|
|
|
|
|
Opernglas, März 2013 |
Brigitte Kempen |
|
Meine Hommage an Richard Wagner
|
|
Mit einem neuen »Parsifal« an der Met und einer Wagner-Hommage auf CD begeht Jonas Kaufmann das Jubiläumsjahr. Brigitte Kempen traf den Startenor in München.
|
|
Wagner-Jahr und Verdi-Jahr 2013: Aktuell „wagnert" es bevorzugt
in Ihrem Terminkalender, eben noch Lohengrin an der Mailänder Scala, bald
wieder Parsifal, den Sie bisher nur in einer Zürcher Aufführungsserie vor
sieben Jahren gesungen haben. Aber auch Verdi kommt geballt?
Der Parsifal kommt wieder an der Met in New York und an der Wiener
Staatsoper. Aber dann springe ich sozusagen rüber zu Verdi mit der »Don
Carlo«-Wiederaufnahme in London, meinem ersten Manrico im neuen Münchner
»Trovatore«, dem »Don Carlo« ebenfalls an der Bayerischen Staatsoper und
danach bei den Salzburger Festspielen, und am Jahresende gibt es dann auch
noch mal Verdi. Also der erste Teil des Jahres gehört Wagner, der zweite ist
dem anderen Geburtstagskind vorbehalten.
Ihre neue CD
widmen Sie aber ausschließlich Richard Wagner. Nach welchen Kriterien haben
Sie die CD zusammengestellt? Sie haben ja bereits einige Wagner-Arien auf
Ihren Solo-CDs „Romantic Arias" und „Sehnsucht" veröffentlicht. Gibt es
davon jetzt in geballter Form Neu-Deutungen?
Solch
einem Wiederholungsprojekt, nur weil gerade Wagnerjahr ist, hätte ich nicht
zugestimmt. Es gibt nur ein einziges Stück, das zumindest im ersten Teil in
diesem Sinne „noch mal" aufgenommen worden ist: die Gralserzählung, die wir
jetzt aber in der zweistrophigen Fassung bringen.
Schon
in unserem letzten Interview vor Ihrem Bayreuther Lohengrin-Debüt war diese
Form der Gralserzählung ein Thema für Sie. Dann wissen Sie also jetzt, wie
Sie zu dieser langen Version stehen?
Früher war mir
diese Fassung nicht so bewusst. Bei Gesprächen über diese zweite Strophe
wurde sie oft als dramaturgisch total verkehrt bezeichnet und nicht weiter
durchdiskutiert mit der Begründung, Wagner selbst habe sie ja gestrichen.
Wagner hat das auch in einem Brief an Liszt damit begründet, dass er Angst
habe, dass das Publikum sich sonst „erkältet", also emotional abkühlt. Aber
irgendwann habe ich mir dann doch die Noten besorgt, wollte das wenigstens
mal ausprobieren und durchdenken, besonders in Anbetracht der Vorbereitungen
auf den »Lohengrin« in Mailand. Daniel Barenboim hatte ja diese „Special
extended version" zuletzt mit Peter Seiffert in Berlin gemacht und wir waren
dann tatsächlich übereingekommen, dass wir diese Ur-Form in der
Scala-Produktion probieren wollten. Leider sind wir aus verschiedenen
Gründen in Mailand gescheitert mit dieser Idee, wahrscheinlich waren wohl
die fünf Stunden Original schon lang genug. Der Text ist aber sehr
interessant, weil er viele Zusammenhänge besser erklärt als sonst irgendwo
in der gesamten Oper, vor allem wie Ortrud, Schwan und Gottfried miteinander
verbunden sind. Das wird ja auch musikalisch wunderschön umgesetzt, da sich
ein Kreis schließt durch das Wiederaufnehmen des Themas von Lohengrins
