Hamburger Abendblatt, 17. Oktober 2010
Jonas Kaufmann ist der Sänger des Jahres
Die Show für den Echo Klassik hat die Grenzen des Genres gesprengt: Thomas Gottschalk präsentierte die Verleihung als Unterhaltungssendung.

Essen. Thomas Gottschalk hat die Verleihung des Echo Klassik auf den roten Teppich geholt. Mit Glitter am Frack, lustigen Einlagen und Nachwuchssängerinnen, die aussehen wie Topmodels. Zu Beginn lässt David Garrett (30) zu poppigen Geigensounds elektrische Flammen auf LED-Leinwänden tanzen und eröffnet damit eine Veranstaltung, die das ZDF mit dem Stichwort Crossover überschrieben hat.

„Ich will die Klassik raus aus dem Elfenbeinturm holen. Ich finde Bon Jovi gut und Bayreuth“, hat Gottschalk vor der Show gesagt. Zu Beginn klaut er dem Leiter der Essener Philharmoniker, Andrey Boreyko, den Dirigentenstab und lässt die Musiker „Figaros Hochzeit“ spielen. „Ich wollte einmal im Leben ein Symphonie-Orchester in meine Gewalt bekommen“, witzelt Gottschalk.

Dann erhebt die US-amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato ihre glasklare Stimme zu Rossini – im Abendkleid von Vivienne Westwood mit übergroßer Schleife. Gottschalk überreicht ihr die zwei Kilogramm schwere Trophäe als beste Sängerin des Jahres und bezeichnet sie als „ein Juwel der Klassik“. DiDonato selbst gibt sich entzückt vor der herausragenden Position klassischer Musik in Deutschland: „Wie Klassik in Deutschland gefeiert wird, sollte ein Vorbild für die ganze Welt sein.“ Nach den Lobeshymnen bittet Gottschalk zum Walzer.

Jonas Kaufmann, der „Sänger des Jahres“, muss nach seinem Auftritt nicht tanzen, sondern den Refrain des Sting-Songs „Roxanne“ anstimmen. „Mit meiner Stimme wäre das Lied kein Hit geworden“, sagt er dann zu seinem Laudator Sting.

Mit geschlossenen Augen nähert sich der 28-jährige Pianist Lang Lang dann Chopin und später der deutschen Nationalhymne. In China, der Heimat des „Instrumentalisten des Jahres“, gingen Millionen Kinder zum Klavierunterricht, weil sie alle so sein wollten wie Lang Lang, sagt Gottschalk.

Für große Strahlkraft steht hierzulande der deutsche Dirigent Kurt Masur, ausgezeichnet für sein Lebenswerk und gewürdigt vom langjährigen Bundesminister Hans-Dietrich Genscher. Und Masur kommt mit einer Botschaft auf die Bühne der Philharmonie, die aussah wie ein Fernsehstudio. „Die Musik muss in Deutschland wieder eine größere Rolle spielen, auch im täglichen Leben“, sagt der 83-Jährige. Musik vermittle Harmonie und den Sinn für Gemeinschaft. „Wenn ein Kind seine Mama singen hört, weiß es, dass die Mutter glücklich ist.“

Als großer Verdienst Masurs gilt sein Engagement für den Wiederaufbau des Gewandhauses in der Innenstadt Leipzigs. Mit dem Gewandhausorchester gab Masur als Kapellmeister weltweit in 27 Jahren über 900 Konzerte.

Die größte Crossover-Einlage liefert Ex-Police-Sänger Sting, als er zusammen mit den Essener Philharmonikern „Every Little Thing She Does Is Magic“ spielt. „Gute Performance, aber kein Preis“, kommentiert Gottschalk.

Weniger populär ist das Fauré-Quartett, das den Preis in der Kategorie „Klassik ohne Grenzen“ bekommt. Zeitgenössische Musik auf der großen Bühne, das ist selten im deutschen Fernsehen. „Ihr werdet doch bestimmt öfter mit dem Forellen-Quartett verwechselt“, scherzt ein gut gelaunter Gottschalk. Für ein bisschen Glamour sorgen auch die Nachwuchskünstlerinnen Olga Scheps (24) und Alice Sara Ott (22). „Diese Damen hätten auch bei Heidi Klum gute Chancen gehabt“, sagt Gottschalk.






 
 
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