Salzburger Nachrichten, 30.07.2015
Von Ernst P. Strobl
 
"Fidelio" bei den Festspielen: Leonore und ihr stummer Schatten
Claus Guth inszeniert Beethovens "Fidelio". Für den Regisseur ist die Oper ein "schwerer Brocken". ORF 2 überträgt am 13. August.

Wo Jonas Kaufmann ist, da ist etwas los. Das männliche "Sexsymbol der Oper" hat nicht nur mit seiner markanten Tenorstimme weit über den Kreis der Opernfreunde hinaus Bekanntheit erlangt, jeder Intendant der Welt reißt sich um ihn. Nun ist er wieder einmal bei den Salzburger Festspielen, im Einsatz als Publikumsmagnet für Beethovens Oper "Fidelio".

Das Pressegespräch, zu dem der ORF nach der Orchesterhauptprobe am Mittwoch geladen hatte, war geradezu überrannt, wobei allerdings jeder auf dem Podium als interessanter Gesprächspartner gelten konnte. Dirigent Franz Welser-Möst etwa, der vorher penibel und unbeirrbar geprobt hatte, bis jeder Ton passte, oder Claus Guth, der Regisseur dieser "Fidelio"-Produktion. Aber alle Augen und Kameras richteten sich auf Jonas Kaufmann, der auch der Fernsehübertragung die "Quote" sichern soll.

Mehrmals als Jaquino auf der Bühne
"Ich weiß nur, dass ich meinen ersten Florestan 2002 verkörpert habe. Davor bin ich mehrmals als Jaquino auf der Bühne gestanden", sagte Kaufmann. Aber eben wegen dieser langen Erfahrung sei es für ihn "eine große Aufgabe, sich darin immer wieder zu verändern, sich weiterzuentwickeln". Da ist er bei Claus Guth an der richtigen Stelle, denn der Regisseur findet immer wieder neue Zugänge zu altbekannten Werken. So hat er etwa die Dialoge gestrichen, die viele ohnehin banal finden. "Ich habe gemerkt, dass eigentlich keine wesentlichen Informationen verloren gehen", sagt Guth. Schon Beethoven selbst habe in einem Brief nach Prag geschrieben, "macht mit dem Text, was ihr wollt", ergänzt Franz Welser-Möst. Die Schwierigkeiten lägen ohnehin woanders. Für den Dirigenten sei das Problem, dass Beethovens Oper "eine Vision ist, etwas, das man nie erreichen kann. Die Werte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind auch heute, 200 Jahre später, immer noch eine Vision". Deshalb beneide er den Regisseur nicht, "in Bildern wird alles zur Realität", sagt der Dirigent.

Claus Guth gibt zu, bisher um "Fidelio" - ein "schwerer Brocken" - einen Bogen gemacht zu haben. Ein "schwerer Brocken" war es schon für Beethoven, der lang mit der Komposition gerungen hat. Nicht nur, da er bereits schwer ertaubt war. Das brachte Guth übrigens auf eine Idee. Er setzt eine Gebärdendarstellerin ein - als weibliches Spiegelbild der als Fidelio verkleideten Leonore. Dieser stumme Schatten könne ebenso als Assoziation zu Beethovens Gehörverlust dienen. Auch der Bösewicht Pizarro hat einen Schatten, den Tänzer Paul Lorengar. Wer Guths Schaffen verfolgt, kennt das, vom "Cherubim" in der Salzburger "Figaro"-Produktion bis hin zur gehörlosen Gebärdendarstellerin in "Messiah" - der Regisseur hat seinen Stil gefunden.

Der ORF überträgt mit elf Kameras
Ein langjähriger Kenner von Claus Guth ist übrigens auch der ORF-Bildregisseur Michael Beyer, einst Schüler von Götz Friedrich und als Opern- und Filmregisseur ebenso erfahren wie als Neujahrskonzert-Bildregisseur. Elf Kameras, eine davon sogar auf der Beleuchterbrücke, werden für die TV-Übertragung eingesetzt, in enger Absprache mit Guth. Die Dunkelheit auf der "Fidelio"-Bühne mache den neuen HD-Kameras nichts aus, eher Kontraste, sagt Beyer. Jedenfalls werde er alles versuchen, den Opernabend spannend zu gestalten.

Auf Jonas Kaufmann, der als Florestan ja im Kerker schmachtet, muss man lang warten, er tritt erst auf, als ihn seine verkleidete Gattin mutig befreit. Für Guth ist dieser gefolterte Gefangene schwer traumatisiert, das Ende der Oper ist nicht gerade glücklich zu nennen. Jonas Kaufmann findet das gut: "Wie Beethoven einen an der Hand nimmt und einen in diesen Kerker führt, die Dunkelheit hörbar macht, ist beeindruckend." Dieser Florestan sei einer, der nicht mehr in die Gesellschaft einzugliedern sei.















 
 
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