Auftrittschor „Welch seltsam Wunder!": Wo er hergekommen ist, da geht er
auch wieder hin — genau das ist hier hörbar. Dramaturgisch wird in der
verlängerten Form halt ein Höhepunkt abgeschwächt, wenn dem spannenden
Moment der Enthüllung des Namens und der Herkunft, wer sein Vater ist und wo
er herstammt, noch diese Extraerklärung folgt, die ja vorher viel sinnvoller
gewesen wäre. Ich muss dabei immer an die Szene in Verdis »Otello« denken,
wenn Jago auf Otellos Fragen nach dem Taschentuch den Namen Cassio bis zum
letzten Punkt hinauszögert. Endlich sagt er dann den Namen — und auf
„Cassio" bricht die Hölle los. In der deutschen Übersetzung des Librettos
ist aber „Händen" das letzte Wort und Cassio wird leider schon früher
erwähnt — das verändert die dramaturgische Wirkung und ähnlich ist es halt
auch bei der Gralserzählung mit der 2. Strophe... Aber es gibt ja nicht nur
dieses Stück auf der neuen Wagner-CD. Wir haben auch noch weitere Arien und
Szenen eingespielt, aus »Siegfried« und »Tannhäuser«, obwohl ich schon noch
ein bisschen Respekt habe vor diesen Partien.
Deuten das
„Waldweben" aus »Siegfried« und die „Romerzählung" aus dem »Tannhäuser«, die
Sie jetzt ebenfalls eingespielt haben, auf geplante Rollendebüts hin?
O ja, die werden schon kommen. Vor allem den Tannhäuser muss ich mir
jetzt vornehmen, auch wenn das wirklich keine einfache Partie ist. Da gibt
es das Ensemble im 2. Akt, das nicht enden will und mit dem die meisten
Wagnertenöre mehr Schwierigkeiten haben als mit der Romerzählung. Auch die
Strophen im Venusberg erfordern ein Singen im Passaggio, was dem typischen
Wagnertenor ein bisschen schwer fällt, wenn die Stimme dann da oben immer so
lange „hängt". Aber Verdi und Puccini machen das auch immer wieder gern in
ihren Tenorpartien, und da ich sehr viel Verdi und Puccini singe, kenne ich
das gut. Die Aufgabenstellung ist mir also bekannt und die Lösung auch,
insofern wäre der Tannhäuser schon möglich. Nicht heute und nicht morgen,
aber so fünf, sechs Jahre vorausdenkend will ich das auf jeden Fall in
Angriff nehmen.
Auch Ihr Steckenpferd des Liedgesangs hat
einen Platz auf Ihrer neuen CD mit den „Wesendonck-Liedern".
Ich habe mich wahnsinnig in diese Lieder verliebt, das muss ich schon
sagen, und habe sie mir als Tenor einfach angeeignet. Diese Kombination aus
speziellen Farben in diesen unglaublich langen Wagner'schen Phrasen und
natürlich diese Tristan-Studien, das ist schon etwas ganz Besonderes und
Wertvolles. Für den Tristan muss ich natürlich noch ein bisschen zuwarten,
aber es ist schön, ihn schon in dieser Liedform anzudenken.
Singen Sie die „Wesendonck-Lieder" mit der ursprünglichen
Klavierbegleitung oder in der Orchesterfassung?
Die CD
ist durchgängig mit Orchester eingespielt worden. Wagner hatte ja nur
„Träume" orchestriert. Für die anderen Lieder wollte er eigentlich auch
immer einmal eine Orchesterfassung schreiben, aber irgendwie ist er nie dazu
gekommen. Schließlich hat es dann Felix Mottl mit „des Meisters" Stilmitteln
getan und die Lieder sind wirklich viel reicher in dieser Orchesterversion.
