Reutlinger Generalanzeiger, 04.11.2010
(ag)
Mit betörender Stimme
 
»A star is born« ist im Showgeschäft ein gefährlicher Satz, weil allzu oft damit nur eine Sternschnuppe beschrieben wurde. Auch dem deutschen Opernsänger Jonas Kaufmann war das klar, als er nach seinem Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera in »La Traviata« im Februar 2006 diesen Satz und den frenetischen Jubel im Publikum hörte. »Meinen die wirklich mich?«, fragte er sich und dachte dabei auch an die zähen Anfänge seiner Karriere in der Provinz.

Aber wenn eine große alte Dame der Opernkunst wie Christa Ludwig meint, nachdem sie Kaufmann zum ersten Mal gehört hat, das ist ganz große Kunst, dann lässt das aufhorchen. Spätestens seit seinen weiteren internationalen Auftritten wie an der Londoner Covent Garden Opera und dem jüngsten Lohengrin-Debüt bei den Bayreuther Festspielen ist der 41-jährige Kaufmann in die Topklasse der gefragten Tenöre weltweit aufgerückt. Sein großes Vorbild Placido Domingo hält ihn nicht nur für einen wunderbaren Sänger, sondern auch für einen hochintelligenten Künstler, wie er im Vorwort für die Autobiografie meint, die im Gespräch mit dem Musikjournalisten Thomas Voigt entstanden ist.

In langen Gesprächen erinnert sich Kaufmann, der in der Ausbildung von manchen auch als lässiger Luftikus angesehen wurde, an seine beruflichen Anfänge in den 90er-Jahren nach dem Musikstudium in München mit so manchen Stolpersteinen, Selbstzweifeln und Krisen. Nachdenkliches über die Zunft. Mag sein, dass dieses Buch als vorläufige Lebens- und Karrierebilanz noch etwas früh kommt. Und eine kritische Biografie ist es sowieso nicht, dafür schwingt auch noch allzu viel Bewunderung mit (bei nur einigen kritischen Zwischentönen) von Zeitgenossen, die sich über Kaufmann äußern. Aber Kaufmann gelingt es in den Gesprächen mit Voigt auch immer wieder, nachdenkliche Töne über seine Karriere und seine Zunft anzuschlagen. So ärgert sich der Tenor, der wegen seines südländischen Aussehens gern als singender Latin Lover vermarktet wird, wenn ein Künstler mehr nach seinem Marktwert beurteilt wird als nach seinem Können. Übrigens dachte auch seine jetzige Ehefrau, die Sängerin Margarete Joswig, die für Kaufmann ihre Karriere aufgab, zunächst: Was ist denn das für ein Italo-Macho?

In US-Kritiken kam aber auch der Kern seines Könnens zur Sprache. Auch wenn es nach seinem Auftritt in der Met zusammen mit der bildschönen rumänischen Kollegin Angela Gheorghiu in Anspielung an das Hollywood-Traumpaar Brad Pitt und Angelina Jolie die Überschrift »Brangelina sings« im New York Magazine gab: Kaufmann hat nicht nur das Aussehen und die Bühnenpräsenz eines Rockstars, er hat auch eine stimmliche Flexibilität, die man bei deutschen Tenören selten hört.

Kaufmanns Lehrer Michael Rhodes vertraut seinem Schützling auch bei seinem jetzigen Höhenflug: »Er ist mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben. Er lässt sich nicht hochloben und glaubt nicht jedes Kompliment. Ich mache mir nur Sorgen, dass er ein einsamer Mann wird. Jonas ist ein Familienmensch, er liebt Kinder, er liebt seine Frau - und er ist viel zu wenig zu Hause. Er sollte seine Auftritte etwas reduzieren.« (ag) Thomas Voigt: Jonas Kaufmann: Meinen die wirklich mich?






 
 
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