Kein Bayreuth ohne ihn. Peter Raue, Berlins
Kunst-Anwalt, ist ein Fan des Festivals. Nach der „Lohengrin“-Premiere
sprach er mit der B.Z.
Was sagen Sie zu diesem „Lohengrin“, Herr Raue?
Großartig! Ein Geniestreich! Der 69-jährige Hans Neuenfels hat bei seinem
ersten Auftritt in Bayreuth einen wahren Triumph erlebt.
Bezieht sich Ihr Lob auch auf die Ratten? Neuenfels lässt das Volk von
Brabant ja in Rattenkostümen agieren.
Absolut! Es ist natürlich die skandalöse Idee der Inszenierung. Neuenfels
versteht das als ein Symbol von Anpassung. Ratten kann man dressieren, mit
Ratten werden Experimente gemacht. Ratten rennen mal dem, mal jenem
hinterher. Mal ist Elsa die Göttin, dann glauben sie wieder Graf Telramund.
Insofern ist das eine ganz vernünftige Metapher. Und ganz schlüssig, wie
alles bei Neuenfels. Der hat alles genau durchdacht.
Und dann der Schwan im Sarg...!
Ja, das war ein ganz starkes Bild. Denn Lohengrin ist ja von Anfang an
zum Scheitern verurteilt. Wagner hat gesagt, der „Lohengrin“ sei sein
traurigstes Stück. Und diese ganze Traurigkeit und verzweifelte Liebe hat
Neuenfels inszeniert. Ich finde, es ist eine seiner besten Arbeiten, und ich
kenne ihn seit 40 Jahren.
Neuenfels wurde wie verrückt ausgebuht. Können Sie das verstehen?
Die Buhs kommen von Leuten, die die glanzvollen Rüstungen vermissen. Wer
aber von Hans Neuenfels erwartet, dass er einen „Lohengrin“ so inszeniert
wie es Wolfgang Wagner vor 50 Jahren gemacht hat, wird enttäusscht.
Wie haben Ihnen die Stimmen gefallen?
Ach, das kann man auf der Welt nicht besser besetzen. Jonas Kaufmann ist
wohl der beste Lohengrin, den es zurzeit auf der Welt gibt. Dieses Piano,
das kann keiner so. Und Annette Dasch ist eine wirklich anrührende, zutiefst
bewegende Elsa. Wir haben drei Stunden auf der Fahrt nach Salzburg über
diese Inszenierung geredet. Das Stück geht einen plötzlich wieder was an!
Bayreuth ist ja auch immer ein Event.
Ich glaube das nicht. Sieht man mal von der Eröffnung ab. Wir sind
diesmal zur Eröffnung gekommen, weil wir mit Hans Neuenfels befreundet sind.
Aber sonst gehen wir immer an den anderen Tagen. Und mir ist es auch
wurscht, wer alles da ist. Außerdem: Fünf, sechs Stunden in einer Oper zu
sitzen – so etwas macht man nicht aus Angabe. Das ist ein Ritual, ein hohes
Ritual sogar. Und es gibt kein Festival in Deutschland und Österreich, das
so kundige Besucher hat wie Bayreuth.
Können Sie in Bayreuth alles vergessen?
Ja, schon. Da liest man den Text noch mal, hört die Eröffnungsmatinee von
Stefan Mickisch...
Merkt man da den Unterschied reiches Bayern – sexy Berlin besonders
deutlich?
Ach, Bayreuth ist einfach ein Zustand. Man isst in der Pause seine
Würstel, das ist keine Großstadt, das hat mit Berlin nichts zu tun.
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