Ich hatte mir im Vorfeld der Aufnahme auch das Autograph besorgt. Dort
stehen gegenüber der Druckfassung noch ganz andere Sachen drin, Details, die
später verloren gegangen sind, bei denen man einfach merkt, dass Wagner für
seine endgültige Liedkomposition nie ans Klavier gedacht hat, denn manche
Sachen, die er notiert hat, wie etwa ein Crescendo und Decrescendo auf einem
Ton, sind auf dem Klavier überhaupt nicht möglich. Wagner hat wohl im Kopf
das Orchester bereits gehört, und man merkt diesen Stücken wirklich vom
Charakter her deutlich an, dass die Orchestrierung schon von Anfang an in
dieser Komposition drinsteckt. Ich will jetzt nicht sagen, dass die
Klavierbegleitung schlecht ist, aber es fehlt einem einfach etwas, wenn man
die Klavierfassung hört und die Orchesterfassung kennt, denn es kommt noch
mal eine ganz andere Klangdimension dazu.
Weiterhin gibt
es auf der CD das liedähnliche "Am stillen Herd" des Walther von Stolzing
und Siegmunds expressives „Ein Schwert verhieß mir der Vater". Da werden ja
gern die exponierten „Wälse!"-Rufe als Rekordmaßstab genommen. Wie lang sind
Ihre „Wälse!"-Rufe geworden?
Ich hoffe doch lange
genug! Diese Diskussionen darüber finde ich immer ganz seltsam, denn
theoretisch könnte man auf einer CD auch mogeln. Die Romerzählung, das gebe
ich zu, haben wir zum Beispiel erst ein paar Mal im Ganzen durchgemacht, um
die Struktur zu finden, und dann noch an ein paar Stellen gefeilt. Dafür
gibt es halt andere Stücke wie das Wesendonck-Lied „Schmerzen", das ist
ungeschnitten, das war ein Take und war durch. Beim Siegmund ist das wieder
eine andere Sache, denn man kommt einfach nicht in diese typische Stimmung
hinein, wenn man hier stückelt und mittendrin plötzlich anfängt. Ich brauche
diesen Aufbau und mache es dann lieber mehrmals ganz durch, bis alle Musiker
auf derselben Wellenlänge sind. Dieses Stück schaukelt sich in seiner
inneren Dynamik unglaublich hoch, sodass der Charakter einfach von ganz
allein kommt. Es wäre hanebüchen, die „Wälse!"-Rufe hier als sportliche
Sonderleistung zu präsentieren. Sie müssen auf jeden Fall aus dem Kontext
kommen und in ihrer Wildheit, ihrer Verzweiflung und Dramatik hineinpassen —
egal ob lang oder kurz!
Aus dem »Rienzi« haben Sie
„Allmächt'ger Vater" ausgewählt. Der Vollständigkeit halber ein früher
Wagner oder auch eine potenzielle Partie für Sie?
Ich
habe noch als Schüler hier in München im Extrachor im Gärtnerplatztheater
gesungen, als »Die Feen« aufgeführt wurden, und deswegen wollte ich
unbedingt auch etwas daraus oder wenigstens vom »Liebesverbot« aufnehmen.
Aber letztlich wäre das unfair gewesen, denn die Stücke an sich sind sicher
nett und schön, irgendwo eine Mischung aus Lortzing und Weber, aber wenn man
sie dann mit den anderen Werken in einen Topf wirft, haben sie eigentlich
gar keine Chance zu bestehen. Da ist »Rienzi« wirklich die erste
Wagner-Oper, die man für voll nehmen kann. Das Gebet ist einfach ein
wahnsinnig schönes Stück, eine richtig typische Arie mit zwei Strophen und
einem großen Vorspiel und Nachspiel, anders als später das Durchkomponierte,
bei dem man eigentlich immer nur mit der Schere hergehen muss, um überhaupt
ein Stück als Arie oder Arioso rauszufinden oder zusammenzuschneiden. Rienzi
ist jetzt aber keine Rolle, von der ich glaube, sie unbedingt machen zu
müssen.
