Nur schade, dass das ZDF diesen Moment nicht mehr gesendet hat. Aber der
Reihe nach: Es ist schon eine kleine Sensation, dass die Reutlinger Autorin
Ute Kleeberg, Leiterin der Edition See-Igel, in der Sparte "Klassik für
Kinder" einen Echo zugesprochen bekam (wir berichteten) - und zwar für die
Hörbuch-CD "Prinzessin Graues Mäuschen".
Denn damit steht der kleine See-Igel-Verlag in einer Reihe neben
Klassik-Giganten wie Lang Lang, Jonas Kaufmann, Joyce DiDonato und Kurt
Masur. Doch die zeitversetzte ZDF-Gala vor Millionenpublikum am Sonntag um
22 Uhr (die Verleihung war schon um 17 Uhr) zeigte von den 60
Echo-Klassik-Gewinnern nur einen Teil: die Prominenz.
Die restlichen Gewinner, darunter Ute Kleeberg, bekamen ihren Echo
Klassik zwar auch von Moderator Thomas Gottschalk überreicht - allerdings
erst nach dem gesendeten Teil der Gala. Immerhin, Gottschalk bat dann vor
rund 1900 Zuschauern in der Philharmonie Essen auch Ute Kleeberg auf die
Bühne und gratulierte. Sicher, nicht so ausführlich wie bei David Garrett.
Ohne Jury-Begründung. Und ohne Zeit für eine kleine Ansprache.
Wie auch immer: "Ich freue mich sehr über den Preis", sagte Ute Kleeberg
gestern, gerade eben aus Essen zurückgekehrt, im Gespräch mit unserer
Zeitung. "Ich fühle mich da in hochkarätiger Gesellschaft", sagt sie. Und
die Edition See-Igel, als kleiner Verlag, könne das "gut gebrauchen". Die
Echo-Trophäe aus poliertem Edelstahl wiegt "an die zwei Kilo" und bekommt
nun neben anderen Preisen, von denen die Edition See-Igel eine Menge
vorzuweisen hat, seinen Extraplatz bei den Kleebergs.
Der Echo sieht ein bisschen aus wie eine gebogene Leiter und lässt mit
viel Phantasie an Schallwellen denken. Selbstverständlich war Kleeberg - mit
ihrem Mann Uwe Stoffel und zwei Söhnen - eigens zur Preisverleihung nach
Essen gereist. Bei der großen ZDF-Gala saß die Familie Kleeberg/Stoffel in
der 17. Reihe und verfolgte den Promi-Teil mit Interesse.
Nach der - nicht gesendeten - Preisübergabe an weitere 30 Gewinner gabs
noch einen Fototermin (bei der sogar David Garrett den "Reutlinger" Echo
berührt haben soll) und eine Aftershow-Party. Ja, "ein bisschen schade" fand
Ute Kleeberg schon, dass sie nicht im TV-Teil der Verleihung auf die Bühne
gebeten wurde. Aber sie hat das Ganze "mit Humor genommen: Es war wie ein
Familienurlaub".
Die gesendete Gala verströmte jedenfalls viel Glanz und Glamour, denn die
Preisübergabe des renommierten Echo Klassik ist der Oscar-Verleihung
nachempfunden. Nach Maria Furtwängler und Götz Alsmann war nun, 2010, Thomas
Gottschalk als Moderator an der Reihe - einer, dessen Herz eher für Rock à
la "Scorpions" schlägt. Gottschalk outete sich denn auch sofort als
"Seiteneinsteiger", was ihn nicht daran hinderte, gleich mal die Essener
Philharmoniker persönlich zu dirigieren, allerdings, keine Angst, nur ein
paar Takte lang.
Der Echo-Klassik ist ein Preis, den die Phonoindustrie finanziert. Vor
allem die großen "Major Labels" wie Sony Classical, EMI und die Universal
sind tonangebend. Entsprechend ist auch die Jury zusammengesetzt, in der
seit 1998 aber auch unabhängige Vertreter sitzen. Die Verleihung wird als
große ZDF-Gala aufgezogen - in der verständlichen Absicht, über
Crossover-Stars wie David Garrett auch ein klassikferneres Publikum
anzusprechen.
Andererseits empfinden viele seriöse Interpreten die Art, wie hier
klassische Musik feilgeboten wird, als "anbiedernd": Auch das ist
verständlich. Manche der ausgezeichneten Musiker erschienen erst gar nicht
zur Verleihung - etwa der Dirigent Nikolaus Harnoncourt, die Sängerin
Cecilia Bartoli und die Bratscherin Tabea Zimmermann.
Doch die Show hat nun mal eine hohe Quote. Kein Wunder, dass gleich zu
Beginn David Garrett ein Crossover-Potpourri aus Schubert ("Serenade") und
James Bond ("Live and let die") fiedelt - der Superstar erhielt seinen Echo
in der Sparte "Bestseller des Jahres". Garrett vergaß auch nicht, zu
erwähnen, dass sein Album "Classic Romance" inzwischen über 200 000 Mal
verkauft worden ist.
So gings weiter. "Heute sehen die Opern-Sängerinnen so aus, als hätten
sie ein Casting hinter sich", meinte Gottschalk beim Anblick der Sopranistin
Joyce DiDonato und tanzte prompt ein paar Takte Walzer mit ihr. Und dann
Jonas Kaufmann, dessen Karriere in den 90er Jahren auch beim Uracher
Musikherbst begann - als Meisterschüler bei Hermann Prey. Kaufmann, dessen
Laudatio der klassikerfahrene Ex-Punker Sting hielt, sang mutigerweise etwas
nicht Eingängiges: eine typische Verismo-Arie aus Cileas Feder. Und er gab
zu, dass "langweilige Reden" nicht sein Ding sind. Viel mehr liegen ihm die
"Gefühle", wie sie die Oper vermittelt, "die unglaublichen Aufwallungen".
Die bringt er rüber - und wie!
Freilich, dass eine so verdienstvolle, sensible, nachhaltige und wenig
spektakuläre Arbeit wie die von Ute Kleebergs Kinder-Hörbuch-Edition
See-Igel nun einen Echo Klassik gewinnt, zeigt etwas: Der Preis ist
entwicklungsfähig. Und auf dem richtigen Weg.
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