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Merkur, 5. Juli 2011 |
Tobias Hell |
Freiluft-Spektakel auf dem Max-Joseph-Platz: Jonas für alle
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München
- Spitzenkunst gratis, und dies auf einem der schönsten Plätze Münchens -
das bietet „Oper für alle". Erstmals ist heuer unsere Zeitung Medienpartner.
Am Samstag spielt das Bayerische Staatsorchester vor dem Nationaltheater,
tags zuvor wird Beethovens „Fidelio" nach draußen übertragen. Im
Mittelpunkt: Star-Tenor Jonas Kaufmann.
Langsam aber sicher könnte
man diese Festspiel-Aktion guten Gewissens in „Jonas für alle“ umbenennen.
Wenn die Staatsoper nämlich an diesem Freitag „Fidelio“ auf die Großleinwand
überträgt, ist es bereits das dritte Mal in Folge, dass Münchens
Tenor-Liebling die Besetzungsliste anführt. Dass die ursprünglich für
Placido Domingo ins Leben gerufene Aktion jedes Jahr Tausende anlockt, ist
für Jonas Kaufmann der schlagkräftige Beweis, dass die sogenannte E-Musik
doch massentauglicher ist, als es uns Schwarzseher und Kulturpessimisten
glauben machen wollen.
„Letztes Jahr konnten wir sogar dem Fußball
Paroli bieten“, sagt Kaufmann. „2500 Leute waren beim Public Viewing im
Olympiapark, bei uns waren es angeblich mehr als 20 000. Das macht einen
schon stolz.“ Zusätzlichen Druck durch die auf ihn gerichteten Kameras
verspürt er nicht. Als „alter“ Perfektionist strebt der 42-Jährige bei jeder
Vorstellung nach 100 Prozent. „Für mich macht es letztlich keinen
Unterschied. Vor allem, weil ich gar nicht weiß, ob gerade ich in einer
Großaufnahme zu sehen bin. Man spielt einfach seine Rolle und empfindet das,
was man immer empfindet. Und mit etwas Glück singt man dazu hoffentlich so
gut, wie man sonst immer singt. Dann funktioniert das schon.“
Eine
Vorstellung wie jede andere ist „Oper für alle“ aber doch nicht. Selbst wenn
die Sänger drinnen auf der Bühne kaum etwas von den Massen vor der Tür
mitbekommen. „Wenn man sich danach draußen seinen Applaus abholt, ist das
schon ein unglaubliches Gefühl“, sagt Kaufmann. „Im vergangenen Jahr war es
besonders rührend, weil es genau an meinem Geburtstag war und mir Karita
Mattila mit dem Publikum ein Ständchen gesungen hat. Das sind Momente, die
man im Leben nicht vergisst.“
Ebenso wenig vergessen dürfte Kaufmann
auch seinen umjubelten Siegmund an der New Yorker Met, den die bayerischen
Fans dank der Wunder der modernen Technik zumindest live im Kino miterleben
konnten. Ob er damit auch in München auf die Bühne gehen wird, steht
momentan noch in den Sternen. „Ich bin insofern konservativ, dass ich solche
Grenzpartien vorläufig immer nur einmal in den Kalender aufnehme. Erst
danach wird entschieden, ob und wann ich das wieder mache. Es kann sein,
dass ich süchtig danach werde. Was gerade bei Wagner leicht passiert. Es
kann aber auch sein, dass ich froh bin, noch etwas Zeit verstreichen zu
lassen.“ Nicht zuletzt, weil es neben den großen Wagner-Kalibern, für die
man ihn immer wieder anfragt, noch zahlreiche andere Dinge gibt, die ihn
reizen.
Weil der Name Kaufmann immer für ein volles Haus garantiert,
legen ihm die Intendanten kaum noch Steine in den Weg. Jonas Kaufmann nennt
das Phase drei: „Erst klopft man überall an und fragt, ob einen die Theater
wollen. Dann kommt der Schritt, wo die Häuser auf einen zukommen und man
sich die Rosinen rauspickt. Richtig Spaß macht es aber in Phase drei - wenn
man selber vorschlägt.“ Kaufmann kennt allerdings Kollegen, die das
überhaupt nicht so sehen. Frei nach dem Motto: Ich habe Arbeit, was soll ich
mich da noch als Dramaturg betätigen? „Aber gerade die aktive
Karriere-Gestaltung finde ich sehr wichtig. Dass man selber überlegt, was
stimmlich interessant wäre und meiner Entwicklung guttut.“
Eine
dieser Herzensangelegenheiten ist Umberto Giordanos „Andrea Chenier“, den er
sich für München gut vorstellen könnte. „Das ist so ein Stück, bei dem es
mir vollkommen unbegreiflich ist, dass das nicht im Spielplan ist. Aber da
arbeite ich schon fleißig dran.“ Neben solchen Verismo-Raritäten fällt im
Gespräch aber immer wieder auch der Name Giuseppe Verdi. Mit festem Blick
auf den Otello, der am Horizont wartet. „Das ist eben auch so eine
Traumrolle von mir. Aber eine, die noch Zeit hat.“
Zuvor sind bei
Jonas Kaufmann erst einmal die anderen großen Verdis wie „Maskenball“ oder
„Troubadour“ anvisiert. Was über kurz oder lang wohl den Abschied von Mozart
bedeutet: „Viele liebgewordene Dinge müssen zwangsläufig immer mehr
hintenanstehen. Die Passionen zum Beispiel. Der ganze Bach, den ich früher
gesungen haben. Da würde ich mich sehr freuen, wenn sich mal wieder ein
Dirigent erbarmen würde.“ |
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