inFranken.de, 27. Februar 2013
von MONIKA BEER
 
Jonas-Kaufmann-Day in ganz Arizona
 
Oh my God!" hat zwar niemand laut von sich gegeben, aber ansonsten war die Geräuschkulisse am Sonntag Abend im Orpheum Theatre in Phoenix nicht viel anders als bei der Oscar-Verleihung im rund 350 Meilen entfernten Los Angeles: Jonas Kaufmann gab sein Debüt in Arizona, das Publikum reagierte auf die italienischen und französischen Arien sowie zwei deutsche Schmachtfetzen jeweils zunehmend mit einem langen Aufschrei der Begeisterung und stehenden Ovationen.

Was nicht heißen will, dass man in der sechsgrößten Stadt der U.S.A. wahllos jedem gut aussehenden Tenor zujubelt. Das Publikum hier hat zwar keine Opern-, geschweige denn Wagnertradition - es gibt erst seit dem Jahr 2006 die von John Massaro und Gail Dubinbaum gegründete und geleitete Phoenix Opera. Aber neben den raren Opernerlebnissen vor Ort und Abstechern nach San Francisco oder Los Angeles halten die hiesigen Opernfreunde sich vor allem mit DVDs und Kinoübertragungen auf dem Laufenden.

Letzteres ist aber, wie sich am Sonntag zeigte, schon deshalb nur halb so schön, weil auch die Atmosphäre eines Opernhauses viel ausmachen kann. In Phoenix hat man in dieser Hinsicht ein Juwel. Das noch rechtzeitig vor dem großen Börsencrash 1929 vollendete Orpheum Theatre, das damals in seinem Stilmix aus spanischem Mittelalter und Barock als einer der extravagantesten Theaterbauten galt, wurde nach einer wechselhaften Geschichte als Musical- und Filmbühne aufwändig restauriert und 1997 mit allem, was ein modernes Theater braucht, wiedereröffnet. Der Zuschauerraum fasst 1362 Plätze, der noch erhaltene spezifische Zuckerbäckerstil ist, zumindest für europäische Augen, so ungewöhnlich wie hinreißend.

Hingerissen waren im Orpheum am Sonntag nicht nur die Besucher der fast ausverkauften Jonas-Kaufmann-Gala, bei der sich auch das Phoenix Opera Orchestra unter John Massaro zunehmend in Szene zu setzen wusste. Schon nach der Pause erklärten sowohl der Sprecher des Gouverneurs von Arizona als auch der Sprecher des Bürgermeisters von Phoenix den 24. Februar als offiziellen Jonas-Kaufmann-Day. Ob das dahinter stehende Kalkül aufgeht und der von den großen Opernhäusern der Welt heftig umworbene Tenorstar in absehbarer Zeit wiederkommt, hängt unter anderem von seinem Terminkalender ab.

Aber die Menschen in Arizona haben aus guten Gründen ein sonniges Gemüt, und auszuschließen ist es nicht, dass der "beste Operntenor seiner Generation" - so die offizielle Sprachregelung an diesem Abend - Phoenix nicht aus den Augen verliert. Schließlich hat er eine Cousine dort. Und wenn er mit seiner Frau erst die Sightseeing-Tour in den Grand Canyon absolviert und zuvor die unendliche Weite dieser Landschaft und Panoramen erfahren hat, wird er am Samstag den Parsifal an der New Yorker Met womöglich noch eine Spur authentischer spielen können, wenn Gurnemanz ihm sein "Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit" zusingt.

Das Schöne an dieser Met-Produktion ist, dass auch deutsche Opern- und Wagnerliebhaber sie miterleben können. Sie wird am 2. März weltweit live in viele Kinos übertragen, darunter im Bamberger Cinestar. Ich bin garantiert dabei, selbst wenn der Jetlag mich noch fest im Griff haben sollte. Denn Jonas Kaufmann ist für mich derzeit der beste Wagnertenor. Vielleicht liegt das auch daran, dass er - wie in Phoenix - gewissermaßen zur Stimmpflege weiterhin das italienische und französische Fach, sprich jenen Belcanto pflegt, der eine Voraussetzung ist, um Wagner gut singen zu können.

Die nächste Wagner-Partie, die Kaufmann in Angriff nimmt, wird der Stolzing sein. Wo, darf noch nicht verraten werden. Aber man kann sicher sein, dass er auch in dieser Rolle seine große Stimmfarbenpalette, seine umwerfende Strahlkraft und seine außergewöhnliche Pianokultur einbringen wird. Über den New Yorker "Parsifal", eine Koproduktion des Metropolitan Opera Houses mit der Oper Lyon und der Oper Toronto ist er ausgesprochen glücklich, lobt sowohl Dirigenten Daniele Gatti wie seine Kollegen René Pape (Gurnemanz) und Peter Mattei (Amfortas) und die Inszenierung von François Girard über den grünen Klee.

Die Premierenkritiker sahen das Mitte Februar nicht anders. Anthony Tommasini stellte in der New York Times fest: "Die Met versammelt hier so ziemlich die beste "Parsifal"-Besetzung, die heute zu haben ist: Der charismatische Tenor Jonas Kaufmann singt die Titelrolle, der große Bassist René Pape ist der alte Gralsritter Gurnemanz, eine Rolle, die er verinnerlicht hat; und der Bariton Peter Mattei als Amfortas wagt es mit seiner grandiosen Stimme, die Getriebenheit und die inneren Wünschen des angsterfüllten Gralskönigs hervorzuheben."

"Mit seinen jetzt 43 Jahren", so Tommasini weiter, "ist Mr Kaufmann am Gipfel, meistert gleichermaßen das deutsche, italienische und französische Repertoire. Seine Bühnenerscheinung ist attraktiv, geschmeidig und natürlich. Seine baritonalen Klangfarben, seine fanfarenhaften Spitzentöne, die Mischung aus Männlickeit und Zartheit in seinem Gesang, seine verfeinerte Musikalität - alle diese Stärken machen seinen unverwechselbaren Parsifal aus."

Was mir Gelegenheit gibt, noch an zwei eminente Sängerpersönlichkeiten zu erinnern, die beide an einem 27. Februar geboren sind: 1888 die international gefeierte Strauss- und Wagnersängerin Lotte Lehmann, 1856 der Bariton Mattia Battistini, von dessen Wolfram-Interpretation auch Richard Wagner selbst begeistert gewesen sein soll, selbst wenn er ihn nicht in der Originalsprache, sondern auf Italienisch hörte. Für Battistini schrieb Jules Massenet übrigens eigens eine Bariton-Fassung der Titelrolle seiner "Werther"-Oper, aktuell habe ich natürlich die tenorale Urversion im Ohr. Denn wenn Jonas Kaufmann die Arie "Pourquoi me réveiller" singt, vergisst man das nicht so schnell, egal in welcher Zeitzone man sich gerade befindet.













 
 
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