Der Mailänder war Ihr dritter Lohengrin, den Sie
auf der Opernbühne verkörpern. Hat sich Ihr Lohengrin-Bild verändert während
dieser drei Produktionen mit Lohengrin als Zimmermann, Lohengrin im
Rattenlabor und jetzt mit Lohengrin als tragischem Grenzgänger zwischen den
Welten?
Das Bild verändert sich, aber nicht
grundlegend. Die Tendenz, die ich von Anfang an hatte, hat sich eigentlich
immer mehr verstärkt. Ich habe, bevor ich mich intensiv mit der Partie
beschäftigt habe, nur diesen typischen Vorzeigehelden in Glanz und Gloria im
Ohr gehabt, die Gralserzählung jetzt einmal ausgenommen. Aber bereits wenn
man die Partie das erste Mal durchsingt, erscheint der Lohengrin plötzlich
in Schwarz und Weiß, als ob er ständig einen Schalter umlegt zwischen dem
zum Volk sprechenden Helden, der gemäß dem Auftrag des Grals handelt, und
dem verliebten Mann, aus dem die Zärtlichkeit zu Elsa spricht. Allein sein
erster Auftritt ist ja schon irre: Da schreibt Wagner einen drei Minuten
langen Chor, der Lohengrin als magisches Wunder in glänzender Rüstung
erscheinen lässt, und statt nun in diesem Stil weiterzumachen, dreht sich
dieser Held um und redet erstmal mit einem Schwan, zerbricht also in diesem
Moment den ganzen Aufbau. Wagner wollte damit etwas vermitteln und hat
dieses kompositorische Schema zwischen dem repräsentativen, öffentlichen und
dem intimen, sensiblen Lohengrin bis zum Schluss durchgezogen. Immer wieder
kommen diese Momente, in denen Lohengrin nicht stringent den Plan
durchführt, um zum Erfolg zu kommen, sondern seine Gefühle eine Rolle
spielen und sich einmischen. Sie sind letztlich auch der Fallstrick, der im
Brautgemach zur Katastrophe führt, denn obwohl sich beide lieben, sind die
emotionalen Erwartungshaltungen unterschiedlich. Elsa und Lohengrin kommen
nie wirklich zueinander, es gibt nicht einen Augenblick, in dem der berühmte
Faustsatz „Verweile doch, du bist so schön!" greifen kann. Aus einer
Kränkung heraus entsteht dann die plötzliche Prahlerei von „Glanz und
Wonne", für mich ein starker Bruch, dessen immensem Psychodruck Elsa gar
nicht standhalten kann.
Diese Paaranalyse ist der
psychologisch menschliche Aspekt in der Lohengrin-Geschichte. Welche Rolle
kann denn der Gral für Lohengrin spielen? Wie wichtig ist die Welt, aus der
Lohengrin kommt?
Am Anfang habe ich mir immer
vorgestellt, dass Lohengrin ausschließlich ein Held ist, der von Mission zu
Mission hechelt, hier schnell jemanden rettet und dort etwas richtet und
halt auch mal Sehnsucht nach Ruhe hat, die er bei Elsa finden will.
Irgendwann habe ich dann in eine andere Richtung gedacht. Immerhin ist
Lohengrin der Sohn vom „Chef". Wer weiß, ob der überhaupt schon jemals auf
Mission war oder ob die Gralskollegen ihn bisher immer zurückgehalten haben.
Vielleicht ist das sein erstes Mal, dass er zeigen soll, ob er es auch
„drauf hat", sein erstes Mal, in dem er heraus kann aus dieser
eingeschworenen Männergesellschaft. Und wir wissen ja aus Wagners
»Parsifal«, dass das Leben in dieser reinen Männergesellschaft kein
Zuckerschlecken bedeutet. Claus Guth kam für Mailand mit einer weiteren
Idee, aus der wir die verschiedenen Inszenierungsfacetten heraus entwickelt
haben: Er brachte den Gedanken von Kaspar Hauser, dass ein Mensch sozusagen
vom Himmel fällt und eigentlich selbst gar nicht genau weiß, wie er jetzt an
diesen Ort gekommen ist. Erst nach und nach fällt ihm fetzenweise ein, dass
er dem König politisch beistehen und eine unschuldige Jungfrau retten muss.
