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tz, 17. Juni 2011 |
Beate Kayser |
Angst vor Strahlung: Japan-Gastspiel spaltet Bayerische Staatsoper
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Staatsoper: Zwei Drittel wollen nicht in
das von der Atomkatastrophe getroffene Land |
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München - "Ich bin noch jung, ich will noch Kinder haben." Das ist eines der
Argumente, warum viele Musiker der Münchner Staatsoper von Mitte September
bis Mitte Oktober nicht nach Japan reisen möchten.
Es muss hoch
hergegangen sein in der Personalversammlung der Bayerischen Staatsoper am
Mittwoch. Thema: das von Mitte September bis Mitte Oktober geplante
Japan-Gastspiel mit Lohengrin, Roberto Devereux und Ariadne auf Naxos. Zwei
Drittel der rund 400 Anwesenden – so viele sollen nach Japan fahren –
sprachen sich lauthals für eine Absage aus. Eines der Argumente: „Ich bin
jung, ich will noch Kinder haben.“
Selbstverständlich wollen auch
Intendant Bachler und Generalmusikdirektor Kent Nagano die Angst vor
Strahlenschäden in dem von Erdbeben und der Atomkatastrophe erschütteten
Land nicht klein reden. Sie hatten sich mehrerer Experten – etwa von
Greenpeace und der Helmholtzgesellschaft für Strahlenschutz – versichert,
die übereinstimmend die Belastung zurzeit für unbedenklich halten. Auch
bestehe Lebensmittelsicherheit.
Nur: Die Staatsopernleute glauben es
nicht. „Wer kann das so genau nachprüfen?“, hieß es etwa. Und wenn vor Ort
doch etwas passieren sollte: „Steht dann die LH-Maschine bereit, die uns
sofort wieder nach Hause bringt?“ Einige Orchestermitglieder hatten auf
eigene Faust Erkundigungen eingezogen, die weit weniger optimistisch
klangen. Das Haus möchte aber aus Solidarität und aufgrund der langen
Zusammenarbeit mit Japan die Reise unbedingt antreten. Solange keine
ausdrückliche Reisewarnung ausgesprochen ist, würde man sich auch
vertragsbrüchig machen und sähe einen Betrag von mehreren Millionen an
Entschädigungskosten auf sich zukommen, wurde argumentiert.
Klar ist
aber: Niemand wird gezwungen, mitzufahren. Nur, zu welchem Preis? Wer zu
Hause bleibt, soll unbezahlten Urlaub nehmen. Doch wer kann schon einen
Monat auf sein Gehalt verzichten? Die Länge des Aufenthalts, für sehr viele
sind das vier Wochen, erschwert die Entscheidung. Die Sänger müssen nicht so
lange bleiben; Chor, Orchester und Technik aber schon. Im Augenblick ist die
Metropolitan Opera aus New York in Japan. Die Häuser in Leipzig und Dresden
sind raus aus ihren Verträgen.
Roland Schwab als geschäftsführende
Direktor der Staatsoper schlägt gegenüber der tz versöhnliche Töne an: „Wir
wollen unbedingt einen Riss durch die Belegschaft vermeiden, und klar ist
auch: Mensch geht vor Material und Geld.“ Ob München fährt, ist denn auch
noch keineswegs sicher. Schwab: „Alle Vereinbarungen gelten nur zum Stand
von heute. Wenn sich die Lage verändert, muss man neu überlegen.“
Im
Haus bestehen Zweifel, ob etwa die Gruberova oder Jonas Kaufmann mitfahren.
Noch stehen sie auf der Liste, aber Kaufmann hatte ja bereits das New
York-Gastspiel abgesagt. Insgesamt zwei Drittel der Opernleute, Stand
Freitag, sagen: „Wir fahren nicht“. |
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