Absolut Beautiful, November 2015
Anna Muhr
 
Jonas Kaufmann
Um als Til Schweiger der Oper bezeichnet zu werden, braucht es vor allem drei Dinge: Charme, Coolness und Erfolg. Deutschlands Tenor-Superstar Jonas Kaufmann hat sie alle und – anders als Schweiger – auch noch eine Stimme zum Niederknien.

Musik ist letztendlich auch nichts anderes als Mathematik, sagen manche. Und dass Töne nur berechenbare Luftschwingungen sind, deren Frequenzen man in Formeln packen kann. Vielleicht war das Grund, warum Jonas Kaufmann nach dem Abitur in München ein Studium der Mathematik begann. Oder wohl doch eher die Eltern, die wollten, dass der Sohn was „Solides“ lernt. Fest steht: Nach wenigen Semestern wurden ihm die Zahlen und Formeln zu theoretisch. Sein Weg war von da an die Praxis von Tönen, Frequenzen und Luftschwingungen. Jonas Kaufmann wurde Sänger. Und das war eine wirklich gute Entscheidung.

Denn heute ist er ein Superstar. Renommierte Zeitungen wie der „Daily Telegraph“ oder die „New York Times“ sprechen von dem Münchner als dem „weltgrößten Tenor“ oder bezeichnen ihn gar als den „wichtigsten vielseitigen Tenor seiner Generation“. Publikum und Kritiker verehren ihn für seine stimmliche Bandbreite, für die Vollkommenheit seines Spiels. Seine Bühne sind die großen Opernhäuser weltweit: Ob die Met in New York, das Royal Opera House in London oder die heimatliche Bayrische Staatsoper in München – für Jonas Kaufmann hat man schon beinahe überall Beifall geklatscht. Eine gewisse Vorliebe scheint Kaufmann selbst jedoch für Italien zu haben. Ganz abgesehen von den Spielstätten – auch die Mailänder Scala ist natürlich darunter – reicht, um das festzustellen, ein Blick auf seine bisherigen Partien. Fast alle Titelrollen von Verdi-Opern hat er gesungen (La Traviata, Aida, Don Carlos), er spielte den Barbier von
Sevilla in Rossinis gleichnamiger Oper, den Idomeneo von Mozart auf Italienisch. Und immer wieder die großen Rollen von Giacomo Puccini.

Jonas Kaufmann hatte sie alle

Die Rollen, in denen es um Leidenschaft, um Sehnsucht und ja, letztendlich, um schöne Frauen geht. Sie passen zu ihm, zu seinen dunklen Augen, dem wuscheligen Lockenkopf. Selbst zu dem mittlerweile leicht angegrauten Dreitagebart. Den heißblütigen Liebhaber kauft man ihm einfach ab. Als den „Til Schweiger der Tenöre“ titulierte ihn vor einigen Jahren einmal eine große deutsche Tageszeitung. Und damit war natürlich auch sein Aussehen gemeint, die maskuline Präsenz auf der Bühne. Aber vielleicht bedeutet das auch noch etwas ganz anderes: Denn so wie Til Schweiger ein Massenpublikum wieder für den deutschen Film begeisterte, bringt Jonas Kaufmann auch Zuschauer in die Oper, die davor wenig mit der Hochkultur zu schaffen hatten.

Na gut, es muss auch nicht immer die reine Hochkultur sein. Seine Vielseitigkeit ist immerhin eine der größten Stärken des 46-jährigen Kaufmann. Und so hat er keine Berührungsängste, wenn es um die populäre kleine Schwester der Oper, die Operette, geht. Erst im vergangenen Jahr war er mit dem Programm „Du bist die Welt für mich“ auf Tournee und interpretierte dafür Operetten-Klassiker. Selbst zum Film hat es ihn unlängst einmal verschlagen: Für „Casanova Variations“ – eine Art Biografie des berühmtesten Liebhabers aller Zeiten – stand er in einer Nebenrolle mit John Malkovich und Veronica Ferres vor der Kamera. Auch für Einsätze als Werbegesicht von Uhren- und Automarken verlässt er hin und wieder die Opernbühne.

Ups and Downs

Bei so viel Erfolg fragt mittlerweile natürlich kaum einer mehr nach den Anfängen. Gerade die sind es aber, die den Superstar Jonas Kaufmann geformt haben. Eine Stimmkrise Mitte der 90er Jahre hätte seine Karriere beinahe beendet, bevor sie überhaupt losgehen konnte: „Damals ging gar nichts mehr. Immer hatte ich Halsschmerzen, immer war ich erkältet, alles Zeichen, dass die Stimme überlastet und deshalb überempfindlich war“, erinnert er sich. Langwieriges Training mit einem guten Lehrer habe geholfen. Seine kräftige und zugleich sanfte, unverkennbare Stimme war seither die verlässlichste Begleiterin auf der Karriereleiter. Sie wird bei ihm bleiben. Auch, wenn er längst ganz oben angelangt ist.






 
 
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