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Opernwelt, September 2010 |
Christoph Vratz |
«Keine Panik»
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Pünktlich zu seinem
Bayreuth-Debüt erschien die erste Biografie über Jonas Kaufmann. Das Buch
ist mehr als eine PR-Nummer |
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Wenn Leute, die gerade mal die 40er-Stufe auf
der Altersleiter überklettert haben, eine Biografie veröffentlichen oder
veröffentlichen lassen, ist das immer heikel. Die ersten Lebensbücher über
Anna Netrebko waren so nährstoffreich wie ein labbriger Schokoriegel; um
einiges besser geriet das erste Buch über Rolando Villazón, nun ist also
Kaufmann an der Reihe. Schnell ist klar: Dieses 170-Seiten-Bändchen ist ein
Gewinn. Dass die Gastbeiträge von Sänger-Kollegen und -Kolleginnen zu
Lobeshymnen geraten – mit Ausnahme einer dezenten Mahnung von Christa Ludwig
–, durfte man erwarten. Sie werfen ohnehin nur ein Teillicht auf den aus
München stammenden Tenor. Deutlich gewichtiger etwa, wenn Jürgen Kesting
gebeten wird, sich kritisch zu äußern, und dieser nicht zu bang ist, auch
Schwachpunkte – etwa Probleme bei schroffen dynamischen Übergängen – zu
benennen.
Was diesen Band so kurzweilig macht und vor allem den Menschen Kaufmann
immer wieder in den Fokus rückt, ist der Wechsel zwischen berichtenden,
resümierenden Kapiteln und der Interview-Form. Autor Thomas Voigt hat mit
seinem Frage-Antwort-Spiel schon mehrfach Erfolg gehabt und beispielsweise
in seinem Band über Martha Mödl gezeigt, dass diese Methode über mehr als
nur fünf Seiten trägt. Hier befragt er Kaufmann sowie, verstärkt im zweiten
Teil, auch dessen Frau Margarete Joswig, ebenfalls Sängerin: ob sie Rollen
gemeinsam aussuchen; wie sie den Alltag mit drei kleinen Kindern meistern;
wie beide aneinander Kritik üben; wie man es schafft, dass aus einer
Bühnenbeziehung prinzipiell nicht mehr wird usw.
Das Ganze wirkt nie voyeurhaft oder krampfhaft geerdet. Bodenständigkeit ist
Kaufmanns Programm. Schließlich hätte seine Karriere vorbei sein können,
bevor sie überhaupt begonnen hatte. Voigt bringt die frühen Krisen zur
Sprache, auch die Fehler, zu denen Kaufmann heute selbstkritisch Stellung
bezieht. Dann gehen die Fragen bis in musikalische Details hinein, etwa wie
man es schaffen kann, dass Florestans heikelste Passage im «Fidelio» nicht
aus dem Ruder läuft. Kaufmann: «Keine Panik bekommen, sondern möglichst
entspannt bleiben.» Das klingt einfach, fügt sich aber zu einem Puzzle, wenn
er sich an anderer Stelle zu seiner Yoga-Vorliebe bekennt. Oder wenn er von
der kniffligen Balance zwischen Verausgabung und Zurücknahme spricht, an der
so viele scheitern. Die Kunst richtigen Dosierens zeige sich, so Kaufmann,
vor allem bei Wagner, den man mitunter so liedhaft leise singen könne, dass
es die Stimme schont und trotzdem nichts an Eindringlichkeit verloren geht.
Ein erfreulich offenes, ungekünsteltes Buch.
Thomas Voigt: Jonas Kaufmann.
«Meinen die wirklich mich?».
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