Focus/dpa, 30. August 2010
Krisen und Triumphe: Jonas Kaufmann erinnert sich
„A star is born“ ist im Showgeschäft ein gefährlicher Satz, weil allzu oft damit nur eine Sternschnuppe beschrieben wurde. Auch dem deutschen Opernsänger Jonas Kaufmann war das klar, als er diesen Satz und den frenetischen Jubel im Publikum hörte.
Dies war der Fall nach seinem Debüt an der legendären New Yorker Metropolitan Opera in La Traviata im Februar 2006. Die Erinnerungen daran (Meinen die wirklich mich?) lässt ihn an die Anfänge seiner Karriere in Deutschland in der Provinz, aber auch an persönliche Krisen zurückdenken. Aber wenn eine große alte Dame der Opernkunst wie Christa Ludwig meint, nachdem sie Kaufmann zum ersten Mal gehört hat, das ist ganz große Kunst, dann lässt das aufhorchen.

Spätestens seit seinen weiteren internationalen Auftritten wie an der Londoner Covent Garden Opera und dem jüngsten Lohengrin-Debüt bei den Bayreuther Festspielen ist der 41-jährige Kaufmann in die Topklasse der gefragten Tenöre weltweit aufgerückt, und endlich auch in Deutschland. „Nach meinem Bayreuth-Debüt bin ich in Deutschland angekommen“, sagte der Sänger des Jahres 2009 der Nachrichtenagentur dpa. Manche sprechen schon vom neuen König der Tenöre.

Sein großes Vorbild Placido Domingo hält ihn nicht nur für einen wunderbaren Sänger, sondern auch für einen hochintelligenten Künstler, wie er im Vorwort für die jetzt erschienene Autobiografie meint, die im Gespräch mit dem Musikjournalisten Thomas Voigt entstanden ist. In langen Gesprächen erinnert sich Kaufmann, der in der Ausbildung von manchen auch als lässiger Luftikus und leichtlebiger Typ angesehen wurde, an seine beruflichen Anfänge in den 90er Jahren nach dem Musikstudium in München mit so manchen Stolpersteinen, Selbstzweifeln und Krisen in den ersten Jahren seiner Karriere.

Er reflektiert auch immer noch ziemlich nüchtern und realistisch seine jetzigen beruflichen Erfolge, bei aller Freude über den endlich erzielten Durchbruch. Kaufmann hat die Haltung mancher Intendanten in seiner Heimat nicht vergessen, nach dem Motto „Schauen wir erst mal, ob er an der Met Erfolg hat, bevor wir ihm etwas anbieten“. Und der Familienvater (Papa Flughafen) weiß um die Gefahren einer zu hektischen PR-Vermarktung, bei der die Persönlichkeit schnell auf der Strecke bleibt.

Mag sein, dass dieses Buch als vorläufige Lebens- und Karrierebilanz noch etwas früh kommt angesichts der gerade mal 41 Jahre Kaufmanns. Und eine kritische Biografie ist es sowieso nicht (will sie auch nicht sein), dafür schwingt auch noch allzu viel Bewunderung mit (bei nur einigen kritischen Zwischentönen) von Zeitzeugen, die sich über Kaufmann äußern wie Peter Gelb, Alexander Pereira, Franz Welser-Möst, Angela Gheorghiu und Antonio Pappano. Peter Katona, Casting Director der Royal Covent Garden Opera in London, schwärmt über den Tenor: Zu gut um wahr zu sein – als Sänger, als Musiker, als Darsteller, als Mensch. Aber Kaufmann gelingt es in den Gesprächen mit Voigt auch immer wieder, nachdenkliche Töne über seine Karriere und seine Zunft anzuschlagen.

So ärgert sich der Tenor, der wegen seines südländischen Aussehens auch ein Frauenschwarm ist und entsprechend gern als singender Latin Lover vermarktet wird, wenn ein Künstler mehr nach seinem Marktwert beurteilt wird als nach seinem Können. Übrigens dachte auch seine jetzige Ehefrau, die Sängerin Margarete Joswig, die für Kaufmann ihre Karriere aufgab, zunächst: Was ist denn das für ´n Italo-Macho? So wurde Kaufmann auch schon als der schönste Mann der Oper oder der neue Beau unter den männlichen Diven bezeichnet.

In US-Kritiken kam aber auch der Kern seines Könnens zur Sprache. Auch wenn es nach seinem Auftritt in der Met zusammen mit der bildschönen rumänischen Kollegin Angela Gheorghiu in Anspielung an das Hollywood-Traumpaar Brad Pitt und Angelina Jolie die Überschrift „Brangelina sings“ im New York Magazine gab: Kaufmann hat nicht nur das Aussehen und die Bühnenpräsenz eines Rockstars, er hat auch eine stimmliche Flexibilität, die man bei deutschen Tenören selten hört.

Kaufmanns großer Mentor und Lehrer Michael Rhodes vertraut seinem Schützling auch bei seinem jetzigen Höhenflug: „Er ist mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben. Er lässt sich nicht hochloben und glaubt nicht jedes Kompliment. Ich mache mir nur Sorgen, dass er ein einsamer Mann wird. Jonas ist ein Familienmensch, er liebt Kinder, er liebt seine Frau – und er ist viel zu wenig zu Hause. Er sollte seine Auftritte etwas reduzieren.“
 






 
 
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