|
|
|
|
|
Der Standard, 24. März 2012 |
Ljubiša Tošić |
|
Es gibt auch positive Nervosität
|
|
Tenor
Jonas Kaufmann ist (ab 31. 3.) in Salzburg bei den kommenden
Osterfestspielen als Don José in "Carmen" zu hören
Wien - Liederabend
da, Opernpremiere dort und zwischendurch gerne auch - etwa - in der Wiener
Stadthalle ein luftiges Arienprogramm mit Anna Netrebko und Erwin Schrott:
Der deutsche Tenor Jonas Kaufmann, über den es schon eine Biografie gibt,
ist karrieremäßig dort angelang, wo man wohl unentwegt "Nein" sagen muss,
und doch omnipräsent wirkt. Hat er in den letzten Wochen in Wien einiges zu
tun gehabt, ist er demnächst bei den Salzburger Osterfestspielen der von
Carmen besessene Don José.
Carmen ist zwar eines jener Werke, das ob
seiner Popularität durchaus als etwas abgespielt gelten kann - für Kaufmann
ist dies kein Thema: "Die Partien haben darstellerisch und musikalisch
so viel zu bieten, dass man immer wieder neue Facetten herausholen kann.
Seit der Così mit Giorgio Strehler versuche ich, bloßes Reproduzieren zu
vermeiden. Strehlers Credo war, die szenische Aktion jeden Abend neu zu
erfinden. Natürlich muss man sich ein Grundgerüst erarbeiten. Aber wenn man
das getan hat, sollte man frei genug sein, spontan zu reagieren - auf den
Dirigenten, auf die Partner, auf die Stimmung im Saal. Das habe ich von
Strehler gelernt, das war für mich eine Erkenntnis, die ich seither nie aus
dem Blick verloren habe."
Was Regie im Allgemeinen anbelangt, ist
Kaufmann (Jahrgang 1969) ein moderner Sänger, also "offen für neue
Sichtweisen - schon deshalb, da es mich langweilen würde, beim einmal
Bewährten bleiben zu müssen. Deshalb haben mich ,radikale' Regiekonzepte
manchmal fasziniert, vor allem wenn - wie etwa in Martin Kusejs Stuttgarter
Fidelio-Inszenierung - die im Stück enthaltene Problematik extrem zugespitzt
wurde."Grundsätzlich aber sei es "wesentlich schwieriger, mit einer
sogenannten ,traditionellen' Inszenierung die altbekannten Geschichten so zu
erzählen, dass sie wieder spannend wirken. Das erfordert gutes Handwerk und
sauberes Arbeiten, allein was die Personenführung betrifft. Viele Regisseure
wählen lieber den leichteren Weg, indem sie sich diesen Anforderungen nicht
stellen, das Stück vielmehr als leeres Gefäß betrachten, das sie nach ihren
Vorstellungen und Fantasien beliebig füllen können."
So man sich
heute auf eine " Neuinszenierung einlässt, lautet die erste Frage unter
Sängern: Wie viel versteht der Regisseur von Musik? Ich habe schon mit
Leuten Theater gemacht, die vom Musical, vom Schauspiel, vom Film, vom
Zirkus und vom Tanz kamen. Da musste man einen Großteil der Proben damit
verbringen, ihnen das Wesen Oper zu erklären. Das ist wirklich mühsam, und
da kann ich auch verstehen, wenn eine berühmte Kollegin sagt: Als
Eignungstest sollten die erstmal ein Notenbeispiel lesen! Wobei das ja noch
kein Garant für musikalisches Empfinden wäre."
Frisch und modern
Wie wird die Carmen-Regie von Aletta Collins? "Sofern ich das nach den
bisherigen Proben sagen kann, wird es eine frische und moderne Deutung, die
sich aber grundsätzlich nicht von der ursprünglichen Geschichte entfernt",
so Kaufmann, dessen Salzburger Arbeit in Teilen bald nach der Premiere
womöglich auf YouTube zu sehen sein wird. Dennoch. Die neuen medialen
Möglichkeiten sieht Kaufmann "größtenteils positiv. Internet und iPad möchte
ich nicht mehr missen." Kaufmann ladet sich, natürlich nur gegen Bezahlung,
auch gerne Musik herunter: "Ich habe zwar eine umfangreiche Sammlung auf der
Festplatte, doch da inzwischen so viele interessante Sachen per Download
erhältlich sind, habe ich mir bei einem Anbieter ein Abo gegönnt, und
seitdem bin ich begeisterter Downloader."
Und was YouTube betrifft,
findet er "toll, dass ich da zwanzig verschiedene Versionen eines Stücks
hören oder tolle Aufnahmen entdecken kann. Es ist eine gigantische
Schatzkiste! In besten Momenten kommt man sich vor wie Alice im Wunderland.
Dass dort auch jeder Kiekser dokumentiert wird, ist natürlich für jeden
Sänger eine Belastung. Da muss man schon gute Nerven haben, wenn man leicht
angeschlagen ist und dann auf die Bühne geht.
"Da hilft womöglich
auch autogenes Training, das Kaufmann neben Gymnastik und Yoga betreibt: "Es
kann helfen, innere Ruhe wieder zu finden. Insofern dient es letztlich der
Arbeit auf der Bühne. Nervosität ist aber ein ambivalenter Begriff: Es gibt
positive Nervosität, die eine Extraportion Adrenalin freisetzt, was ja auf
der Bühne bekanntlich von Vorteil ist. Und es gibt die negative Nervosität,
die einen hemmt oder hektisch werden lässt. Mit dieser Art von Nervosität
habe ich zum Glück nicht sehr oft zu kämpfen. Die besten Mittel dagegen sind
immer noch gute Vorbereitung und ein gesundes Selbstbewusstsein.
"Dass Carmen mit dem Dirigenten, Sir Simon Rattle liiert ist, würde übrigens
keine Probenauswirkungen haben. "Rattle bringt seine Wünsche auf sehr
subtile Art zum Ausdruck, meist indem er uns sagt, was ihm ganz besonders
gefallen hat. Was seine Arbeit mit Magdalena Kozena betrifft, kann ich nur
sagen: Auf der Bühne sind alle gleich - ganz egal, wie eng die privaten
Bindungen sind." |
|
|
|
|
|
|
|
|
|