Südwest Presse, 19. Oktober 2010
OTTO PAUL BURKHARDT
Echo aus Gottschalks Hand
(Fast) alle Superstars bekamen einen: David Garrett, Lang Lang und Jonas Kaufmann. Auch die Reutlingerin Ute Kleeberg erhielt einen Echo Klassik - überreicht am Sonntag in Essen von Thomas Gottschalk persönlich.

Nur schade, dass das ZDF diesen Moment nicht mehr gesendet hat. Aber der Reihe nach: Es ist schon eine kleine Sensation, dass die Reutlinger Autorin Ute Kleeberg, Leiterin der Edition See-Igel, in der Sparte "Klassik für Kinder" einen Echo zugesprochen bekam (wir berichteten) - und zwar für die Hörbuch-CD "Prinzessin Graues Mäuschen".

Denn damit steht der kleine See-Igel-Verlag in einer Reihe neben Klassik-Giganten wie Lang Lang, Jonas Kaufmann, Joyce DiDonato und Kurt Masur. Doch die zeitversetzte ZDF-Gala vor Millionenpublikum am Sonntag um 22 Uhr (die Verleihung war schon um 17 Uhr) zeigte von den 60 Echo-Klassik-Gewinnern nur einen Teil: die Prominenz.

Die restlichen Gewinner, darunter Ute Kleeberg, bekamen ihren Echo Klassik zwar auch von Moderator Thomas Gottschalk überreicht - allerdings erst nach dem gesendeten Teil der Gala. Immerhin, Gottschalk bat dann vor rund 1900 Zuschauern in der Philharmonie Essen auch Ute Kleeberg auf die Bühne und gratulierte. Sicher, nicht so ausführlich wie bei David Garrett. Ohne Jury-Begründung. Und ohne Zeit für eine kleine Ansprache.

Wie auch immer: "Ich freue mich sehr über den Preis", sagte Ute Kleeberg gestern, gerade eben aus Essen zurückgekehrt, im Gespräch mit unserer Zeitung. "Ich fühle mich da in hochkarätiger Gesellschaft", sagt sie. Und die Edition See-Igel, als kleiner Verlag, könne das "gut gebrauchen". Die Echo-Trophäe aus poliertem Edelstahl wiegt "an die zwei Kilo" und bekommt nun neben anderen Preisen, von denen die Edition See-Igel eine Menge vorzuweisen hat, seinen Extraplatz bei den Kleebergs.

Der Echo sieht ein bisschen aus wie eine gebogene Leiter und lässt mit viel Phantasie an Schallwellen denken. Selbstverständlich war Kleeberg - mit ihrem Mann Uwe Stoffel und zwei Söhnen - eigens zur Preisverleihung nach Essen gereist. Bei der großen ZDF-Gala saß die Familie Kleeberg/Stoffel in der 17. Reihe und verfolgte den Promi-Teil mit Interesse.

Nach der - nicht gesendeten - Preisübergabe an weitere 30 Gewinner gabs noch einen Fototermin (bei der sogar David Garrett den "Reutlinger" Echo berührt haben soll) und eine Aftershow-Party. Ja, "ein bisschen schade" fand Ute Kleeberg schon, dass sie nicht im TV-Teil der Verleihung auf die Bühne gebeten wurde. Aber sie hat das Ganze "mit Humor genommen: Es war wie ein Familienurlaub".

Die gesendete Gala verströmte jedenfalls viel Glanz und Glamour, denn die Preisübergabe des renommierten Echo Klassik ist der Oscar-Verleihung nachempfunden. Nach Maria Furtwängler und Götz Alsmann war nun, 2010, Thomas Gottschalk als Moderator an der Reihe - einer, dessen Herz eher für Rock à la "Scorpions" schlägt. Gottschalk outete sich denn auch sofort als "Seiteneinsteiger", was ihn nicht daran hinderte, gleich mal die Essener Philharmoniker persönlich zu dirigieren, allerdings, keine Angst, nur ein paar Takte lang.

Der Echo-Klassik ist ein Preis, den die Phonoindustrie finanziert. Vor allem die großen "Major Labels" wie Sony Classical, EMI und die Universal sind tonangebend. Entsprechend ist auch die Jury zusammengesetzt, in der seit 1998 aber auch unabhängige Vertreter sitzen. Die Verleihung wird als große ZDF-Gala aufgezogen - in der verständlichen Absicht, über Crossover-Stars wie David Garrett auch ein klassikferneres Publikum anzusprechen.

Andererseits empfinden viele seriöse Interpreten die Art, wie hier klassische Musik feilgeboten wird, als "anbiedernd": Auch das ist verständlich. Manche der ausgezeichneten Musiker erschienen erst gar nicht zur Verleihung - etwa der Dirigent Nikolaus Harnoncourt, die Sängerin Cecilia Bartoli und die Bratscherin Tabea Zimmermann.

Doch die Show hat nun mal eine hohe Quote. Kein Wunder, dass gleich zu Beginn David Garrett ein Crossover-Potpourri aus Schubert ("Serenade") und James Bond ("Live and let die") fiedelt - der Superstar erhielt seinen Echo in der Sparte "Bestseller des Jahres". Garrett vergaß auch nicht, zu erwähnen, dass sein Album "Classic Romance" inzwischen über 200 000 Mal verkauft worden ist.

So gings weiter. "Heute sehen die Opern-Sängerinnen so aus, als hätten sie ein Casting hinter sich", meinte Gottschalk beim Anblick der Sopranistin Joyce DiDonato und tanzte prompt ein paar Takte Walzer mit ihr. Und dann Jonas Kaufmann, dessen Karriere in den 90er Jahren auch beim Uracher Musikherbst begann - als Meisterschüler bei Hermann Prey. Kaufmann, dessen Laudatio der klassikerfahrene Ex-Punker Sting hielt, sang mutigerweise etwas nicht Eingängiges: eine typische Verismo-Arie aus Cileas Feder. Und er gab zu, dass "langweilige Reden" nicht sein Ding sind. Viel mehr liegen ihm die "Gefühle", wie sie die Oper vermittelt, "die unglaublichen Aufwallungen". Die bringt er rüber - und wie!

Freilich, dass eine so verdienstvolle, sensible, nachhaltige und wenig spektakuläre Arbeit wie die von Ute Kleebergs Kinder-Hörbuch-Edition See-Igel nun einen Echo Klassik gewinnt, zeigt etwas: Der Preis ist entwicklungsfähig. Und auf dem richtigen Weg.

 






 
 
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