Ich fand es ungemein spannend, dass Lohengrins Unsicherheit auch daher
kommen kann, dass er bei der Frage, die er nie gestellt bekommen möchte,
auch selbst die Antwort noch nicht wirklich kennt. So bekam auch das Horn
endlich einen Sinn, das ich in dieser Produktion bei mir trage wie der
Kaspar Hauser sein geschnitztes Holzpferdchen als Verbindung zu einem
vorherigen Leben, von dem keiner etwas Genaues weiß. Es haben sich ganz
viele verschiedene Ebenen aufgebaut. Das ist letztlich auch der große Reiz
an der Bayreuther Neuenfels-Produktion gewesen: dass es da gefühlte zwanzig
verschiedene Ebenen gab. Jeder hatte die Freiheit, sich eine herauszusuchen
und etwas anderes darin zu sehen.
Nach so viel
konzentrierter Wagner-Thematik bleibt ja noch die Frage nach Bayreuth. Sie
haben dort 2010 den Lohengrin in dieser eben erwähnten
Neuenfels-Inszenierung gesungen, danach nicht mehr. Gibt es noch Gespräche
mit Bayreuth oder hat Salzburg eigentlich gewonnen bei Ihren Engagements zu
den sommerlichen Festspielen?
Dass Salzburg „gewonnen"
hat, will ich nicht sagen. Natürlich komme ich mit Salzburg leichter ins
Gespräch allein durch die Entscheidung, dass Alexander Pereira dorthin
gegangen ist, dem ich durch die vielen gemeinsamen Jahre in Zürich sehr
verbunden bin. Ich habe jetzt nach der Mailänder »Lohengrin«-Premiere mit
Eva Wagner zusammen gesessen, die meine Tischdame war, und wir haben da ein
paar Sachen durchgesprochen. Wie sich das mit Bayreuth entwickelt oder
besser gesagt nicht entwickelt hat, ist schwer zu beschreiben. Es wirkt so
ein bisschen, als hätte es auf dem falschen Fuß angefangen oder wäre gleich
wieder eingeschlafen, bevor es überhaupt richtig aufgeweckt worden war. Ich
habe jedenfalls keine weiteren Angebote bekommen. Dort fährt man vielleicht
eine andere Schiene oder sucht einen anderen Typus, ich weiß es nicht. Es
war ja auch früher schon immer so, dass man sich als Sänger, wie Sie das
eben schon sagten, entscheiden musste zwischen den großen Sommerfestspielen.
Und wenn man sich für Bayreuth entschied, dann musste man auch wirklich
jedes Jahr treu dabeibleiben. Wahrscheinlich hat man diese Konstanz bei mir
für die nächsten 15 Jahre nicht so gesehen. Das hätte ich wahrscheinlich
auch nicht mehr gekonnt, denn Planungen gehen so wahnsinnig weit voraus, und
die Bayreuther wollen eigentlich am liebsten nach der Premiere erst
entscheiden, welche Besetzung sie im nächsten Jahr wieder haben wollen und
welche nicht. Das ist planerisch vielleicht schon ein bisschen ein
Auslaufmodell, das aber früher auch andernorts sehr gut funktioniert hat.
