniger Schlaf.“
Immerhin muss er in München, wo er derzeit nicht nur wohnt, sondern an
der Bayerischen Staatsoper mit Kirill Petrenko und dem Regisseur Pierre Audi
eben auch arbeitet, sich nicht „abends im Kino verkriechen, um zu vergessen,
dass man in diesem Beruf manchmal eben doch oft allein ist.“ So wie in
anderen Städten wie London und New York, wo der namentlich als Wagner-Tenor
viel gefragte Jonas Kaufmann viel unterwegs ist und die ihm doch fremd sind.
Das wird wohl in den nächsten Jahren so weitergehen, zumal Kaufmann gerade
erste Gehversuche mit der gefürchtetsten Tenorpartie Richard Wagners – dem
Tristan – macht.
Bei solchen Herausforderungen diesseits und jenseits
des Atlantiks hilft es, dass München der sichere Rückzugsort für Jonas
Kaufmann ist. Hier ist er aufgewachsen, hier wohnt er seit sieben Jahren
wieder, hier leben auch seine drei Kinder. „In München muss ich eher die
vielen Kontakte koordinieren und auch mal mit Leuten das Bier trinken gehen,
das ich ihnen schon lange versprochen habe.“
Konzert „Dolce Vita“ in
der Waldbühne am 13. Juli um 20 Uhr. Ticket-Hotline 01806 57 00
70Ausstrahlung im ZDF am Sonntag, 15. Juli 2018, 22 Uhr
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