Ich kann mich an Erzählungen von Kollegen erinnern, wie es nach einer
Premiere an der New Yorker Met abgelaufen sein soll: Man ging danach
gemeinsam mit Rudolf Bing essen, der fragte, welche Oper man denn im
nächsten Jahr zusammen mal machen wolle, sprach den Termin ab und die Sache
lief an. Damals konnte man noch wirklich spontan ein gemeinsames neues
Projekt anschieben, zu dem man gerade Lust hatte und das sich auch in so
naher Zeit realisieren ließ, dass einem die Lust darauf bis dahin nicht
verging. Total traumhaft dieser Gedanke, ein Idealfall! Wir hingegen machen
jetzt irgendwas fest am Reißbrett, was in fünf Jahren stattfinden soll. Das
gibt zwar Sicherheit, aber eigentlich kann ich mich da nicht wirklich auch
fünf Jahre lang drauf freuen. Diese langfristige Planung ist letztlich eine
ganz unkünstlerische Geschichte. Wir Sänger haben sie nicht angefangen, der
Markt ist leider so.
Sie haben große Openair-Konzerte
gemacht mit Anna Netrebko und Erwin Schrott in effektvollen Lokalitäten wie
auf der Berliner Waldbühne oder dem Königsplatz in München. Solche Events
sehe ich jetzt gar nicht mehr in Ihren Planungen.
Im
letzten Sommer waren weitere Openair-Konzerte geplant, ich konnte letztlich
aber aufgrund einer Erkrankung nicht bei allen mitmachen. So ein Event wird
sicherlich irgendwann wiederkommen, doch — und das habe ich schon bei den
ersten Konzerten gesagt — es wird nie mein Hauptbetätigungsfeld sein, denn
ich bin und bleibe Opernsänger, und da singt man eben gern die Opernpartien
vom Anfang bis zum Ende. Aber egal ob man jetzt ein Solo-Konzert macht, ob
Openair oder Indoor mit Einzelarien, ganzen Opernszenen oder Duetten — mit
solchen Programmen lässt sich ein anderes Publikum anlocken. Hier liegt eine
Chance, mit attraktiven Schmankerin den Appetit so weit anzuregen, dass
dieses Publikum neugierig wird, den Rest auch noch wissen möchte und dann
hoffentlich auch mal ins Theater kommt.
Apropos
„Schmanker!": Bei Ihren Solo-Konzerten geben Sie gerne als Zugabe auch mal
die eine oder andere Operettenarie wie „Du bist die Welt für mich" oder
„Freunde, das Leben ist lebenswert!" Können Sie sich vorstellen, in diesem
Genre aktiv zu werden? Es wird ja gemunkelt, dass ein Filmprojekt der
»Csárdásfürstin« angedacht ist.
Es gibt schon ein paar
Operettenpartien, die ich gern einmal singen möchte. Aber ob jetzt heute
oder morgen? Und ob es dann die »Csárdásfürstin« ist? Kann sein, wenn die
Kombination stimmt und die richtigen Leute zusammenkommen, mit denen man
hohe Qualität erreichen und gleichzeitig wirklich Spaß haben kann. Dann bin
ich dabei! Ich träume auch nach wie vor davon, irgendwann den Eisenstein
oder den Danilo zu spielen. Ich hätte irrsinnige Lust dazu, weil ich seit
meinen frühen Anfängen keine Operette oder ähnliches mehr gemacht habe. Und
diese Partien sind nicht so leicht, dass ich sie erst einplanen möchte, wenn
ich das andere nicht mehr kann. Operette ist sehr schwer zu singen, und
gleichzeitig muss man auch sehr gut schauspielern und sprechen können und
mit so viel Herzblut dabei sein, dass der Funke überspringt. Stücke wie
die »Fledermaus« oder »Belle Helene« haben diese Gute-Laune-Musik, die einen
auf eine ganz andere Ebene bringt und mir sehr viel Spaß macht. Vom Publikum
gab es bisher auch immer sehr positive Reaktionen auf meine
Operetten-Schmankerl. Natürlich gibt es dann aber auch wieder die kritischen
Stimmen, die die Ernsthaftigkeit des Opernsängers bewachen, aber ich glaube,
wenn man eine gesunde Mischung findet, in der man das eine nicht
vernachlässigt und das andere trotzdem tut, ist das ein guter Weg.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|